
Niederlande vor Neuwahl "Mehrheit einfach so weggeschmissen"
Nicht mal ein Jahr hielt die Vier-Parteien-Koalition in den Niederlanden - der Rechtspopulist Wilders kündigte das Bündnis auf. Die ehemaligen Koalitionspartner reagieren mit Unverständnis.
Es ist Markttag in der niederländischen Grenzstadt Enschede. Zwischen Käse, Gemüse und frisch frittiertem Backfisch geht es neben dem Wetter und den Plänen für das Pfingstwochenende vor allem um eins: das Scheitern der rechten Regierungskoalition. Die Stimmung schwankt zwischen Zufriedenheit und Schadenfreude auf der einen und Frust und Enttäuschung auf der anderen Seite.
"Ich finde das prima. Da warte ich schon lange drauf. Sie merken schon, dass ich diese Parteien nicht gewählt habe", sagt eine Frau. "Bis jetzt gab es doch nur Streit in der Koalition und wenig Dinge, die mit Anstand gelöst wurden."
"Wilders nehme ich das übel", meint eine Passantin. "Sie sind kein Stück voran gekommen. Dass unsere Kinder derzeit keine Wohnungen mehr bekommen, das ist für mich derzeit das größte Problem."
VVD-Chefin: Völlig unbegreiflich
Nach eigenen Worten hat der Chef der Freiheitspartei PVV, Geert Wilders, das rechte Vierer-Bündnis platzen lassen, weil die Koalitionspartner seinen radikalen Kurs in der Asyl- und Zuwanderungspolitik nicht teilen wollten. Das sei falsch, entgegnet Dilan Yesilgöz von der konservativ-liberalen VVD.
In keinem anderen Punkt seien sich die Parteien so einig gewesen wie in der Migrationsdebatte. Für die VVD-Chefin ist es völlig unbegreiflich, dass Wilders "die rechte Mehrheit, die wir haben und die wir so bald vielleicht nicht wieder bekommen" einfach so weggeschmissen habe. Denn diese rechte Politik habe der Wähler verlangt. "Nur für dein eigenes Ego, das verstehe ich nicht", wirft sie Wilders vor.
"Ein unberechenbarer Mann"
Die VVD, die gemäßigte Zentrumspartei NSC und die Bauernpartei BBB hatten sich geweigert, einen Zehn-Punkte-Plan zur Migration von Wilders zu unterzeichnen. Darin forderte der Chef der Freiheitspartei, die Grenzen für Asylbewerber zu schließen, den Familiennachzug zu stoppen und alle syrischen Flüchtlinge zurück in ihre Heimat zu schicken.
Die Regierungspartner lehnten ab und verwiesen auf die Abmachungen im Koalitionspapier. Über die dort vereinbarten Punkte wollten VVD, NSC und BBB nicht hinausgehen.
Damit liege der "Schwarze Peter" zwar bei Wilders, aber die anderen drei hätten wissen müssen, worauf sie sich einlassen, findet Rob Jetten von der linksliberalen Partei D66: "Du weißt doch, wenn du mit Wilders in einer Koalition zusammenarbeitest, dass das ein unberechenbarer Mann ist. Das konnte nicht gut gehen, und das sehen wir jetzt."
Minister der PVV nicht mehr im Kabinett
Nach einer Sitzung des Ministerrates am Nachmittag trat Premier Dick Schoof vor die Presse und kündigte an, noch heute beim König den Rücktritt des Kabinettes einzureichen. "Im Ministerrat sind wir angesichts der entstandenen Situation zu dem Schluss gekommen, dass nach dem Austritt der PVV die Tragfläche für dieses Kabinett im Parlament nicht mehr ausreicht", erklärte er.
Die Minister und Staatssekretäre von Wilders' Freiheitspartei würden mit sofortiger Wirkung ihre Tätigkeit beenden, sagte Schoof. Die übrigen Kabinettsmitglieder sollen kommissarisch im Amt bleiben, bis eine neue Regierung steht. Mit der Neuwahl ist wohl frühestens im Spätsommer oder Herbst zu rechnen.