
Neue Offensive Was will Israel im Gazastreifen erreichen?
Israel hat im Gazastreifen eine neue Offensive gestartet und fliegt verstärkt Luftangriffe. Was bezweckt die Regierung damit? Und welche Folgen hat das für die Bevölkerung des Gazastreifens? Ein Überblick.
Seit mehr als eineinhalb Jahren führt Israel Krieg im Gazastreifen - Auslöser war das Massaker der palästinensischen Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober 2023. Seit Wochen steht eine neue große Offensive der Armee unter dem Namen "Operation Gideon's Chariots" (auf Deutsch "Gideons Streitwagen") in dem umkämpften Küstengebiet im Raum. Aktuell gibt es verstärkt Luftangriffe.
Was ist die Offensive "Gideons Streitwagen"?
Die vom israelischen Militär angekündigte Großoffensive "Gideons Streitwagen" im Gazastreifen - der Name bezieht sich auf die Figur des Gideon in der Hebräischen Bibel - läuft in mehreren Stufen ab.
Phase eins - die Vorbereitungsphase - hat laut dem Militär bereits am Freitag begonnen. Zunächst wird der Einmarsch von Bodentruppen mit Angriffen aus der Luft vorbereitet. Seit dem Ende der Woche bombardieren Kampfjets der israelischen Armee massiv zahlreiche Gebiete im Küstenstreifen. Dabei sollen am Freitag mehr als 100 Menschen getötet worden sein, teilte das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium mit. Die Informationen können jedoch nicht unabhängig überprüft werden. Seit Samstagfrüh seien knapp 60 weitere Tote dazugekommen, so der Leiter eines Krankenhauses im Norden Gazas.
In der zweiten Phase sollen Bodentruppen Teile Gazas einnehmen, halten und kontrollieren. Diese Truppen werden laut dem Militär gerade mobilisiert.

Im Gazastreifen leben etwa zwei Millionen Menschen.
In der dritten Phase sieht der Plan vor, dass in von Israel kontrollierten Gebieten Gazas humanitäre Sicherheitszonen eingerichtet werden. Hier will die Armee Zivilisten von Terroristen trennen. In eigens dafür gebauten Zentren sollen dann Hilfsgüter an die Bevölkerung verteilt werden. Wie das genau geschehen soll, ist noch unklar.
Welches Ziel verfolgt Israels Regierung im Gazastreifen?
Erklärtes Ziel der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu ist es, die im Gazastreifen herrschende Terrororganisation Hamas zu besiegen und die Freilassung der von islamistischen Extremisten noch immer festgehaltenen Geiseln zu erreichen.
Israels Militär bezeichnete die jüngsten Angriffe im Gazastreifen und die Mobilisierung von Truppen als "Teil der Vorbereitungen zur Ausweitung der Operationen und zur Erreichung der Kriegsziele".
Anfang der Woche erklärte Netanjahu, mit der neuen Offensive den Druck auf die Hamas zu erhöhen, die noch immer festgehaltenen Geiseln freizulassen. Man werde "mit voller Kraft hineingehen", um diesen Kampf zu vollenden, sagte der Regierungschef nach Angaben seines Büros.
Was bedeutet die Besetzung des Gazastreifens für Israel?
Die Einnahme des Gazastreifens war Thema bei einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts Anfang Mai. Damals verlautete aus Regierungskreisen, dass Pläne für eine Einnahme des Gazastreifens und die fortwährende Kontrolle der Gebiete durch die Armee gebilligt wurden.
Netanjahu ließ in einer darauffolgenden Ansprache zwar offen, ob das gesamte Gebiet oder nur Teile eingenommen werden sollten. Er erklärte aber, dass israelische Soldaten künftig in eroberten Gebieten in Gaza stationiert bleiben sollen. Es sei nicht länger beabsichtigt, dass Soldaten nur Angriffe in dem Gebiet ausführen und sich dann dort wieder zurückziehen.
Die Andeutung einer dauerhaften Besetzung des Gebiets rief international massive Kritik hervor. Diese würde nicht nur enorme wirtschaftliche Kosten verursachen, sondern die Armee vor äußerst schwierige logistische Probleme stellen. Im Gazastreifen leben rund zwei Millionen Palästinenser. Für die Wiederbesetzung des Gebiets seien zudem deutlich mehr Soldaten notwendig als bisher schon mobilisiert worden sind.
... und was bedeutet sie für die Bevölkerung im Gazastreifen?
Im Gazastreifen sorgte die Andeutung einer Einnahme des Gebiets für Verzweiflung. Viele Palästinenser befürchten deswegen eine neue Welle der Flucht und Vertreibung aus dem Gazastreifen, ähnlich wie während des arabisch-israelischen Kriegs als Reaktion auf die Staatsgründung Israels 1948 und während des Sechstagekriegs 1967.
Die Notlage der Menschen in dem dicht besiedelten Gazastreifen ist nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Langem äußerst ernst und sie dürfte sich weiter verschärfen. Schon lange warnen die UN und verschiedene Hilfsorganisationen vor einer Hungersnot.
Israel lässt seit Anfang März keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen. Das Sicherheitskabinett beschloss kürzlich allerdings, künftig wieder Lieferungen in das Gebiet zu erlauben - jedoch mit einem anderen Mechanismus zur Verteilung der Hilfsgüter.
Mit Informationen von Bettina Meier, Tel Aviv.