Karol Nawrocki spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung in Lodz (Archivbild: 27.04.2025)

Präsidentenwahl in Polen Es geht ums Grundsätzliche

Stand: 18.05.2025 08:45 Uhr

Wohin steuert Polen? Bei der heutigen ersten Runde der Präsidentenwahl geht es auch darum, ob die nationalpopulistische PiS wieder mächtiger wird. In Umfragen aber liegt der liberale Kandidat vorn.

Die Halle in Łódż tobt, die riesige Lichtanlage gibt ihr Bestes, überall weiß-rote polnische Fahnen und auf einem Bildschirm über der Bühne leuchtet grell der Name: Karol Nawrocki, der Kandidat der nationalpopulistischen PiS für die polnische Präsidentschaftswahl.

Aber statt Nawrocki ruft Andrzej Duda zum politischen Kampf auf. Duda ist der amtierende Staatspräsident Polens. Er selbst darf kein drittes Mal kandidieren, also ruft er: "Karol, du musst ran!"

36 Jahre "freies Polen seit 1989" lägen hinter ihnen, "der längste Zeitraum seit 1795, in dem die Polen souverän und demokratisch selbst entscheiden konnten." Diese Freiheit aber sei bedroht, ruft Duda, durch Donald Tusk.

Duda wirft dem Regierungschef "Zynismus, Niedertracht und Heuchelei" vor und erklärt, tatsächlich hätten bei der Parlamentswahl 2023 "linksliberale Eliten, die seit Jahrzehnten alle EU-Institutionen besetzen", die polnische Rechte, die PiS-Partei also, um die Macht gebracht und Tusk installiert.

Karol Nawrocki

Geht für die nationalpopulistische PiS ins Rennen: Karol Nawrocki. Ganz im Stile Trumps lautet sein Motto "Polen zuerst".

Liberaler Kandidat führt in Umfragen

Zur gleichen Zeit in Poznań, 200 Kilometer weiter westlich, steht Rafał Trzaskowski auf einer deutlich bescheideneren Bühne. Der Warschauer Stadtpräsident kandidiert für die Bürgerkoalition KO, die Regierungspartei von Donald Tusk. Trzaskowski steht für das liberale, urbane Polen.

Auch er vertritt eine rigide Migrationspolitik, unterstützt aber die Rechte von sexuellen Minderheiten, will den Weg freimachen für eine Reform der Gerichte und verspricht im Falle seiner Präsidentschaft, einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts zuzustimmen. Das macht ihn in den großen Städten beliebt. In den konservativen Hochburgen der PiS, in kleineren Orten wird Trzaskowski hingegen als weltfremder Schnösel betrachtet.

Die Präsidentschaftswahl 2020 hatte er knapp gegen Andrzej Duda verloren. Hätte er damals gewonnen, sagt er jetzt, "hätte es diese Jahre der Blamage auf der internationalen Bühne nicht gegeben, das Brechen der Frauenrechte, die Zerstörung der polnischen Schulen, der polnischen Wirtschaft". Bei dieser Wahl gehe es vor allem darum, so Trzaskowski, dass die rechtspopulistische PiS nicht zurückkomme.

Rafal Trzaskowski

Verspricht, im Falle eines Wahlsiegs den Reformen der Tusk-Regierung zuzustimmen: Rafal Trzaskowski.

Schwierige Reformen nach Jahren des Rechtspopulismus

Acht Jahre lang, bis 2023, war die PiS-Partei in der Lage, Polen komplett umzukrempeln. Ihre Koalition hatte zweimal die absolute Mehrheit im Sejm, dem polnischen Parlament. Ihr Präsident, Andrzej Duda, erwarb sich den Beinamen "Długopis", der Kugelschreiber, weil er anstandslos nahezu jedes Gesetz unterschrieb, das ihm die PiS-Regierung vorlegte.

Öffentliche Medien, die Schulbildung, Theater und Museen - aber vor allem die Gerichte wurden weitgehend auf Parteilinie gebracht. Außenpolitisch war Konfrontation das Mittel der Wahl, vor allem gegen die EU. Innenpolitisch setzte die PiS zwar eine erfolgreiche Sozialpolitik um, beschimpfte aber de facto alle als Vaterlandsverräter, die gegen ihren Staatsumbau auf die Straße gingen.

Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2023 wurde die PiS zwar erneut stärkste Kraft, konnte aber mangels Verbündeter keine Koalition mehr bilden. Seitdem regiert eine liberal-konservative Koalition - gewählt auch für das Vorhaben, viele der PiS-Eingriffe rückgängig zu machen.

Von den 100 Versprechen, die Donald Tusk direkt nach dem Regierungswechsel umsetzen wollten, sind allerdings die wenigsten Realität geworden. Zum Teil, wie bei der versprochenen Liberalisierung des Abtreibungsrechts, wurde sich die Koalition nicht einig.

Bei vielen anderen, oft zentralen Reformversprechen war es aber der PiS-nahe Präsident, der sein Vetorecht nutzte, um die polnische Politik effektiv zu blockieren. Trzaskowski ist zwar nicht Teil der Regierung. Da er aber für die Regierungspartei antritt, wird auch ihm deren dünne Bilanz angelastet.

PiS sieht Polens Unabhängigkeit in Gefahr

Dass Tusk und Trzaskowski eigentlich im Dienste der Deutschen stünden, dass die EU von Berlin aus gesteuert werde, mit dem Ziel, Polen zu unterdrücken, hören die Anhängerinnen und Anhänger der PiS seit Jahren. Seit dem Regierungswechsel 2023 ist zusätzlich vom "Regime Tusk" die Rede, von angeblicher politischer Folter und sogar Mord.

Dass im Präsidentschaftswahlkampf auch Amtsinhaber Duda den letzten Anschein von Überparteilichkeit ablegt, zeigt, dass es für die PiS nicht nur um das nächste Staatsoberhaupt geht. Es geht um ihr politisches Überleben, um eine mögliche Rückkehr an die Macht.

Also verspricht ihr Kandidat Karol Nawrocki im Stile Donald Trumps "Polen zuerst". Er werde das polnische Erbe bewahren, die polnische Identität und christliche Werte verteidigen. Gegen Deutschland, gegen Europa und vor allem gegen Geflüchtete.

In Polen läuft die Präsidentschaftswahl

tagesschau, 18.05.2025 10:00 Uhr

Nawrocki - einst Boxer und Türsteher

Nawrocki pflegt das Image des kultivierten, aber starken Mannes. Er war Boxer und Türsteher in Gdańsk, Danzig. Später leitete er das IPN, das Institut für Nationales Gedenken, und das Danziger Museum des Zweiten Weltkriegs. Obwohl seine Kandidatur geprägt ist von Skandalen - zuletzt kam ans Licht, dass Nawrocki mit falschen Versprechen einen alten Mann um dessen Wohnung gebracht haben soll - kann er in Umfragen aufholen.

Für Polen steht damit also wieder ein Richtungsentscheid an. 13 Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich zur Wahl. Eine echte Chance, so die bisherigen Umfragen, haben aber nur die Kandidaten der beiden großen Parteien KO und PiS, die seit Jahren die polnische Politik dominieren.

Stichwahl wahrscheinlich

Gewinnt KO-Kandidat Rafał Trzaskowski, hat die Regierung um Donald Tusk eine Chance, ihren Reformkurs tatsächlich umzusetzen. Wird PiS-Kandidat Karol Nawrocki der nächste polnische Präsident, kann aller Wahrscheinlichkeit die PiS aus der Opposition heraus die polnische Regierung weiter unter Druck setzen. Eine Rückkehr der PiS an die Macht bei der nächsten Parlamentswahl 2027 wäre damit deutlich wahrscheinlicher.

Da kein Kandidat, keine Kandidatinnen Aussicht auf eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang hat, wird die endgültige Entscheidung über Polens nächsten Präsidenten voraussichtlich erst in der Stichwahl am 1. Juni fallen.

Martha Wilczynski, ARD Warschau, tagesschau, 14.05.2025 19:28 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Mai 2025 um 18:40 Uhr.