Ein Sonnenuntergang ist hinter dem Stacheldraht im Museum des Konzentrationslagers Auschwitz/Birkenau zu sehen

80 Jahre Auschwitz-Befreiung Ein Trauma, das Generationen überdauert

Stand: 27.01.2025 05:34 Uhr

Heute vor 80 Jahren wurde Eva Umlauf aus dem KZ Auschwitz befreit. Heute lebt sie in München. Die Shoah ist ein Familienerbe. Wie kann eine Familie so ein Trauma transformieren oder sich sogar daraus befreien?

Von Astrid Uhr und Jona Gebhard, BR

Am 27. Januar 1945 ist Eva Umlauf zwei Jahre alt. Sie ist abgemagert und schwer krank. Ihr Vater, ihre Großeltern, Tanten und Onkel sind von den Nationalsozialisten ermordet worden. Doch Eva wird an diesem Tag von der Roten Armee aus dem KZ Auschwitz befreit.

Mit ihrer Mutter und Schwester kehrt sie zurück in die heutige Slowakei. Ihre Familie ist jüdisch.  

Als sie schwanger ist, beginnen die Albträume

Obwohl Eva Umlauf an ihre Erlebnisse in Auschwitz keine Erinnerungen hat, obwohl ihre Mutter mit ihr nie über ihre Erfahrungen gesprochen hat, bekommt sie mit 43 Jahren plötzlich Albträume. Zu diesem Zeitpunkt lebt sie in München, ist Kinderärztin, verheiratet und mit ihrem dritten Sohn schwanger.  

"Ich habe geträumt, was ich gelesen habe über das, was Nazis mit Neugeborenen gemacht haben", sagt Eva Umlauf. "An diese bestialischen Geschichten, dass ich schon in dieser Schwangerschaft belastet war durch diese Träume." 

Holocaust-Gedenktag
Am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Das Datum erinnert an die Befreiung der überlebenden Häftlinge des größten NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 - vor 80 Jahren. Seit 1996 gedenken die Menschen in Deutschland an diesem Tag der Millionen Opfer des Völkermords. Im November 2005 verabschiedete auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag machte.

Auschwitz ist zum Synonym für den Holocaust geworden. In das größte deutsche Konzentrationslager nahe der polnischen Kleinstadt Oswiecim in der Nähe von Krakau wurden zwischen 1940 und 1945 weit mehr als eine Million Menschen aus ganz Europa deportiert. Der überwiegende Teil waren Juden, dazu kamen etwa 140.000 Polen, Zehntausende Sinti und Roma sowie Tausende politische Häftlinge anderer Nationalität. Die Zahl der im KZ Auschwitz und vor allem im dazugehörigen Vernichtungslager Birkenau Ermordeten wird auf etwa 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen geschätzt.

Kann ein Trauma vererbt werden?

Auschwitz sei damals zurückgekommen, als Albtraum, sagt Eva Umlauf heute, im Alter von 82 Jahren. Und selbst denen, die erst nach dem Menschheitsverbrechen der Shoah geboren wurden, können die großen seelischen Wunden der Vorfahren noch weh tun. Bei Eva Umlauf machte sich das bei ihrem Sohn Julian bemerkbar, so zumindest versteht sie seine Krankengeschichte. Schon als Baby sind seine Atmung und Herzfrequenz schwach. 

"Was die Holocaust-Überlebenden erlitten haben, das waren Angriffe auf ihre Würde und ihre Identität. Das heißt, sie haben im Grunde alles verloren. Und das ist ein existenzielles Trauma", sagt systemische Therapeutin Sandra Konrad. Wenn solche existenziellen Traumata an Kinder oder Enkel weitergegeben werden, sprechen Wissenschaftler von einer Transgenerationalen Traumatisierung.  

Eva Umlauf

Eva Umlauf hat die Befreiung des KZ Auschwitz als Kleinkind erlebt.

Traumata ziehen Kreise wie Wellen

Wissenschaftlich ist inzwischen bekannt: Wenn das Leid einer Generation nicht verarbeitet wird, kann das Auswirkungen auf die nächste Generation haben, sagt Sandra Konrad: "Das ist wie ein Stein, den man ins Wasser geworfen hat und der macht Wellenbewegungen eben auch Jahre, Jahrzehnte hinweg."

Konrad forscht seit 20 Jahren zu diesem Thema. Dafür hat sie mit Frauen, die den Holocaust überlebt haben und mit deren Töchtern und Enkeln Interviews geführt. So hätten viele jüdische Familien oft ein gestörtes Sicherheitsgefühl: Zum Beispiel Angst vor Menschen in Uniform oder Panikattacken beim Hören einer Sirene. Das erleben auch die Kinder und Enkel, die die ursächliche Erfahrung gar nicht gemacht haben, hat Konrad in ihren Forschungen festgestellt.

Wie gehen Familien mit so einem Trauma um? "Was ich häufig auch von den Töchtern und Enkeltöchtern gehört habe, ist, dass sie gesagt haben, meine Mutter oder Großeltern haben so furchtbare Dinge erlebt, aber auch eine gewisse Stärke", sagt Sandra Konrad. "Und diese Stärke möchte ich auch in mir finden." 

Mit der Familie nach Auschwitz

2016 erschien Eva Umlaufs Biografie. Seitdem kennen ihre Söhne ihre ganze Geschichte. Genau wie ihre zwei Enkelinnen. Sohn Erik und Enkelin Nadja begleiten Eva Umlauf in diesem Jahr zu Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Auschwitz.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 - Bayern 2 am 26. Januar 2025 um 07:00 Uhr.