Fraktion Patrioten für Europa bei einer Sitzung in Budapest (Bild vom 6. Dezember 2024)

"Patrioten für Europa" tagen Mit Trumps Devise die EU verändern

Stand: 07.02.2025 19:09 Uhr

Die "Patrioten für Europa" verbindet nicht zuletzt die Kritik an der EU. Die rechtsgerichtete Fraktion tagt am Wochenende in Madrid. Was eint sie noch, was trennt die EU-Abgeordneten - und warum bleibt die AfD außen vor?

Donald Trump steht Pate. Mit "Make Europe Great Again" ist die Anlehnung an das Motto des 47. US-Präsidenten unverkennbar. Aber was soll die Losung, unter der das Treffen der Rechtsaußen-Fraktion "Patrioten für Europa" in Madrid steht, heißen?

José Antonio Fúster, der Bundes-Sprecher von Spaniens ultrarechter Vox-Partei, versucht sich an einer Erklärung. Europa sei ein großartiges Projekt, sagt er, eines, das die Spanier schon immer begeistert habe und "über Jahrhunderte hinweg ge- und vereint habe" - eine Anspielung an Spaniens vergangene imperiale Ambitionen, auch auf dem europäischen Kontinent.

Also Ja zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union, aber unter bestimmten Bedingungen, etwa eine EU, "die unsere Souveränität respektiert, die uns keinen klimatischen Fanatismus aufzwingt, die unsere Grenzen verteidigt, die unsere Identität verteidigt. Die uns erlaubt, Spanier und Europäer zu sein, die uns nicht in dieser Art multikulturellem Magma auflöst, in dem wir Europa nicht erkennen. Denn wir wissen genau, wie groß Europa ist, wie groß es war und wie groß es wieder sein muss", sagt Fúster.

Die "Patrioten für Europa" seien keine Partei, sondern vielmehr eine Vision, sagt Fúster. Ziel sei, die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament zu werden, sozusagen eine Art rechte Internationale.

Mit einer gemeinsamen Vision gegen die "Woke Culture", gegen die "grünen Pakte", und von einer "eisernen Verteidigung unserer Grenzen", einem "kulturell christlichen" Europa, "in dem wir uns wiedererkennen".

Appell an die, die sich vernachlässigt fühlen

Einen klassischen Kulturkampf nennt das die Politologin Ana Salazar. Der Kulturkampf werde geführt, um diejenigen, die sich als Teil einer normativen Mehrheit verstünden, anzusprechen und zu mobilisieren. Das Narrativ führe dazu, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich fragten, "warum kümmert sich der Staat nicht um mich, wenn er sich um Minderheiten kümmert, die ich nicht verstehe?"

Am Ende würden sie sich von der staatlichen Politik ausgeschlossen fühlen - eine "Überzeugungsstrategie wie aus dem Lehrbuch".

Europa ist hier also weniger ein gigantischer gemeinsamer Wirtschaftsraum mit mehr als 500 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern oder ein geopolitisches Schwergewicht, als vielmehr eine Ansammlung vermeintlich bedrohter Identitäten, die es zu schützen gilt.

Wo die Einigkeit endet

Der Politikwissenschaftler Fernando Vallespin bezeichnet diese Version als die einer imaginierten Reinheit. Eine Vision, die versuche, "Grenzen zu schließen", damit immer weniger Einwanderer einreisten und die Kultur unberührt zu halten, also, die sogenannte Reinheit der traditionellen Kultur eines Landes zu bewahren, die natürlich auch mit traditionellen Werten verbunden sei. Etwa die Ablehnung sexueller Minderheiten, der Schwerpunkt auf die traditionelle Familie, das Verständnis der Zuwanderung aus muslimisch geprägten Ländern als Bedrohung und potenzielle "Verunreinigung".

Innerhalb der unterschiedlichen europäischen Rechtsaußen-Gruppierungen gebe es aber durchaus Unterschiede und Bruchlinien, so Vallespin. Für einige der extrem rechten Parteien gehe es darum, die Europäische Union "komplett zu entkernen". Andere wollten dagegen eine EU schaffen, in der die Nationalstaaten stärker präsent seien und den Staatenverbund vor allem dafür nutzen, um etwa die Einwanderung drastisch einzuschränken.

Ihnen gehe es also darum, die EU in den Bereichen zu stärken, die den eigenen Interessen dienten, und nicht um eine stärkere europäische Integration, bei der die nationalen Unterschiede gefühlt verwässert würden.

