
Baerbock auf dem Weg nach Damaskus Syrien-Reise zu schwieriger Zeit
Eine ihrer letzten Reisen als deutsche Außenministerin führt Annalena Baerbock nach Syrien. Die Lage in dem ehemaligen Bürgerkriegsland ist fragil - auch wegen des Massakers an Alawiten.
Ein Militärtransporter der Bundeswehr hebt an diesem Morgen von Beirut ab. Sein Ziel: Damaskus. An Bord ist Annalena Baerbock - deutsche Außenministerin, aber eigentlich Außenministerin auf Abruf.
Doch im Vakuum zwischen den Regierungen in Deutschland steht die Welt nicht still, wird das Leid nicht geringer, so offenbar die Botschaft der Reise, auf der auch Armin Laschet als Vertreter der bei der Bundestagswahl siegreichen CDU dabei ist.
"Immer noch leben 90 Prozent der Bevölkerung in Syrien unter der Armutsgrenze", erklärte Baerbock vor ihrer Abreise in die syrische Hauptstadt. "Viele treibt die Angst um, dass ein Leben in Syrien auch in Zukunft nicht für alle Syrerinnen und Syrer sicher ist." Baerbock will deshalb bei der syrischen Übergangsregierung Druck machen, aber auch Angebote unterbreiten. Hilfsgelder bereitstellen, Sanktionen lockern.
Massaker an Alawiten überschattet Besuch
Baerbocks Reise kommt zu einer schwierigen Zeit für das Nachkriegs-Syrien. Anfang März hatten islamistische Kämpfer im Nordwesten des Landes ein Massaker an Alawiten verübt. Daraufhin waren Zehntausende Menschen geflohen. Die Alawiten sind die Bevölkerungsgruppe, zu der die ehemalige Herrscherfamilie Assad gehört, die das Land jahrzehntelang unter ihrer Kontrolle hatte.
Ein Racheakt liegt nahe. Einer, der im fragilen derzeitigen Zustand des Landes viel zerstören kann. "Die Übergangsregierung muss die Kontrolle über das Handeln der Gruppierungen in den eigenen Reihen haben", fordert Baerbock daher deutlich, "und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen."
Expertin: Aufarbeitung von Assads Verbrechen
Das Massaker müsse man mehr vor dem Hintergrund jahrzehntelanger gesellschaftlicher Spannungen sehen, sagt Sara Stachelhaus von der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut. Sie arbeitet zu Syrien. "Die Syrerinnen und Syrer brauchen ganz dringend einen Fahrplan für diese Aufarbeitung der Verbrechen, um Gerechtigkeit zu finden."
Damit meint Stachelhaus vor allem die Verbrechen des Assad-Regimes seit Jahrzehnten. Sonst drohten weitere Ereignisse von Selbstjustiz, so die Expertin. Machthaber Ahmed al-Scharaa werde daran gemessen, wie er die Lebensbedingungen für die Syrer verbessere, glaubt sie. "Er soll staatliche Dienstleistungen wie Wasser und Strom wieder herstellen und Lebensmittel erschwinglich machen. Diesen Erwartungen muss er gerecht werden."
Deutschland will bei Wiederaufbau helfen
Ein Beispiel: Das Kraftwerk Deir Ali. Es liefert derzeit knapp die Hälfte des Stroms für Syrien, ist aber in einem kritischen Zustand. Wegen des Bürgerkriegs und Sanktionen konnte das vom deutschen Konzern Siemens Energy gebaute Kraftwerk seit zehn Jahren nicht gewartet werden.
Das zu ändern, ist erklärtes Ziel der Bundesregierung - wofür sie die Lockerung von Sanktionen auf den Weg gebracht hat. Doch die Probleme - auch die des damit verbundenen Stromnetzes - zu lösen, erfordert Zeit und Geld.
Auch die Frage des Wiederaufbaus ist zentral. In syrischen Großstädten sind zum Teil ganze Stadtviertel vollkommen zerstört. Geld aus dem Ausland könnte fließen, sobald das Land politisch stabil ist.
Den Syrern sei aber wichtig, dass die syrische Bevölkerung und die syrische Wirtschaft am Wiederaufbau beteiligt seien und ihn steuerten. Viele Fragen sind zu klären, auch mit großen potenziellen Geldgebern aus der Region.
Vermutlich Treffen mit Al-Scharaa
Es wird erwartet, dass Baerbock auf ihrer Reise erneut den syrischen Machthaber Ahmed Al-Scharaa treffen wird. Bei ihrer ersten Begegnung Anfang Januar in Damaskus schüttelte dieser nur Baerbock nicht die Hand - sehr wohl aber dem mitgereisten französischen Außenminister Jean-Noel Barrot.
Der Vorfall hatte damals in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Er galt als Gradmesser dafür, wie liberal, wie aufgeschlossen die neue syrische Regierung ist. Al-Scharaa hat seine politischen Wurzeln im Islamismus und war bis vor Kurzem Anführer der islamistischen HTS-Miliz.
Baerbock fordert Schutz von Minderheiten
Vor ihrer jetzigen Reise stellte Deutschlands Außenministerin dann auch klare Erwartungen an die neuen Machthaber: Freiheit, Sicherheit und Chancen in Syrien müssten "für alle Menschen gelten - für Frauen und Männer, für Angehörige aller Ethnien und Religionen."
In Syrien leben vor allem sunnitische Muslime, aber auch große Minderheiten von Kurden, Alawiten, Christen und Drusen. Immer wieder hat sich Baerbock für gesellschaftliche Aussöhnung stark gemacht. Den Machthabern in Damaskus dürfte klar sein, dass sie auch dieses Mal mit einer ähnlichen Botschaft in die syrische Hauptstadt kommt.
Handschlag oder nicht dürfte da eher eine Randnotiz sein - angesichts der großen Herausforderungen, vor denen das Land steht.