Denkmal zur Erinnerung an den von deutschen Kolonialtruppen begangenen Verbrechen an den Herero und Nama.

Erster nationaler Gedenktag Namibia erinnert an die Opfer deutscher Verbrechen

Stand: 28.05.2025 00:55 Uhr

Namibia begeht heute erstmals einen Gedenktag, um an die von Deutschen ermordeten Herero und Nama zu erinnern. Doch die Zeremonie wird überlagert von einem Streit zwischen den beiden Volksgruppen und der namibischen Regierung.

Am heutigen Mittwoch wird im südwestafrikanischen Namibia zum ersten Mal ein nationaler Gedenktag zum Völkermord von 1904 bis 1908 begangen. Ein Völkermord, verübt von den deutschen Kolonialherren an den beiden Volksgruppen der Herero und der Nama, im damaligen Deutsch-Südwestafrika. 80 Prozent der Nama-Bevölkerung wurden damals ausgelöscht und 50 Prozent der Herero.

Viele Opfer starben in Lagern, die zwar noch nicht so aussahen wie später die Lager der Nationalsozialisten, die aber damals schon von den deutschen Kolonialherren "Konzentrationslager" genannt wurden. Erst 116 Jahre später, am 28. Mai 2024, verkündete die namibische Regierung, dass es einen nationalen Gedenktag geben solle.

Die Regierung von Namibia wird von einer anderen Volksgruppe dominiert, den Ovambo. Herero und Nama werfen der Regierung seit Jahren vor, das Gedenken an den Völkermord für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Der Völkermord

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die Deutschen in den Südwesten des afrikanischen Kontinents. Bei einer Konferenz in Berlin hatte das britische Empire das Gebiet an das deutsche Kaiserreich abgegeben. Schnell kam es zu Konflikten mit den Einheimischen.

Der Südwesten Afrikas ist karges Land, die meisten Volksgruppen sind traditionell Rinderzüchter. Die deutschen Kolonialherren beanspruchten große Teile des bewirtschaftbaren Landes. 1904 erhoben sich zuerst die Herero im Zentrum der Kolonie, 1905 die Nama im Süden. Die Ovambo im Norden blieben von den Deutschen weitestgehend unbehelligt.

Beide Aufstände wurden brutal niedergeschlagen. 1915 wurden die Deutschen aus Südwest verjagt, das Land kam unter südafrikanische Kontrolle. Um die Herero und die Nama wurde es still.

Ein Gedenkstein auf der Halbinsel Shark Island am Stadtrand von Lüderitz im Süden Namibias.

Ein Gedenkstein auf der Halbinsel Shark Island am Stadtrand von Lüderitz im Süden Namibias erinnert an die Opfer des ersten deutschen Konzentrationslagers.

Die Aussöhnung

2004 nannte eine deutsche Ministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Gräueltaten von 1904 bis 1908 erstmals einen "Völkermord". Die damalige Bundesregierung unter Gerhard Schröder beeilte sich zu erklären, dass dies nur die private Meinung einer Ministerin sei.

2015 schließlich begannen die namibische und die deutsche Regierung Verhandlungen mit dem Ziel, ein Versöhnungsabkommen abzuschließen. Mehr als eine Milliarde Euro an Entwicklungsgeldern flossen.

Die Herero und Nama beschwerten sich von Anfang an darüber, nicht in die Verhandlungen eingebunden worden zu sein, und sie beklagten sich, von dem Geld nichts abbekommen zu haben. 2021 war das Abkommen unterschriftsreif.

Außerdem wollen sie keine Entwicklungshilfe, sondern bestehen auf Reparationen. Die deutsche Seite erkennt den Völkermord mittlerweile offiziell an, aber nur im historischen, nicht im völkerrechtlichen Sinn. Anders als geplant ratifizierte das namibische Parlament 2021 das Abkommen nicht. Denn die Herero und Nama protestierten weiterhin dagegen. Auch im Bundestag kam es daraufhin nicht zu einer Ratifizierung.

"Wir hatten eine heftige Debatte im Parlament", sagte vor kurzem der frühere Parlamentspräsident Namibias, Peter Katjavivi, bei Dreharbeiten der ARD. "Wir kamen damals überein, dass der Text des Abkommens nur ein erster Entwurf sein konnte und dass wir weiter verhandeln sollten." Was die deutsche Seite prompt ablehnte. Das Abkommen ist immer noch nicht ratifiziert.

Das Gedenken

Jetzt gibt es auch Streit um den Gedenktag. Beide Opferverbände der Nama und der Herero lehnen den 28. Mai ab. Diesen Tag hatte die namibische Regierung festgelegt, weil die Deutschen am 28. Mai 1908 das letzte Konzentrationslager geschlossen hatten. So sieht es die namibische Regierung.

Das sei Unsinn, sagen die Opferverbände. Das Morden und das Foltern sei auch nach der Schließung der Lager weitergegangen. Unterstützt werden sie in ihrer Ablehnung des 28. Mai von der Deutschen Gesellschaft für bedrohte Völker.

Deren Subsahara-Referentin Laura Mahler sagt: "Der 28. Mai darf von der namibischen Regierung nicht zu Selbstdarstellungszwecken missbraucht werden."

Herero und Nama würden unter Druck gesetzt, um dem Aussöhnungsabkommen zuzustimmen. "Auch die neue deutsche Bundesregierung steht diesbezüglich in der Verantwortung." Deutschland wird am Gedenktag durch Botschafter Thorsten Hutter vertreten.

In einer früheren Fassung war die Datumsangabe, wann die Konzentrationslager geschlossen wurden, nicht korrekt. Wir haben dies geändert. Zudem wurde der Vorname des deutschen Botschafters falsch wiedergegeben. Wir haben dies korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen