
Nawrocki-Sieg in Polen Knappe Glückwünsche verbunden mit klaren Appellen
Im Wahlkampf sorgte Nawrocki mit Aussagen in Brüssel und Berlin für Unruhe. Aus beiden Städten kamen nach dessen Wahlsieg Gratulationen - mit Zwischentönen. Deutlicher wird ein Experte: Polens Präsident werde Europa "neue Kopfschmerzen" bereiten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dem designierten polnischen Präsidenten Karol Nawrocki nach dessen Sieg in der Stichwahl gratuliert und dabei die Bedeutung guter Zusammenarbeit hervorgehoben. Sie sei zuversichtlich, dass die EU die "sehr gute Zusammenarbeit" mit Polen fortsetzen werde. "Lassen Sie uns daran arbeiten, die Sicherheit und den Wohlstand unserer gemeinsamen Heimat zu gewährleisten", schrieb sie im Onlinedienst Bluesky. "Wir sind zusammen alle stärker in unserer Gemeinschaft des Friedens, der Demokratie und Werte."
Im Wahlkampf hatte sich Nawrocki mehrfach EU-kritisch geäußert. Sein Land werde sich nichts aus Brüssel vorschreiben lassen. Als Präsident könnte Nawrocki Gesetzesvorgaben der EU-freundlichen Tusk-Regierung verhindern.
Als "relativ nüchtern" bewertet ARD-Korrespondent Christian Feld die Glückwünsche von der Leyens in Richtung Warschau. Dabei seien die Erwartungen Brüssels an Polen groß. "Das Land hat sich zu einem Kraftzentrum innerhalb der EU entwickelt", so Feld.
Steinmeier lädt Nawrocki ein
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Nawrocki zu seinem Sieg und betonte die Bedeutung der deutsch-polnischen Freundschaft. "Lassen Sie uns gemeinsam die Freundschaft unserer Völker stärken", so Steinmeier. "Ein starkes Europa braucht eine gute deutsch-polnische Zusammenarbeit."
Deutschland wisse um seine immerwährende Verantwortung für das große Leid, das Deutsche über Polen gebracht hätten. "Umso dankbarer sind wir, dass Polen und Deutschland heute als enge Partner in der Europäischen Union und der NATO Seite an Seite stehen."
Deutschland und Polen müssten "auf dem Fundament von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" zusammenarbeiten, erklärte Steinmeier. Nur so könne "eine Zukunft Europas in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand" gesichert werden. Steinmeier lud Nawrocki nach Berlin ein und äußerte seine Hoffnung, Europa könne in dieser "sehr herausfordernden Zeit" auf Polen zählen.
Ziemiak wertete das Ergebnis als Protestwahl
Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Paul Ziemiak wird die deutsch-polnische Zusammenarbeit nun nicht einfacher. Er sprach im ARD-Morgenmagazin von einer Zäsur und erinnerte daran, dass Nawrocki im Wahlkampf auch antideutsche Töne angeschlagen habe. Trotzdem sollte er eine Chance bekommen.
Er sagte, Bundeskanzler Friedrich Merz sei der festen Überzeugung, dass es ein starkes Verhältnis von Frankreich, Deutschland und Polen brauche. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit sei "fundamental wichtig" für Europa, sagte Ziemiak, der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit ist. Gerade wenn es schwer werde, müsse dafür gearbeitet werden.
Der Wahlkampf habe die starke Polarisierung Polens gezeigt. Ziemiak wertete das Ergebnis als Protestwahl. Die Wahl des politischen Neulings sei ein Protest "gegen bisher sehr bekannte Gesichter" in der polnischen Politik.
Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, sprach im RBB von einem "wirklich schwierigem" Wahlausgang. "Es muss sich eine pragmatische Zusammenarbeit ergeben, so wie sich das auch mit Duda ergeben hat", so der CDU-Politiker. Die Tonalität könnte unharmonischer werden - dies betreffe sowohl das Verhältnis zu Deutschland, wie auch das Verhältnis zur Ukraine.
Wie unabhängig wird Nawrocki agieren?
Mit deutlichen Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Polen und der EU rechnet der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, Oliver Loew. "In Polen ist die politische Landschaft durchgepflügt, wird sich neu ordnen müssen - und für Europa bedeutet das neue Kopfschmerzen", sagte er im WDR-Hörfunk. Auf europapolitischem Feld werde es "ziemlich haarig werden".
Die Frage sei dabei auch, wie unabhängig Nawrocki bleibe. Dieser sei kein Mitglied der oppositionellen PiS, aber vom starken Mann der PiS, Jaroslaw Kaczynski, ausgesucht und aufgebaut worden.
Bei der Ukraine-Hilfe erwartet Loew hingegen kaum Änderungen. "In Polen ist ganz klar Russland der Feind." Allerdings habe sich Nawrocki zurückhaltender zu Aussöhnung und engen Zusammenarbeit mit der Regierung Selenskyj geäußert.
Nawrocki hatte sich in der Stichwahl knapp gegen den liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski durchgesetzt. Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtspopulistischen PiS an.