Darin sieht die Politologin Ana Salazar langfristig potenzielle Schwierigkeiten, denn letztlich laufe das auf eine Art Rückkehr zum Nationalstaat hinaus, sprich auf einen "direkten Wettbewerb kleiner Staaten gegen sehr große Staaten, das heißt wieder Deutschland gegen die Vereinigten Staaten und nicht die EU gegen die USA".

Aus rein politischer Sicht sei schwer vorstellbar, wie Europa auf der globalen Bühne konkurrieren könne, wenn es nicht geeint sei.

Hoffnungsträger Trump

Von einer Abgrenzung von den USA ist bei den "Patrioten für Europa" derzeit keine Rede. Im Gegenteil, Trump scheint so etwas wie ein großer Hoffnungsträger zu sein, wenn man Vox-Sprecher Fúster zuhört. Der zeigt sich überzeugt, dass Trump, "bei allen Unterschieden", etwas tun werde, was auch für die Europäer von wesentlicher Bedeutung sei, nämlich, "dieser Katastrophe der Woke Culture ein Ende zu setzen".

Einen Konflikt mit der großen Nähe zu Russland und Putin, unter anderem von Ungarns Regierungschef Victor Orban oder Herbert Kickl von Österreichs FPÖ, will er darin aber nicht erkennen. Länder wie Ungarn hätten ein Interesse an guten Beziehungen zu Russland, weil sie ihm näher seien. Damit meint er "Abhängigkeiten, wirtschaftliche, kulturelle und historische Fragen", aber die "Patrioten für Europa" sympathisierten sicher nicht mit Putin.

In dieser Eindeutigkeit dürfte das schwerlich zutreffen, denn die russische Hegemonie und die Programme rechtsnationaler Parteien, die Teil der "Patrioten" sind, haben eine große Gemeinsamkeit: die antilibarale Politik starker Männer. Eine gewisse emotionale Nähe Orbans, Kickls oder auch von Robert Fico aus der Slowakei dürfte schwerlich von der Hand zu weisen sein.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei ein riesiges Problem, sagt Vox-Sprecher Fúster, aber, auch das klingt durch, aus spanischer Sicht, weit weg. Die südlichen EU-Außengrenzen sind Vox wesentlich näher.

Reizvolle Geldtöpfe

Den Patrioten für Europa gehe es nicht um eine Rückabwicklung der EU, sagt Politologe Fernando Vallespien, sondern darum, die EU von innen heraus zu verändern. Ihre Geldtöpfe wolle keine der in der Gruppe zusammengeschlossenen Parteien verlieren.

Eine Veränderung also, indem man künftig versucht, über den Europäischen Rat, in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind, bestimmte gemeinsame Politiken zu stärken, zum Beispiel eine extrem restriktive Einwanderungs- und Asylpolitik.

Die AfD bleibt außen vor

Das Bild, das Fúster von der aktuellen Politik Europas zeichnet, ist das eines abgekarteten Spiels zwischen den zwei großen politischen Blöcken, den Sozialdemokraten und den Christdemokraten. Das habe zu einem Europa ohne Wiedererkennungswert geführt, das die Souveränität der Nationen nicht respektiere. Ein Angriff auf die europäischen bürokratischen Eliten, die sogenannten technokratischen Eliten in Brüssel.

Politologe Vallespin sagt, das verfange in breiten Teilen der Bevölkerung in den Ländern, in denen diese Parteien vertreten seien, weil es sich sehr gut in den populistischen Diskurs der Konfrontation mit den Eliten einfüge.

Ziel der "Patrioten für Europa" ist laut Fúster, eine "Alternative für alle Europäer" zu werden, bisher allerdings offenbar ohne die Alternative für Deutschland. Denn die AfD gehört nicht zu den Patrioten.

Das sei jedoch vor allem eine strategische Abgrenzung, sagt Vallespin, etwa von Marine Le Pen, die weiterhin Ambitionen habe, sich in Frankreich zur Präsidentin wählen zu lassen und nicht mit "offen faschistischen Diskursen wie denen der AfD" spielen wolle.

Wie weit es mit dieser Abgrenzung tatsächlich her ist, ist schwer zu sagen. Fúster bezeichnet die AfD etwa als "notwendige Partei". Um ihr "ultimatives Ziel" zu erreichen, nämlich die stärkste Kraft im EU-Parlament zu werden, bräuchten die "Patrioten für Europa" alle rechten europäischen Kräfte.

Die müssten aber auch dabei sein wollen, denn Zusammenarbeit funktioniere nicht, wenn sich jemand irgendwo nicht wohl fühle. Die Tür für die, wie Fúster sagt,  "Freunde der Alternative für Deutschland" bleibt offenbar offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. Februar 2025 um 12:36 Uhr.