
Strategie wird vorgestellt Wie die europäische Verteidigung aussehen soll
Wie kann die EU auf die aktuellen Bedrohungen reagieren? Die EU-Kommission stellt heute die neue Verteidigungsstrategie vor. In dem sogenannten Weißbuch stehen Gemeinschaftsprojekte und die Aufrüstung im Mittelpunkt.
Ein europäisches Weißbuch für Verteidigung hat es noch nie gegeben. So eine Sammlung von grundsätzlichen Zielen und Plänen für die Rüstungspolitik fiel nicht in die Zuständigkeit der EU-Kommission, das war Sache der Verteidigungsminister in den Mitgliedsländern.
Aber die Zeiten haben sich geändert. Europas Sicherheitsarchitektur ist aus den Fugen geraten, sagt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie war die treibende Kraft bei der Entstehung des Weißbuchs für Europas Verteidigung.
"Die Sicherheitsarchitektur, auf die wir uns verlassen haben, kann nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Das Zeitalter der Einflussnahme und des Machtwettbewerbs ist wieder voll im Gange. Nehmen Sie nur Russland..." Man sehe, dass trotz dieser Bedrohungen die USA ihren "Fokus auf den indopazifischen Raum" richteten, sagte von der Leyen. Sie beruft sich auf Geheimdienstberichte mehrerer Länder, nach denen Russland mit seiner Kriegswirtschaft in wenigen Jahren bereit ist, europäische Demokratien anzugreifen.
Milliardenschwere Investitionen
Donald Trump wird von der Kommissionspräsidentin nie persönlich angegriffen, sie will die letzten Gesprächskanäle nicht zuschütten. Aber Trumps Annäherung an Putin hat den Anstoß für die milliardenschweren Investitionen gegeben, die das Weißbuch für die Aufrüstung Europas vorsieht.
Wir können uns nicht leisten, von der Geschichte hin und her geschubst zu werden, wir müssen jetzt sofort handeln, damit wir spätestens bis 2030 gerüstet sind.
Lockerung der Schuldengrenzen und zinsgünstige Kredite
Wie das gelingen soll, fasst das Weißbuch auf 20 eng beschriebenen Seiten zusammen. Rüstungsindustriekommissar Andrius Kubilius wird heute in Brüssel die Details vorstellen. Worum es im Kern geht, ist aber schon bekannt. Europas Armeen sollen massiv aufgerüstet werden, dazu sollen - ähnlich wie in Deutschland - auch die europaweit gültigen Schuldengrenzen gelockert werden, außerdem will die EU-Kommission den Mitgliedsländern zinsgünstige Kredite anbieten. Nie dagewesene Milliardensummen sollen in die Produktion von Waffen gehen.
"Und genau in diesem Hintergrund ist es jetzt wichtig, dass Europa nicht nur aufwacht, sondern auch aufsteht und seine eigene Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit herstellt. Das ist der Zweck des Verteidigungs-Weißbuchs“, sagt Tobias Cremer, außenpolitischer Sprecher der SPD im Europaparlament. Vor der Europawahl war er Diplomat im Auswärtigen Dienst.
Wie die Mehrheit der Europaabgeordneten hält er die geplanten Milliardeninvestitionen in die Aufrüstung für richtig - allerdings unter Bedingungen: "Geld allein wird es nicht lösen, wir müssen auch darauf schauen, wie wir in die Verteidigung investieren. Wir müssen das koordiniert tun und europäisch tun."
Wenige Waffensysteme in hoher Stückzahl
Cremer fordert, dass Europas Regierungen sich auf wenige Waffensysteme einigen und die zusammen in hoher Stückzahl bestellen, das könne die Preise für Waffenkäufe um bis zu 30 Prozent senken: "Es geht hier nicht um die Aktienkurse von Verteidigungsunternehmen, sondern darum, dass wir die Fähigkeiten, die wir brauchen, um unsere Abschreckungs-und Verteidigungsfähigkeit herzustellen, zu den besten Preisen in bester Qualität kriegen."
Das Weißbuch schlägt vor, für Europa gezielt die Waffen zu bestellen, die bisher im NATO-Verbund von den Amerikanern gestellt wurden. Große Transportflugzeuge, Luftverteidigungssysteme, Aufklärungstechnologie und moderne Drohnen zum Beispiel. Allerdings funktioniert der kostspielige Plan nur, wenn Europas Regierungen auf nationale Alleingänge bei Waffenkäufen verzichten. Ob sie dazu bereit sind, könnte sich schon Donnerstag beim EU-Gipfel zeigen, dann steht das Weißbuch zum ersten Mal auf der Tagesordnung.