Ein Blick über Aleppo.

Unternehmen in Syrien Das große Hoffen auf den Aufschwung

Stand: 17.03.2025 15:45 Uhr

Syriens Regierung verspricht nach Jahrzehnten von Misswirtschaft und Korruption eine freie Marktwirtschaft. Bis dahin ist es ein langer Weg - denn Stromausfälle, Sanktionen und Personalmangel machen Unternehmern das Leben schwer.

Vorarbeiter Mohammed Masri steht vor dem maschinellen Webstuhl und kontrolliert, ob sich das Garn nirgendwo verwickelt. "Zuerst nehmen wir das Rohgarn, setzen die Spulen in die Maschine ein, laden das Design hoch und starten dann die Arbeit. Dann kommt der fertige Stoff aus der Maschine heraus."

Die Arbeit läuft in der Textilfirma im Industriepark von Aleppo. Sonst ist es noch ziemlich leer auf dem weiträumigen Gelände. Viele Fabriken sind zerstört und vernachlässigt. Der Chef der Firma, Mahmoud Anis, erzählt von Raketeneinschlägen. Er leitet seine Textilfirma in der syrischen Wirtschaftsmetropole in zweiter Generation. Sie produzieren hier Heimtextilien und Vorhänge.

Während des Krieges musste Anis die Produktion zeitweise einstellen. Seine Angestellten bewachten die Maschinen, anstatt an ihnen zu arbeiten. Der Neuanfang sei mühsam gewesen: "Die Maschinen hatte ich schon hier, als das Gebiet noch unter der Kontrolle des Assad-Regimes stand. Zwei Jahre lang hat es gedauert, sie zu reparieren."

Mohammed Masri in einer Textilfabrik in Aleppo.

Vorarbeiter Mohammed Masri in der Textilfabrik von Mahmoud Anis. Das Hauptproblem für das Unternehmen ist die unzuverlässige Energieversorgung.

Neue Regierung gibt sich wirtschaftsfreundlich

Die neue Übergangsregierung unter Interimspräsident Ahmed al-Sharaa gibt sich äußerst wirtschaftsfreundlich. Nach mehr als fünf Jahrzehnten der erst planwirtschaftlich-sozialistisch ausgerichteten und später vor allem von Korruption und Misswirtschaft geprägten Assad-Herrschaft kündigte al-Sharaa für Syrien eine freie Marktwirtschaft an.

Unternehmer wie Mahmoud Anis stimmt das optimistisch: Dennoch: Gewinne macht seine Firma mit 25 Angestellten noch nicht, er schaffe es gerade einmal so, die Kosten zu decken, erzählt er. Ändern könne sich das nur, "wenn wir exportieren können und wenn unsere Maschinen rund um die Uhr laufen. Ohne das kann kein Unternehmer Gewinne erzielen. Aber ich denke, dass wir bald profitabel arbeiten werden - hoffentlich noch in diesem Jahr."

Noch ist er mit seinen Textilien international nicht konkurrenzfähig. Das Hauptproblem sind die unzuverlässige Energieversorgung und die hohen Kosten für Treibstoffe. "Die Strompreise sind für uns extrem hoch. In arabischen Ländern wie Ägypten kostet eine Kilowattstunde beispielsweise fünf Cent, während sie hier fast 24 Cent kostet."

Kein billiger Treibstoff aus dem Iran mehr

Zu Zeiten des ehemaligen Machthabers Baschar al-Assad hat der Iran billigen Treibstoff nach Syrien exportiert, seit dem Machtwechsel ist damit Schluss. Die Folge: Energie ist knapp, ständig fällt der Strom aus.

Wie sehr das die Wirtschaft behindert, sei der Regierung bewusst, sagt Mokhles al-Nazar. Der Ökonom berät die syrische Zentralbank bei der Gestaltung des Übergangs. Wichtig sei dafür der Zugang zu den Öl- und Gasfeldern in den noch von kurdischen Kräften kontrollierten Gebieten Syriens.

"Die Regierung hat mit der kurdischen Selbstverwaltung eine Vereinbarung getroffen, wonach etwa 15 Prozent der Öl- und Gasproduktion zur Unterstützung von Unternehmen bereitgestellt werden. Darüber hinaus könnte die Regierung Unternehmen durch Stromsubventionen den Neustart erleichtern", so al-Nazar.

Weniger Gängelung, weniger Korruption

Direkt neben der Textilfabrik von Anis steht die Färberei von Mohammed al-Shami. Vier Maschinen sind hier in Betrieb, in den großen Hallen wirken sie allerdings etwas verloren. Wenn die Energiekosten sinken, hofft al-Shami, könne er die Produktion hochfahren. Wichtig sei auch, dass die neue Regierung die Wirtschaft nicht so gängelt wie zu Assads Zeiten.

"Da gab es viele Komplikationen: Bürokratie, Willkür und Korruption. Die Beamten legten uns immer wieder Steine in den Weg, damit wir Bestechungsgelder zahlen. Und dann wurden ständig neue Gesetze und Auflagen erlassen. Etwa eine extrem hohe Gebühr für die Unternehmergewerkschaft. Das hat die Arbeit sehr erschwert", sagt al-Shami.

Sanktionen und ein wackeliger Frieden

Neben der instabilen Energieversorgung sind die internationalen Sanktionen weiterhin eines der zentralen Probleme für die syrischen Wirtschaft. Die EU und die USA haben zwar einige Sanktionen aufgehoben, aber zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum. Investitionssicherheit entsteht dadurch nicht. Und dann ist längst nicht klar, ob es in Syrien friedlich bleibt - und Sicherheit sei elementar für ihr Geschäft, betonen die Unternehmer in Aleppo.

Ein weiteres Hindernis spricht der Ökonom al-Nazar an, den Mangel an gut ausgebildetem Personal: "Zwar gibt es qualifizierte Fachkräfte, aber ihre Zahl ist begrenzt, da die meisten außerhalb Syriens leben. In der kommenden Zeit wird es daher besonders wichtig sein, diese Talente wieder nach Syrien zu holen."

Zwar sind in den letzten Monaten Zehntausende Syrer aus dem Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt. Aber gerade die gut ausgebildeten zögern noch. Viele sagen, sie wollen zunächst abwarten, wie sich das Land entwickelt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Thüringen am 22. Februar 2025 um 19:00 Uhr.