
Studie zu Bürgergeld Immer mehr Geld fürs Verwalten statt fürs Fördern
Das Bürgergeld soll reformiert werden - darauf pocht die Union in den Koalitionsverhandlungen. Eine Bertelsmann-Studie kommt nun zu dem Ergebnis, dass immer mehr Geld in die Verwaltung fließt statt in die Vermittlung von Arbeitslosen.
Die Jobcenter geben einer Analyse der Bertelsmann Stiftung zufolge immer mehr Geld für Verwaltung und deutlich weniger für die Förderung und Vermittlung arbeitsloser Menschen aus.
Nach Angaben der Stiftung hatten die Jobcenter im vergangenen Jahr 10,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Wie sie die Mittel auf Verwaltung und Arbeitsförderung aufteilen, ist dabei ihnen überlassen. "Einige Jobcenter verschieben bis zu 70 Prozent dieser Gelder in die Verwaltung", kritisiert die Stiftung.
Die Folge: In den vergangenen zehn Jahren erhöhten sich die Kosten für Verwaltung - auch wegen steigender Gehälter - um 39 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Das Geld zur Förderung von Bürgergeld-Empfängerinnen und -empfängern verharrte bei 3,8 Milliarden Euro.
Strikte Vorgaben für Aufteilung der Gelder gefordert
Wie viele Menschen die Jobcenter am Ende in Arbeit bringen, spiele "eine untergeordnete Rolle", so die Kritik von Bertelsmann. Nötig sei ein stärkerer Akzent auf das "Fördern und Fordern" der Betroffenen, das sei auf beiden Seiten zu wenig.
Roman Wink, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung, forderte strikte Vorgaben für die Jobcenter bei der geplanten Reform des Bürgergeldes. Bisher bleibe es ihnen überlassen, wie sie die zugewiesenen Mittel zwischen Verwaltung und Arbeitsförderung aufteilen.
Die drei Autoren des Papiers "Bürgergeld: Anspruch, Realität, Zukunft" plädieren zudem dafür, bei der Vermittlung von Arbeitslosen mehr auf individuelle Unterstützung zu setzen, zum Beispiel durch Coachings. Besondere Jüngeren müsse man mehr Qualifizierung und Weiterbildung anbieten.
5,4 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld
Rund 5,4 Millionen Menschen in Deutschland erhalten derzeit Leistungen aus dem Bürgergeld. Davon stünden etwa 2,7 Millionen Personen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie derzeit nicht erwerbsfähig seien, heißt es in der Studie. Darunter sind Menschen, die sich in einer Aus- oder Weiterbildung befinden, die Angehörige pflegen, aber auch viele Kinder.
Weitere rund 830.000 Empfänger dieser Sozialleistung sind demnach sogenannte Aufstockerinnen und Aufstocker - bei ihnen reicht das Erwerbseinkommen nicht zum Leben. Bei rund 1,9 Millionen Bürgergeld-Beziehenden handelt es sich laut Stiftung um Arbeitslose.
Union will Änderungen durchsetzen
Das Bürgergeld hatte Anfang 2023 das Hartz-IV-System abgelöst. Auch die Union trug das sozialpolitische Prestigeprojekt der Ampel mit, nachdem sie in einem Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat Verschärfungen durchsetzen konnte. Es kam bei vielen aber bald in Verruf.
Die Union will in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD Änderungen durchsetzen. Im Sondierungspapier einigten sich die Parteien darauf, dass der mit dem Bürgergeld abgeschaffte Vermittlungsvorrang "für Menschen, die arbeiten können", wieder eingeführt werden - das bedeutet, dass die Aufnahme eines Jobs Vorrang hat vor Weiterbildung und Qualifizierung.
CDU-Chef Friedrich Merz will eine neue "Grundsicherung für Arbeitssuchende" durchsetzen. Leistungsbeziehern, die jegliche Arbeitsaufnahme verweigern, sollen demnach künftig alle Leistungen vollständig entzogen werden.
Die Bertelsmann Stiftung forderte bei versäumten Terminen oder ausgeschlagenen Angeboten "moderate", aber frühere und konsequentere Sanktionierungen.
Für ihre Studien sammelt und analysiert die Bertelsmann Stiftung Daten und gibt Handlungsempfehlungen an die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger ab. Sie arbeitet operativ, das heißt sie unterstützt nicht die Arbeit Dritter, sondern investiert ausschließlich in selbst initiierte Projekte. Dabei dient sie nach eigenen Angaben dem Gemeinwohl und ist zu politischer Neutralität verpflichtet.