
Kampf gegen die Hamas Der längste und bitterste Krieg Israels
Der Krieg Israels gegen die militant-islamistische Hamas hat jede Verhältnismäßigkeit verloren. Premier Netanjahu führe ihn vor allem, um politisch zu überleben.
Es sind Zahlen, die nachdenklich machen: Seit genau 600 Tagen befinden sich noch 58 Israelis als Geiseln in der Hand der Hamas. Nicht einmal die Hälfte von ihnen dürfte am Leben sein.
Genauso lange - seit 600 Tagen - kämpft Israel im Gazastreifen gegen diese Terrororganisation. Es ist inzwischen der längste Krieg, den Israel führt. Länger als der militärische Kampf gegen die arabischen Staaten rund um die Staatsgründung des Landes im Jahr 1948.
Ein Krieg, der auf palästinensischer Seite mehr als 50.000 Opfer zählt, auch etwa 2.000 Israelis starben kriegsbedingt seit dem 7. Oktober 2023 - dem Tag des brutalen und fürchterlichen Terrorangriffs der Hamas.
Menschliche Maßstäbe beiseite gelegt
Nüchterne Zahlen, die vor allem eines zeigen: Der Gazakrieg hat jegliche Verhältnismäßigkeit verloren - und er zeigt die hässlichste Seite beider Kriegsparteien. Unschuldige Menschen werden über Monate in dunklen und feuchten Tunnel gefangen gehalten. Von einer menschenverachtenden Terrororganisation Hamas, für die Menschenleben nicht viel Wert haben. Was sich auch im Handeln gegen die eigene Bevölkerung manifestiert.
Auf der anderen Seite ein Land wie Israel, das sich selbst als einzige Demokratie im Nahen Osten bezeichnet, und das - wie sich gerade zeigt - im Krieg völkerrechtliche und menschliche Maßstäbe beiseite legt, um seine Kriegsziele zu erreichen.
"Wir haben inzwischen die ganze Welt gegen uns"
Wie kann ein demokratisches, aufgeklärtes Land über mehr als zwei Monate Hundertausenden von Zivilisten, unter ihnen Kinder, Kranke und alte Menschen, Hilfslieferungen verweigern? Was rechtfertigt den Tod von Dutzenden Zivilisten, nur um möglicherweise einen Hamas-Terroristen auszuschalten? Die Kollateralschäden sind immens. Der gesamte Gazastreifen gleicht einer Trümmerwüste, die Menschen dort haben ihre Lebensgrundlage auf Jahrzehnte hinaus verloren.
Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Auch Israels politische Freunde haben inzwischen kaum noch Verständnis für diese Kriegsführung, die sich nicht mehr mit Israels Selbstverteidigungsrecht rechtfertigen lässt. Israels ehemaliger Botschafter in den USA, Michael Oren, hat es auf den Punkt gebracht: "Wir haben inzwischen die ganze Welt gegen uns", sagt er. "Nur noch die USA stehen an unserer Seite."
Netanjahu hätte Krieg längst beenden können
Es ist ein politischer Krieg, den Israels Premierminister Benjamin Netanjahu inzwischen führt. Wohl auch gegen die Mehrheit seines Volkes. Denn die Hamas ist militärisch besiegt. Auch deshalb stehen die meisten Israelis nicht mehr hinter dieser Kriegsführung, die nur wenige Geiseln zurückgebracht hat. Die meisten Geiseln kamen auf dem Verhandlungsweg frei.
Benjamin Netanjahu muss diesen Krieg weiterführen, damit seine Koalition nicht auseinanderbricht. Er muss den Krieg führen, damit er politisch überlebt. Er hätte ihn längst beenden können. Benjamin Netanjahu ist als Regierungschef verantwortlich, dass Israels längster, aber auch bitterster Krieg kein Ende findet.