Ein Schild für den G7-Gipfel ist in der Nähe des Internationalen Medienzentrums in Banff, Alberta, Kanada, zu sehen.
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Treffen in Kanada Was ist vom G7-Gipfel zu erwarten?

Stand: 16.06.2025 03:16 Uhr

In den kanadischen Rocky Mountains beginnt heute der G7-Gipfel - in weltpolitisch schweren Zeiten. Können Trump, Merz und Co. sich wenigstens in einigen Punkten auf einen gemeinsamen Kurs verständigen? Womit ist zu rechnen? Ein Überblick.

Die "Gruppe der Sieben" (G7) kommt heute zu einem Gipfel im kanadischen Kananaskis zusammen. Für Bundeskanzler Friedrich Merz ist es das erste G7-Treffen - und damit die erste größere Bewährungsprobe auf internationaler Bühne.

Neben ihm nehmen auch die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA teil. Auch weitere hochrangige Gäste reisen an. Was ist von dem Gipfel zu erwarten?

Bente Scheller, Politikwissenschaftlerin Heinrich-Böll-Stiftung, zur geopolitischen Lage

Morgenmagazin, 16.06.2025 07:00 Uhr
Was sind die Hauptthemen des G7-Gipfels?

Für die sieben Wirtschaftsmächte liegen vermutlich einige Themen auf dem Tisch. So dürfte etwa über die jüngste Eskalation im Konflikt zwischen Israel und dem Iran beraten werden.

Mit dem Krieg gegen die Ukraine und dem Welthandel stehen außerdem zwei Themen auf dem Programm, bei denen Trump und seine europäischen Verbündeten inzwischen weit auseinandergedriftet sind.

Wie stark stehen die Angriffe in Nahost im Mittelpunkt des Gipfels?

Das hängt von der Entwicklung vor Ort ab. Kurz vor seinem Abflug sagte Bundeskanzler Merz: Er erwarte, dass der Konflikt zwischen Israel und dem Iran sehr weit oben auf der Agenda stehen werde. Die USA und die Europäer haben Israel ihre Solidarität versichert, bislang aber ohne die Offensive gegen führende Militärs und Atomanlagen aktiv zu unterstützen.

Das könnte sich auf US-Seite aber schnell ändern. Es besteht die Befürchtung, dass die Führung des Irans auch Vergeltungsschläge gegen US-Stützpunkte im Nahen Osten anordnen könnte. Dann wäre es realistisch, dass die USA selbst zurückschlagen - und die nächste Eskalationsstufe wäre erreicht.

Das wäre auch der Fall, wenn die USA Israel militärisch aktiv helfen würden, bestimmte iranische Atomanlagen anzugreifen, die Experten zufolge tief unter der Erde liegen. Welchen Weg die USA in dem Konflikt einschlagen, dürfte Trump alleine entscheiden - ohne die G7-Partner. 

Was können die G7 in Sachen Ukraine erreichen?

Bislang ist bei den von Trump angestoßenen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine nicht viel herausgekommen. Deshalb wollen die Europäer Trump davon überzeugen, dass seine Bemühungen nur dann eine Chance auf Erfolg haben, wenn der Druck auf Russland erhöht wird. 

So wollen sie zum Beispiel Einnahmen des russischen Staates durch Exporte weiter drücken, indem sie den Preisdeckel für den Verkauf von russischem Öl in Länder wie Indien oder China von derzeit 60 auf 45 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass) senken. Der Preisdeckel war 2022 eingeführt worden und sieht Sanktionen gegen Akteure vor, die am Export von russischem Öl zu höheren Preisen beteiligt sind.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll in Kanada die Gelegenheit bekommen, noch einmal für weitere Unterstützung zu werben. Er ist am Dienstagvormittag zu einem Arbeitsfrühstück mit den Teilnehmern der G7-Gruppe eingeladen - ebenso wie NATO-Generalsekretär Mark Rutte.

Kann eine weitere Eskalation des Zollkonflikts abgewendet werden?

Das ist neben der Unterstützung der Ukraine die zweite Frage, die für die Europäer Priorität hat. Wenn bis zum 9. Juli keine Einigung erzielt wird, greifen nach derzeitigem Stand neue hohe US-Zölle auf fast alle Exporte aus der EU in die Vereinigten Staaten - und die EU würde ihrerseits mit Zöllen auf Einfuhren aus den USA antworten.

Um das zu verhindern, laufen seit Wochen Gespräche zwischen Brüssel und Washington - ob sie zum Erfolg führen, ist allerdings unklar.

