
Trotz Bauboom Bagdads junge Unternehmer resignieren
In Bagdad ist Aufbruchsstimmung spürbar. Es wird viel gebaut, doch vom Boom können junge Unternehmer kaum profitieren. Aus Frust über mangelnde Unterstützung vom Staat wollen viele den Irak verlassen.
Mustafa Hamza steht in seiner Fahrradwerkstatt und schleift an einem Fahrradrahmen. Es ist das neueste Projekt des jungen Produktdesigners: ein E-Bike. Im Sommer herrscht extreme Hitze in Bagdad. Ein Hybridfahrrad soll helfen, auch dann lange Wege zurückzulegen, meint der Mitzwanziger. Das Bike schaffe "bis zu 60 Kilometer mit nur einmal Aufladen", versichert er.
Aber nicht nur 45 Grad im Schatten sind für Radfahrer ein Problem auf Bagdads Straßen. Fahrradwege gibt es so gut wie keine. Dabei herrscht in der Stadt ein Bauboom: Es werden neue Brücken und Umgehungsstraßen gebaut, um den dichten Autoverkehr zu entlasten.
Überall entstehen neue Hochhausviertel. Denn Wohnraum wird dringend gebraucht. Viele Häuser sind vom Krieg zerstört oder verfallen. Aber die hochpreisigen modernen Appartements können sich junge Leute nicht leisten, meint Kholoud Al-Amiry.

Produktdesigner Mustafa Hamza vor seiner in seiner Fahrradwerkstatt in Bagdad. Er plant ins Ausland zu gehen, vielleicht nach Deutschland
Politiker, Ärzte, Reiche, Firmenleute und Leute mit Geld kauften die Wohnungen, erzählt die irakische Journalistin, die seit Jahrzehnten über soziale Themen schreibt - "aber nicht Durchschnittsjugendliche und auch nicht die Mittelklasse. Die billigste Wohnung kostet mindestens 200.000 Dollar."
Der Irak hat schwere Zeiten hinter sich - Jahre, die vom Aufkommen des Terrorismus nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein durch die USA geprägt waren, vom Angriff durch den sogenannten Islamischen Staat und von konfessionellen Konflikten.
Die Journalistin meint, nach all den Kriegsjahrzehnten brauche es einen starken, sichtbaren Staat, der die Jugend unterstützt - durch Arbeitsplätze, Förderungen und Sonderkredite.

In Bagdad herrscht ein Bauboom. Überall entstehen neue Hochhausviertel. Denn Wohnraum wird dringend gebraucht.
Klagen über bürokratische Hürden
Mahata, auf Deutsch "die Haltstelle", ist so ein Ort, wo Jungunternehmer gefördert werden. In dem modernen Großraumbüro in Bagdad bekommen sie Beratung und Arbeitsplätze. Finanziert wird das gemeinnützige Vorzeigeprojekt auch mit deutscher Unterstützung durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Ali Rady arbeitet hier an seinem Projekt - eine Firma, die andere Firmen bei der Digitalisierung unterstützt. Es ist zukunftsweisend, doch der 25-jährige Iraker macht nur langsam Fortschritte. Er klagt über zu viele bürokratische Hürden. "Deshalb wollen wir unsere Firma jetzt außerhalb des Iraks registrieren. Denn die irakischen Gesetze unterstützen uns nicht. Auch, was internationale Geldtransfers angeht."
Eine junge Bevölkerung voller Potenzial
Für die Journalistin Kholoud Al-Amiry ist das bezeichnend: Junge, gut ausgebildete Iraker und Irakerinnen wollen ihr Land mitaufbauen. Viele haben gute Ideen und Hoffnung. Die Sicherheitslage im Irak ist stabil, aber der Staat tue zu wenig für die Privatwirtschaft. Das Land ist noch vom Erdölexport abhängig. "Aber der Ölpreis sinkt, was zu Haushaltskrisen führt", sagt Al-Amiry.
Dabei sei der Irak ein junges Land - mehr als 60 Prozent der Iraker sind zwischen 18 und 35 Jahre alt. "Die brauchen Jobs", sagt Al-Amiry. Sie hofft, dass die angekündigten staatlichen Reformen greifen. Die seit 2022 amtierende Regierung unter Premierminister Muhammed Shia Sudani hat ein Programm vorgelegt, das Jobs schaffen und Korruption bekämpfen soll.
Ein Zweitjob für etwas mehr Geld
Der Fahrraddesigner Mustafa Hamza arbeitet hart, um seinen Traum zu verwirklichen. Von seiner Werkstatt mit angeschlossenem Ladenverkauf kann der junge Mann nicht leben. Er habe einen Zweitjob, um jeden Monat etwas Geld für seine Entwürfe beiseitezulegen - "damit ich mein Projekt ausbauen und mein Ziel erreichen kann: der erste Iraker der Welt zu sein, der ein irakisches Fahrrad mit einem einzigartigen Design herstellt."
Allerdings plant er jetzt erstmal, ins Ausland zu gehen, vielleicht nach Deutschland. "Im Irak brauche ich für die Verwirklichung meines Traums nicht fünf, sondern 50 Jahre", meint Mustafa.