Das BSW Logo auf der Bühne des abgedunkelten Halle des Parteitages

Wagenknecht-Partei im Wahlkampf Bleibender Machtfaktor oder Strohfeuer?

Stand: 12.01.2025 05:38 Uhr

Das BSW blickt auf Erfolge zurück: erst bei der Europawahl, dann bei drei Landtagswahlen. Aber ausgerechnet vor der Neuwahl des Bundestags gehen die Umfragewerte zurück. Der Parteitag soll neuen Schwung bringen.

Von Mario Kubina, ARD Berlin

Ein sonniger Herbsttag in Berlin - Wahlnachlese. Sahra Wagenknecht steht lächelnd vor dem Eingang der Bundespressekonferenz, umringt von den BSW-Spitzenkandidatinnen aus Sachsen und Thüringen. Vor ihnen eine Traube aus Fotografen und Kameraleuten. Die Stimmung: gelöst.

Nur wenige Monate nach der Gründung hat die Partei damals allen Grund zur Zuversicht. Die Landespolitikerinnen sind mit zweistelligen Ergebnissen im Gepäck angereist. Und Wagenknecht nutzt die Gelegenheit für einen selbstbewussten Auftritt. "Wir sind zu einem Machtfaktor in Deutschland geworden", sagt sie später bei der Pressekonferenz.

Von Anfang an war dies der Anspruch des nach ihr benannten Bündnisses: die Parteienlandschaft umzukrempeln, eine politische Alternative zu schaffen. Auch zur AfD, für deren Anhänger Wagenknecht eine "seriöse Adresse" anbieten will, wie es immer wieder bei BSW-Terminen zu hören ist. Tatsächlich gelingt der prominenten Bundestagsabgeordneten mit ihrer Partei ein fulminanter Start.

Bei Europawahl und bei Landtagswahlen erfolgreich

Bei der Europawahl im Sommer schafft es das BSW aus dem Stand auf 6,2 Prozent der Stimmen. Später bringen die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Ländern noch bessere Ergebnisse. In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW inzwischen mit - und in beiden Ländern hat es mit dem Finanzministerium ein Schlüsselressort besetzt. Hinzu kommt ein monatelanger Höhenflug in den Umfragen.

Doch die Kurve zeigt inzwischen nach unten. Der aktuelle ARD-DeutschlandTrend sieht das BSW bei fünf Prozent, das ZDF-Politbarometer nur noch bei vier Prozent. Im Sommer waren die Umfragewerte deutlich besser.

Droht der frühe Erfolg zu verpuffen? "Das glaube ich nicht", sagt Co-Chefin Amira Mohamed Ali im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Auch wenn die Ausgangslage im Wahlkampf mit einer Fokussierung auf die Kanzlerkandidaten von Union und SPD schwierig für kleinere Parteien wie das BSW sei. Nach wie vor bekomme man aber viel Zuspruch. Und unabhängig von Umfragen gilt aus Sicht von Mohamed Ali, dass es für einen Politikwechsel eben das BSW brauche.

BSW-Spitze setzt auf "kontrolliertes Wachstum"

Die vorgezogene Wahl stellt die Wagenknecht-Partei allerdings vor Herausforderungen. Ein Jahr nach der Gründung zählt das BSW gerade mal rund 1.100 Mitglieder. Es könnten mehr sein, aber die Berliner Parteispitze setzt auf "kontrolliertes Wachstum". Der Grund: Glücksritter und Querulanten sollen draußen bleiben. Und Leute vom rechten Rand, für die das BSW wegen seines harten Kurses in der Einwanderungspolitik attraktiv sein könnte.

Der Unterstützerkreis ist deutlich größer als die Mitgliederkartei. Ein Parteisprecher gibt die aktuelle Zahl der Unterstützer auf ARD-Anfrage mit rund 25.000 an. Das hilft im Wahlkampf, wenn überall im Land Veranstaltungen zu organisieren sind. Und im Kampf um mediale Aufmerksamkeit setzt die Partei ganz auf Wagenknecht, die jetzt auch als Kanzlerkandidatin von sich reden machen soll.

Wirtschaft mit staatlichen Investitionen ankurbeln

Inhaltlich will das BSW zum Beispiel mit Antworten auf die Wirtschaftskrise punkten. Als Ziel gibt die Parteichefin ein "großes Investitionsprogramm" aus. Damit sollen zum Beispiel marode Straßen und Brücken modernisiert werden. Und mehr noch: Die Partei verspricht eine "Infrastruktur-Garantie für Deutschland". So steht es im Entwurf fürs Wahlprogramm. Der Text liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor.

Ob Bus und Bahn, ärztliche Grundversorgung oder schnelles Internet: Aus BSW-Sicht ist es Aufgabe des Staates, das alles zu organisieren. Auch, wenn er dafür mehr Kredite aufnehmen muss als nach der jetzigen Schuldenregel möglich. Das BSW nennt sie eine "Investitionsbremse", die reformiert werden müsse.

In der Wirtschaftspolitik verfolgt die Partei also eine klassisch linke Linie. Doch im Entwurf fürs Wahlprogramm gibt es auch Positionen, die man sonst eher auf der anderen Seite des politischen Spektrums verorten würde. Zum Beispiel wenn es heißt, das Asylrecht werde "in großem Stil missbraucht". Oder wenn das BSW einer "Gender-Ideologie" den Kampf ansagt.

Politikwissenschaftler: BSW schließt Lücke

Mit dieser Mischung schließt das BSW offenbar eine programmatische Lücke im Parteiensystem. Das macht der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung im ARD-Interview deutlich. Aus seiner Sicht ist es Wagenknecht damit gelungen, "die Parteienlandschaft umzukrempeln" - zumindest vorläufig. Die Frage sei aber, wie sich die Partei nun weiterentwickelt.

Bisher ist das BSW ganz auf seine Galionsfigur zugeschnitten: Wagenknecht überstrahlt alle und alles. Doch bei den Koalitionsgesprächen in Erfurt haben sich Risse zwischen Landesverband und Berliner Zentrale gezeigt. Und auch an der Strategie des "kontrollierten Wachstums" gibt es Kritik. Schließlich muss viel Arbeit erledigt werden. Und Infostände oder Plakatieren machen in einem Winterwahlkampf nicht nur Freude.

Gut möglich also, dass sich das BSW nach und nach personell breiter aufstellt. Doch bei der Bundestagswahl dürfte sich die Partei nochmal voll und ganz als Wagenknechts Schöpfung empfehlen. Der Bundesparteitag in Bonn an diesem Sonntag soll der 55-Jährigen wenige Wochen vor der Wahl eine große Bühne bieten. Wagenknecht mag einige Kritiker haben. Aber dass sie das Scheinwerferlicht scheuen würde, hat ihr noch niemand nachgesagt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 12. Januar 2025 um 09:00 Uhr.