Trump sieht Zölle nicht nur als Instrument zum Abbau des US-Außenhandelsdefizits, sondern auch als Einnahmequelle, um Steuersenkungen zu finanzieren. Angeboten hat die EU den USA bislang eine gegenseitige Senkung von Zöllen sowie den Abbau von sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen, zu denen etwa unterschiedliche Vorschriften und Standards für Autos zählen. Zudem könnte die EU den USA den Einkauf von noch mehr US-Flüssigerdgas und Rüstungsgütern in Aussicht stellen.

Alle Blicke richten sich auf Trump - wie wird er sich verhalten?

Unmittelbar vor dem G7-Gipfel ließ der US-Präsident eine große Militärparade in Washington abhalten - zum 250. Gründungstag des US-Heers, der passenderweise mit Trumps 79. Geburtstag zusammenfiel. Es war eine militärische Machtdemonstration vor den Augen der Welt. Mit ebendieser martialischen Bildsprache im Gepäck fliegt er nach Kanada. 

Der Republikaner ist inzwischen seit fast fünf Monaten im Amt und hat seither in rasantem Tempo Hand angelegt an die Demokratie und das Verfassungssystem in den USA. Auch international hat er einen Partner nach dem anderen vor den Kopf gestoßen - unter anderem mit Strafzöllen.

Mit welchen Erwartungen reist Merz nach Kanada?

Merz setzte bei seiner ersten Begegnung mit Trump im Weißen Haus Anfang des Monats darauf, mögliche Konfliktfelder zu umschiffen. Diesen Kurs will er wohl auch in Kananaskis fortsetzen.

Das erste Gespräch mit dem US-Präsidenten sei ja "harmonisch" verlaufen, heißt es in seiner Delegation. "Jetzt ist der nächste Test: Wie sieht es in einer Teamsituation aus und wie gut gelingt es den G7, diesen Teamgeist auch nach außen zu tragen?"

Für Merz geht es aber auch darum, sich unter den Europäern zu behaupten und eine echte europäische Führungsrolle einzunehmen. Auf seinen ersten Reisen - vor allem denen nach Kiew und Washington - hat er Selbstbewusstsein dafür getankt.

Nun folgt eine Serie wichtiger Gipfel. Nach dem G7-Treffen stehen für Merz noch diesen Monat der NATO-Gipfel in Den Haag und sein erster EU-Gipfel in Brüssel an.

Sind vom Gipfel weitreichende Entscheidungen zu erwarten?

Die Staats- und Regierungschefs der G7 wollen auf eine umfassende gemeinsame Abschlusserklärung verzichten. Denn unter Trump weichen die USA in Bereichen wie Klimaschutz, Entwicklungshilfe und Welthandel drastisch vom bisherigen Engagement der G7 ab.

Eine Rolle gespielt haben dürfte dabei auch die Erinnerung an den letzten G7-Gipfel in Kanada im Jahr 2018. Damals hatte Trump das Treffen spektakulär platzen lassen, indem er kurz nach dem Ende die Zustimmung zur Abschlusserklärung zurückzog.

In diesem Jahr sind nun lediglich einzelne Erklärungen zu den Themen Migration, kritische Rohstoffe, künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Waldbrände und ausländische Einflussnahme geplant. Alles Weitere - wie zum Beispiel eine Verständigung darauf, gemeinsam mit neuen Sanktionen den Druck auf Russland zu erhöhen - wäre ein großer Erfolg.

Was sind die G7 - und wie entstanden sie?

Die Weltwirtschaftskrise 1975 brachte Bundeskanzler Helmut Schmidt und Frankreichs Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing auf die Idee eines Gipfels der größten Industrienationen, um Lösungen zu suchen.

Beim ersten Treffen auf Schloss Rambouillet bei Paris im November 1975 - also vor fast 50 Jahren - kamen die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, den USA, Großbritannien, Japan und Italien zusammen. Ein Jahr später komplettierte Kanada die "Gruppe der Sieben" für die nächsten fast 30 Jahre.

Russland erhielt 2002 die Vollmitgliedschaft, die G8 existierte aber nur bis 2013. Wegen der russischen Annexion der Krim platzte 2014 der Gipfel im russischen Sotschi am Schwarzen Meer. Seitdem heißt die Gruppe wieder G7.

Der G7 gehörten anfangs die sieben größten Industrienationen der Welt an. Heute ist das nicht mehr der Fall: Italien und Kanada sind von China und Indien aus den Top sieben verdrängt worden. Die Wirtschaftskraft gilt aber heute ohnehin nicht mehr als wichtigstes Bindeglied zwischen den Mitgliedstaaten.

Nach dem Ausschluss Russlands sorgten vor allem die gemeinsamen demokratischen Werte für den Zusammenhalt und die Daseinsberechtigung der G7. Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump ist das gemeinsame Wertegerüst allerdings ins Wanken geraten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Morgenmagazin am 16. Juni 2025 um 07:00 Uhr.