Containerfrachter verlässt den Waltershofer Hafen, EUROGATE Container Terminal, Hamburg.

Maritime Sicherheit Deutsche Häfen von hybriden Angriffen bedroht

Stand: 20.03.2025 11:19 Uhr

Angriffe auf IT-Systeme oder GPS-Störungen auf See: Die Containerschifffahrt ist zunehmend Ziel von hybriden Attacken. Das gefährdet auch die Versorgungssicherheit Deutschlands.

Von Sabina Wolf, BR

Jens Meier, Chef der Hamburger Port Authority, und sein Team verteidigen den Hamburger Hafen gegen Cyberattacken und Sabotage. Manche Angreifer würden versuchen, sich in das IT-System zu hacken. "Aber es gibt auch klare Disruptionsangriffe, wo man einfach irgendwelche Dinge nur stören will, sowohl auf der nautischen Seite, als auch Fernsteuer-Systeme", berichtet Meier.

Zuletzt kam es im Hafen zu einer sogenannten Jamming-Attacke: ein Versuch, das Global Positioning System (GPS) zu stören. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Dies sei kein Einzelfall gewesen, so Meier. "Wir gehen sehr gewissenhaft mit diesen Vorfällen um."

Schiff könnte bei Störung auf Grund laufen

Wenn so eine Störung Erfolg hätte, würde ein Schiff "ohne Ortskunde und ohne grundsätzliche Ausbildung, wie man sich in solchen Fällen zu verhalten hat, schlimmstenfalls dahin fahren, wo man nicht hin möchte, oder auf Grund laufen", so der Hamburger Hafenkapitän Simon Rosenkranz.

Auch ein dubioses Störsignal fing das Team von Jens Meier bereits auf - mit einem eigens ausgestatteten Fahrzeug mit zahlreichen Antennen. Sie hätten mit normalem Hafenfunk nichts zu tun, so Meier. Zu hören waren in einem Fall nach einem unterbrochenen Ton Codes, Namen und Zahlen in russischer Sprache. Deren vermuteter Zweck: militärische Kommunikation russischer Streitkräfte oder verschlüsselte Nachrichten an Agenten, so die Expertenmeinung.

GPS-Störungen auf See

Bereits seit Dezember 2023 werden aus dem nordöstlichen Bereich des deutschen Luftraums GPS-Störungen gemeldet. Es müsse davon ausgegangen werden, so das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, dass die Schifffahrt in den unter den betroffenen Luftgebieten liegenden Seegebieten ebenfalls betroffen war.

Sinan Selen, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), sieht Deutschland generell in einer sehr konkreten hybriden Bedrohungslage: "Wir haben es mit staatlichen Akteuren zu tun, da kann man das Kind schon beim Namen nennen. Wir sehen russische Angriffsvektoren." Das BfV registriere aber auch sogenannte Low-Profile-Agenten. Diese würden eingekauft und für wenig Geld angeworben, um für einen geringen Beitrag Aktionen durchzuführen. Das gelte auch für den Bereich Sabotage.

Direkte Drohungen per E-Mail

80 Prozent aller Güter erreichen die Menschen über die Weltmeere. Die Bundesregierung teilte kürzlich auf eine kleine Anfrage der FDP mit, weltweite Konflikte und Krisen könnten sich "gefährdungserhöhend auf die Transportwege in Deutschland und von beziehungsweise nach Deutschland auswirken."

Irina Haesler, zuständig für maritime Sicherheitspolitik beim Verband Deutscher Reeder, macht sich Sorgen um die deutsche Containerschifffahrt. So würden beispielsweise die pro-iranischen Huthi Handelsschiffe nicht nur mit Raketen beschießen, sondern den Verband und einzelne Reeder ganz gezielt direkt per E-Mail anschreiben und Drohungen aussprechen.

Mehr Schutz für die Schifffahrt

Von der neuen Bundesregierung wünscht sie sich deshalb Schutz für die Handelsschifffahrt. "Die Marine kann nur mit dem schützen, was sie hat. Die letzten Jahrzehnte ist die Marine ziemlich kaputtgespart worden. Ich sagte immer, das scheitert ja nicht am Willen. Das scheitert ja schlicht und und ergreifend an den Mitteln."

Es sei wichtig, die deutsche Marine besser auszustatten in Zukunft, damit diese ihrem Auftrag der Sicherung der Seewege gerecht werden könne. Ein weiterer Konflikt bahne sich im Südchinesischen Meer an, über den ein Löwenanteil des Containerverkehrs abgewickelt würde, beobachten Experten.

Bedrohung der deutschen Versorgung

Als größter deutscher und drittgrößter europäischer Seehafen ist der Hamburger Hafen die Lebensader Deutschlands. Ein Totalausfall wäre in der Tat schon nach kürzester Zeit ein Super-GAU für Deutschland, so Jens Meier.

Eine Studie der Bundeswehr zum Schutz der maritimen kritische Infrastruktur (Markritis) gegen hybride Bedrohungen kommt zu dem Ergebnis, dass nach einem Angriff, der den Hafen lahmlegen würde, die Versorgungslage in Deutschland schon nach drei Tagen nachhaltig gestört würde. Statistiken bezüglich hybrider Bedrohungen gegen Deutschland oder deutsche Infrastruktur gerichtete hybride Aktivitäten führt die Bundesregierung nicht.

"Massive hybride Bedrohungslage"

René Funk, Vizepräsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), appelliert an die Bürger, die Lage ernst zu nehmen: "Wir befinden uns in einer massiven hybriden Bedrohungslage. Und das führt natürlich dazu, dass die Wahrscheinlichkeit von Folgewirkungen dieser hybriden Angriffe natürlich deutlich steigen. Deshalb ist Vorsorge so wichtig, gerade in diesen Zeiten."

Das BBK rät Bürgern deshalb für drei Tage vorzusorgen: pro Tag 1,5 Liter Trinkwasser pro Person und Lebensmittel, die nicht gekocht werden müssten, sowie Leuchtmittel, Batterien und Medikamente.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung plusminus am 19. März 2025 um 21:45 Uhr.