Ein Demonstrant mit einem Plakat während einer Kundgebung zum dritten Jahrestag der Gefangennahme von Kämpfern der Asow-Brigade in Mariupol
Reportage

Drei Jahre nach Kapitulation Bangen um das Schicksal der Asow-Kämpfer

Stand: 20.05.2025 05:01 Uhr

Vor drei Jahren haben die letzten ukrainischen Soldaten das umkämpfte Asow-Stahlwerk in Mariupol verlassen. Hunderte sind noch immer in russischer Gefangenschaft. Angehörige bangen bis heute um das Leben der Soldaten.

Von Rebecca Barth, ARD Kiew

"Gefangenschaft tötet" steht auf den Plakaten der Frauen, die jeden Sonntag in Kyjiw protestieren. Sie wollen an ihre Angehörigen erinnern, die noch immer in russischer Kriegsgefangenschaft sind. Drei Jahre ist es her, dass die letzten ukrainischen Soldaten das umkämpfte Stahlwerk "Asowstal" in Mariupol verlassen haben.

"Ich komme immer wieder, um mich an alle Behörden, an alle Länder zu wenden, die nicht gleichgültig sind, damit man mir hilft, meinen Sohn zurück nach Hause zu bringen", sagt Switlana. "Er hat sich auf Befehl in Kriegsgefangenschaft begeben und man hatte ihm drei bis vier Monate versprochen, aber jetzt sind es schon drei Jahre."

Switlana rinnen Tränen über das Gesicht. Ihre Augen versteckt sie hinter einer großen Brille. Auf dem Plakat in ihren Händen hat sie ein Bild ihres Sohnes geklebt, der heute 32 Jahre alt ist.

"Er rief an, um sich zu verabschieden"

Für viele Menschen in der Ukraine sind die Soldaten Helden, die zu Beginn des russischen Angriffskrieges im umzingelten Mariupol ausharrten - umringt von russischen Truppen ohne Nachschub an Waffen oder Nahrung.

"Er rief an, um sich zu verabschieden. Er sagte: 'Natürlich will ich hier raus, ich will leben.' Mir war klar, dass das ein Abschied war", sagt Switlana. Die meisten Jungs dort hätten ihre Mütter angerufen um sich zu verabschieden. "Es war sehr hart dort für sie. Sie hatten kein Essen, keine Waffen."

"Wir warten auf die anderen Helden"

Wenige Meter entfernt sitzt Marjanna Tschetscheljuk am Fuße eines Denkmals. "Wir warten auf die anderen Helden", steht auf ihrem Plakat. Die junge blonde Frau ist mit ihrem Freund gekommen. Er war Soldat, sie Polizistin in Mariupol. Mehr als zwei Jahre verbrachte auch Tschetscheljuk in russischer Kriegsgefangenschaft.

Ein Mädchen hält einen Hund, während sie mit einem Plakat auf einer Kundgebung zum dritten Jahrestag der Gefangennahme von Kämpfern der Asow-Brigade in Mariupol sitzt

Angehörige bei einer Kundgebung zum dritten Jahrestag der Gefangennahme von Kämpfern der Asow-Brigade in Mariupol.

"Es war das reinste Chaos, und wir wussten, dass Gefangenschaft die einzige Chance war, unser Leben zu retten. Wir hofften dass der Feind uns irgendwie menschlich behandelt würde. Es gab ja Vereinbarungen. Aber wir wussten nicht, was auf uns zukommt", sagt Tschetscheljuk.

Noch immer befinden sich Hunderte der an den Kämpfen um Mariupol beteiligten Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft. Ehemalige Gefangene berichten immer wieder von schwerer, systematischer Folter. In vielen Fällen kommen die Männer und Frauen stark abgemagert aus der Gefangenschaft.

"Wo ist er, wie geht es ihm?"

Angehörige wie Switlana erhalten oft keine Informationen über das Schicksal ihrer Kinder. "Wir laufen hier herum, fragen diejenigen, die ausgetauscht wurden. Einige Jungs rufen auch an und erzählen. Meine Tochter sichtet alle Informationen und sucht diejenigen, die befreit wurden."

In den Gesprächen mit Russland über einen möglichen Waffenstillstand fordert der ukrainische Präsident auch immer wieder den Austausch von Gefangenen. Zuletzt konnten sich beide Seiten auf einen Austausch von je 1.000 Menschen einigen. Ein kleines Fünkchen Hoffnung für die Menschen, die jeden Sonntag in Kyjiw protestieren.

Angehörige und Freunde halten ein Plakat während einer Kundgebung zum dritten Jahrestag der Gefangennahme von Kämpfern der Asowschen Brigade in Mariupol

Angehörige und Freunde halten ein Plakat mit der Aufschrift "Free Azov", zu deutsch, "befreit Asow".

Switlana hat nur einen Wunsch: "Die Rückkehr meines Sohnes. Aller Söhne! Ich weiß, wie schwer es ist für eine Mutter zu warten. Du lebst nicht. Jeden Tag stehst du auf und gehst ins Bett mit dem Gedanken: Wie geht es deinem Sohn? Du isst was und fragst dich: Ob er gegessen hat? Wo ist er, wie geht es ihm? Das ist sehr schwierig."

Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Mai 2025 um 05:40 Uhr.