GKV warnt vor hohen Pflegekosten "Für 2026 reicht das keinesfalls mehr"
Trotz der jüngsten Beitragserhöhung warnen Krankenversicherungen vor einer "existenziellen Krise" der gesetzlichen Pflege. Grund seien Preissteigerungen und mehr Leistungsbezieher. Von einer neuen Bundesregierung fordern sie eine Reform.
Die Pflegeversicherung in Deutschland befindet sich trotz gerade erhöhter Beiträge in Finanznöten. "Die Lage ist so ernst wie noch nie", sagte Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), der auch die Pflegekassen vertritt, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Die Beitragsanhebung zu Jahresbeginn werde bestenfalls ausreichen, um die Ausgabensteigerungen in diesem Jahr auszugleichen, so Pfeiffer. Das Finanzierungsproblem sei damit aber nicht gelöst, sondern lediglich aufgeschoben worden. "Für 2026 reicht das dann keinesfalls mehr", sagte die Vertreterin des Spitzenverbandes GKV.
Laut Pfeiffer spitze sich die Situation bereits zu. Im Februar könnten erstmals einzelne Pflegekassen Liquiditätshilfe aus einem Ausgleichsfonds benötigen. Damit sei sichergestellt, dass in diesem Jahr noch alle Pflegekassen zahlungsfähig bleiben. Pfeiffer warnt aber: "Wenn nach der Wahl die neue Bundesregierung nicht sehr rasch handelt und Maßnahmen zur finanziellen Stabilität ergreift, steht die Pflegeversicherung im nächsten Jahr vor einer existenziellen Krise."
Beitragserhöhung reicht gerade für 2025
Das Defizit 2024 beträgt voraussichtlich 1,55 Milliarden Euro, wie aus Daten des Spitzenverbands hervorgeht. Ein endgültiges Ergebnis soll Mitte Februar vorliegen. Dank der erneuten Erhöhung des Beitrags zum 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte - was einer jährliche Mehreinnahme von 3,7 Milliarden Euro entspricht - wird für dieses Jahr nur ein Minus von 300 Millionen Euro erwartet und damit ein "in etwa ausgeglichenes Ergebnis".
Auf der anderen Seite steigen die Kosten ebenfalls. Im vergangenen Jahr etwa bei den Leistungsausgaben um rund elf Prozent, erläuterte die Verbandschefin. "Für dieses Jahr erwarten wir ebenfalls einen Anstieg deutlich über elf Prozent." Damit werde die Pflegeversicherung erstmals mehr als 70 Milliarden Euro ausgeben.
Mehr Leistungsbezieher, mehr Geld für Pflegebedürftige
Ein Grund für den Anstieg seien immer mehr Leistungsbezieher, deren Zahl würde "sehr dynamisch" steigen. Zum Jahresbeginn wurden außerdem alle Zahlungen für Pflegebedürftige zu Hause und im Heim um 4,5 Prozent angehoben, wie es noch eine Reform der Ampelkoalition von 2023 festlegte. Das kostet etwa 1,8 Milliarden Euro.
Die Pflegekassen zahlen daneben immer mehr, um steigende Eigenanteile für Pflegebedürftige abzumildern. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten.
Appell an neue Bundesregierung
Pfeiffer appelliert an eine neue Bundesregierung, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für eine Reform der Pflegeversicherung anzustreben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte eigentlich noch eine größere Finanzreform angepeilt, die nach dem Bruch der Ampelkoalition aber nicht mehr zustande kam.
Pfeiffer sagte, der Bund müsse seinen Verpflichtungen nachkommen. So müssten Gelder zur Finanzierung von Corona-Maßnahmen an die Pflegeversicherung zurückgezahlt und Rentenbeiträge für pflegende Angehörige dauerhaft übernommen werden.
Pflege ist Thema im Wahlkampf
Ein Wahlkampfthema ist die Pflege bereits. So will die SPD die Eigenanteile für die reine Pflege im Heim bei 1.000 Euro im Monat begrenzen - im Sommer lagen sie im bundesweiten Schnitt nach Kassendaten im ersten Jahr im Heim bei gut 1.400 Euro nur für die reine Pflege. Daneben sind auch noch Zahlungen für Unterkunft und Verpflegung fällig.
Die Union nennt in ihrem Wahlprogramm unter anderem Steuermittel und "bezahlbare Pflegezusatzversicherungen". Die FDP strebt neben Beiträgen "eine kapitalgedeckte Komponente" an. Die Grünen wollen versicherungsfremde Leistungen "angemessener über den Staat finanzieren". Die AfD will Kranken- und Pflegeversicherung zusammenführen und so Verwaltungskosten senken.
Stiftung Patientenschutz gibt Politik die Schuld
Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist die Politik verantwortlich für die Finanzkrise der Pflegeversicherung. Jährlich würden der Sozialversicherung durch Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, der Streichung des Steuerzuschusses und der Ausbildungsumlage fast sechs Milliarden Euro entzogen, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Auch habe die Bundesregierung einen Kredit über 5,5 Milliarden Euro für die außergewöhnlichen Pandemieausgaben nicht zurückgezahlt.
"Ohne Zweifel ist die Lage so ernst wie nie", betonte Brysch. Weit dramatischer sei die Krise bei den über fünf Millionen Pflegebedürftigen selbst. Der Strudel der explodierenden Ausgaben habe die Betroffenen längst erfasst. So fordert auch Brysch eine Deckelung des Eigenanteils der Pflegekosten auf monatlich 1.000 Euro.