Bundestagswahl 2025
Studie zu Wahlprogrammen Oft abgehoben und unverständlich
"Nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen", heißt es in einer aktuellen Studie über Bundestagswahlprogramme - doch gerade da schneiden diese eher mau ab: Sie seien zu abstrakt und komplex im Sprachstil.
Wenn es um die Verständlichkeit ihrer Wahlprogramme geht, schneiden die Parteien auch in diesem Bundestagswahlkampf schlecht ab - zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim, die tagesschau.de vorliegt. In diesem Jahr liegt sie auf der von den Forschenden entwickelten Verständlichkeits-Skala von 0 bis 20 bei 7,3 im Schnitt.
"Damit verschenken die Parteien insgesamt eine Kommunikations-Chance, über den Weg der Programme ihre Positionen auch für Laien verständlich zu beschreiben und zu begründen", sagt dazu der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider, der die Studie gemeinsam mit Claudia Thoms verfasst hat. Für die aktuelle Bundestagswahl wurden die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen, Linkspartei, AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) untersucht.
Dabei gelte: "Nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen". Wahlprogramme sind zwar keine Massenlektüre, doch haben sie in Wahlkämpfen gleich mehrere Aufgaben: Nicht nur neue Wählende zu gewinnen, sie dienen auch der Selbstverständigung der eigenen Parteimitglieder und -funktionäre.
Trotzdem ist davon auszugehen, dass nicht einmal die Hälfte der Wählerinnen und Wähler in diese politischen Programme schauen, und nur sehr wenige Menschen lesen sie laut Studie komplett von vorne bis hinten durch. "Das heißt jedoch nicht, dass die Programme unwichtig sind", erläutert Brettschneider im Gespräch mit tagesschau.de - die Parteien können daraus Auszüge oder Werbematerial machen, die Wählende über Online-Stichwortsuchen einzelne für sie wichtige Politikfelder genauer in den Blick nehmen.
Eigentlich müssten sich die Parteien deswegen gerade Mühe machen, beide Gruppen mit hoher Verständlichkeit zu gewinnen. Wobei dies nicht das einzige Kriterium für die Güte eines Wahlprogramms sein könne, auch das betont die Studie: Deutlich wichtiger sei der Inhalt: "Unfug wird nicht dadurch richtig, dass er formal verständlich formuliert ist".
In puncto Verständlichkeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen politischen Wettbewerbern: Das Wahlprogramm von CDU/CSU ist laut Studie formal am verständlichsten (10,5), auch im Vergleich aller Bundestagswahlkämpfe seit 1949 bleibt die Union vorn. Das Programm der AfD wird von der Studie als "formal am unverständlichsten" bewertet (5,1). Untersucht wurde auch das Populismus-Vokabular der Parteien, hier führt die AfD gemeinsam mit dem BSW.
Häufige Hürden für eine leichtere Verständlichkeit sind in allen Programmen lange Sätze, aber auch Schachtelsätze, sowie Fachbegriffe, die nicht erklärt werden und lange, zusammengesetzte Wörter: Bei vielen Parteien finden sich überlange Sätze mit mehr als 50 Wörtern.
BSW setzt auf Schachtelsätze
Während die FDP im Vergleich die meisten Fremdwörter nutzt, führt das 2024 gegründete BSW bei einer Satzlänge bis zu 69 Wörtern, aber auch beim Anteil der Schachtelsätze - es ist ihr erstes Wahlprogramm. Dafür ist es das kürzeste geworden. Insgesamt fallen die Programme kürzer aus als bei der vergangenen Bundestagswahl - die Parteien hatten wegen der diesmal vorgezogenen Bundestagswahl weniger Zeit als sonst.
Die anderen Parteien haben sich wenig Mühe gegeben, besser zu werden - obwohl das Problem bekannt ist: Schon die zur Europawahl 2024 verfassten Parteiprogramme waren nach Darstellung der Universität Hohenheim für die Wählenden oft kaum zu verstehen. Sie fielen bereits durch Bandwurmsätze, Fachsprache und Fremdwörter auf.
"Nicht nur zu lange Sätze, auch ein abstrakter und komplexer Sprachstil kann einen Hürde für die Verständlichkeit sein", heißt es in der Studie. Gerade häufige Nominalisierungen - die Umformung von Verben, Adjektiven und anderen Wortarten in Nomen - machten die Programme so schwer verständlich.
Die Studie hat 90 Wahlprogramme aller 21 Bundestagswahlen seit 1949 untersucht. Vergleicht man die aktuellen Bundestagswahlprogramme mit Reden, die in Haushaltsdebatten des Bundestages 2023 gehalten wurden, wird der Mangel der aktuellen Wahlprogramme laut Studie noch deutlicher: Die Reden kamen auf 15 Punkte in Sachen Verständlichkeit, obwohl das Thema auch nicht unbedingt als leichte Kost gilt.