Betreuungszeiten für Kinder Arbeit, Termine und dann noch zur Kita
In Kitas gibt es immer häufiger lange Betreuungszeiten. Für Familien ist dabei vor allem Flexibilität wichtig, um planen zu können. Eine Elternsprecherin erklärt deren Situation - und wirbt für ein Miteinander.
Ein alleinerziehender Elternteil muss Überstunden machen. Denn der Kollege ist ausgefallen, und die Chefin macht Druck. Doch eigentlich drängt die Zeit. Das eigene Kind soll aus der Kita abgeholt werden, eine spontane Verlängerung ist nicht möglich. Familie und Freunde, die einspringen könnten, fehlen.
Solch ein Szenario trifft vor allem Familien, denen Flexibilität im Alltag fehlt, weil es ihre Verpflichtungen nicht anders zulassen. Sie hetzen vom Termin zu Termin, um für ihre Kinder da zu sein.
Dabei sind sie auch abhängig von den Betreuungszeiten für ihre Kinder. "Häufig sind Angebote in Kitas nicht so flexibel, wie es der Job braucht", sagt Katharina Queisser von der Bundeselternvertretung für Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi) gegenüber tagesschau.de. Wer etwa einen voll gestopften Tag hat, kann besser planen, wenn das Kind auch mal länger in der Kita bleiben darf.
Immer länger in der Kita
Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen nun immerhin, dass es häufiger lange Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen gibt. Die Zahl der Kinder mit einer vertraglich vereinbarten Betreuungszeit von mehr als 35 Stunden in der Woche nahm von 2014 bis 2024 um 30 Prozent zu. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) dieser Kinder hatten sogar eine festgelegte Betreuungszeit von mehr als 45 Wochenstunden.
Die durchschnittlich vereinbarte Betreuungszeit stieg damit in den vergangenen zehn Jahren von 35,3 auf 36,1 Stunden pro Woche. Im selben Zeitraum wuchs auch die Zahl der betreuten Kinder - von 3,29 Millionen auf 3,94 Millionen.
Der Deutsche Kitaverband nennt den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, den es seit 2013 gibt, als einen Grund für den gestiegenen Bedarf. "Und auch mit einer damit verbunden anderen Perspektive auf die Erwerbstätigkeit von Müttern", teilt die Bundesvorsitzende Waltraud Weegmann auf Anfrage von tagesschau.de mit. Arbeitgeber würden aufgrund des strukturellen Fachkräftemangels inzwischen flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten, wodurch Eltern leichter berufstätig sein oder ihre Berufstätigkeit ausweiten könnten.
"Frauen arbeiten heute mehr Stunden als früher und verstärkt auch vollzeitnah", so Weegmann. Gleichzeitig seien Väter stärker bemüht, Vollzeitarbeit und Familienarbeit zu vereinbaren. "Die Familien haben dadurch einen höheren Bedarf an Betreuungszeiten in den Kitas."
Mehr Flexibilität für Familien
Bundeselternsprecherin Queisser weiß um diese hohe Nachfrage. "Je höher der Stundensatz in der Kita, desto höher ist die Flexibilität für Familien", sagt sie. Es kann dann abgearbeitet werden, was abgearbeitet werden muss. "Das Problem für Eltern und Familien ist, dass es nicht nur die Arbeitszeit ist, die es zu erledigen gilt. Sondern auch Arztbesuche oder der Haushalt."
Vor allem Alleinerziehende müssten viel stemmen, sagt Queisser, besonders wenn die Unterstützung durch Familie und Freunde fehle. "Sie nutzen meistens die Zeiten sehr aus", sagt sie über die Wochenstunden. Dabei gebe es allerdings finanzielle Hürden. Wer sich einen höheren Kitabeitrag nicht leisten könne, verzichtet laut Queisser auch mal auf mehr Wochenstunden - selbst, wenn der Bedarf da wäre.
Seltener gebe es Kitas, die nur Plätze mit hohen Wochenstunden anbieten, obwohl weniger gebraucht werden. "Auch Kitas sind Organisationen", sagt Queisser. "Sie haben Personalverpflichtungen und müssen planen können." Manchmal nehme man lieber das Vollzeit-Kind als die Familie, die einen geringeren Platz beantragt hätte. "Weil sie dann einfach ihre Personalstunden abgedeckt bekommen."
Nachfrage für 50-Stunden-Plätze
Aus ihrer Erfahrung seien die Angebote jedoch überhaupt nicht bedarfsgerecht und eher zu klein. Sogar Plätze mit 50 Wochenstunden würden nachgefragt. "Natürlich ist es auch wichtig, dass Kinder einen Rhythmus haben. Aber es gibt Berufe, in denen es nicht so einfach möglich ist, zu sagen: Ich habe jetzt vier Wochen hintereinander denselben Tagesablauf", sagt Queisser.
Dabei wehrt sich die Sprecherin auch gegen Vorwürfe: "Was wir oft zu hören bekommen haben, ist: 'Eltern wollen ihre Kinder bloß abschieben. Sie brauchen gar nicht so viel, wie sie beantragen.'" Solche Aussagen seien aber nicht realitätsnah. Es brauche ein Miteinander, kein Gegeneinander.
"Uns ist wichtig, dass Qualität nicht gegen den Ausbau von Platzbedarf ausgespielt wird. Es muss immer beides gleich gedacht werden", sagt Queisser. Familien könnten nur dann berufliche und private Herausforderungen bewältigen, wenn sie sich sicher seien, dass ihr Kind gut aufgehoben sei.