Kinder und ihre Mutter im Flüchtlingslager Zamzam im Sudan.

Weltflüchtlingstag Die größte Migrationskrise der Welt

Stand: 20.06.2025 05:13 Uhr

Seit mehr als zwei Jahren tobt im Sudan ein Bürgerkrieg. 14 Millionen Menschen mussten innerhalb des Landes fliehen. Wer es in eines der Nachbarländer schafft, muss auch dort Vertreibung fürchten.

Schlange stehen für ein paar Tütchen Vitaminpulver für die Kinder - Alltag im Flüchtlingslager Zamzam in Darfur im Westen des Sudan. Bilder der Nachrichtenagentur Reuters zeigen die Verzweiflung, mit der Frauen versuchen, ihren Kindern wenigstens das Allernötigste an Nahrung zu beschaffen. Sie alle sind Vertriebene, geflohen vor dem Krieg in ihrer Heimat

"Unser Leben ist sehr schwierig", schildert Mutter Halima. "Wir sind jetzt schon sechs Mal geflohen, von einem Ort zum nächsten, bis die Kämpfe uns auch dort erreichten." Ihre Kinder seien unterernährt, das Essen reiche noch nicht mal für die Babys und die kleinsten Kinder, sagt Halima. "Die meisten Kinder bekommen nur eine Mahlzeit am Tag."

14 Millionen Binnenflüchtlinge im Sudan

Seit mehr als zwei Jahren tobt der Krieg im Sudan. Zwei Generäle kämpfen um die Macht und stürzen ein ganzes Land ins Chaos. Die heftigen Gefechte und das grausame Vorgehen beider Kriegsparteien ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung hat zur größten Migrationskrise der Welt geführt - rund 14 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

Die Lage zum Beispiel in der Hauptstadt Khartum ist katastrophal, sagt Laurent Bukera vom UN-Welternährungsprogramm: "Die Bedürfnisse sind riesig. Wir sehen extreme Zerstörung, begrenzten Zugang zu Trinkwasser, kaum Strom, die Cholera ist ausgebrochen. Manche Viertel sind wie Geisterstädte."

Schwierige Umstände in Ägypten

Rund vier Millionen Sudanesen haben das Grauen hinter sich lassen können und es ins Ausland geschafft. Jeden Tag versuchen laut UN-Flüchtlingshilfswerk rund 1.000 weitere Menschen, den Sudan zu verlassen.

Viele davon fliehen ins nördliche Nachbarland, nach Ägypten. So wie Sahar. Als der Krieg ausbrach, wollte die junge Ingenieurin eigentlich gerade ihre Doktorarbeit schreiben, jetzt lebt sie als Flüchtling unter schwierigen Umständen in Ägyptens Hauptstadt Kairo.

"Es ist sehr schwierig, Arbeit zu finden. Wir sind viele Flüchtlinge. Unsere Verwandten sind überall verstreut, viele sind noch im Sudan und dort vertrieben, manche in anderen Ländern." Es sei schwer, überhaupt Kontakt zu halten und zu erfahren, ob sie in Sicherheit seien, sagt Sahar. "Und wir versuchen, hier ein neues Leben aufzubauen. Aber einfach so, ohne Hilfe, ist das sehr schwierig."

Angst vor Abschiebungen zurück in den Sudan

Oft teilen sich viele Flüchtlinge eine kleine Wohnung, schwärmen tagsüber aus, um irgendeinen Job als Hilfsarbeiter zu bekommen. Sudanesische Kinder können oft nicht zur Schule gehen, weil sich die Eltern das Schulgeld nicht leisten können. Zudem haben viele Flüchtlinge keine Aufenthaltserlaubnis.

So wie der 25-jährige Bahr. "Wir haben mit acht Leuten ein Einzimmerappartment gemietet", erzählt er. "Wenn die Polizei kam, rannten wir davon, denn sie hätte uns sofort abgeschoben, wir waren alle illegal im Land.

Hunderttausende Sudanesen seien nach Ägypten geflohen, bestätigt Mohamed Lotfy von der ägyptischen Menschenrechtsorgansation ECRF. "Erst konnten sie bleiben, aber seit ein neues Asylgesetz Ende letzten Jahres erlassen wurde, sehen wir viele Abschiebungen zurück in den Sudan." Deshalb fühlten sich viele Sudanesen in Ägypten nicht mehr sicher und flüchteten erneut, meist nach Europa.

"Entweder wir sterben oder wir schaffen es"

Auch Bahr sah als Flüchtling für sich in Ägypten keine Chance und machte sich auf eine gefährliche Reise: Mit Schmugglern weiter nach Libyen. "Von Ägypten aus wurden wir über die Berge nach Libyen geschmuggelt. Eine sehr schwierige Route." Die Schmuggler haben sie nicht als Menschen betrachtet, sondern wie Tiere behandelt, erzählt der 25-Jährige.

"Sie haben uns mit Steinen beworfen. Wir dachten, es würde besser werden, aber Libyen war schlimmer als der Sudan und Ägypten zusammen."

Bahr wagte die gefährliche Überfahrt mit einem überfüllten Flüchtlingsboot nach Europa. "Wir wussten, dass die Reise gefährlich werden würde. Aber gefährlich war es so oder so. Im Sudan wären wir fast gestorben, in Ägypten und Libyen konnten wir nicht bleiben. Wir sagten uns: Entweder wir sterben oder wir schaffen es."

Der 25-Jährige hat es nach Griechenland geschafft. Eine Perspektive sieht er auch dort nicht als Flüchtling - doch es ist immer noch besser als der Krieg und die riesige Not in seiner Heimat, dem Sudan.

Anna Osius, ARD Kairo, tagesschau, 19.06.2025 17:39 Uhr