
Aufnahmezusagen für Afghanen Weitere Klagen gegen die Bundesregierung
Eine Gruppe gefährdeter Afghaninnen und Afghanen hat Klagen gegen Deutschland eingereicht. Sie wollen erreichen, dass das Auswärtige Amt ihnen Visa erteilt. Kanzleramtsminister Frei kündigt Einzelfallprüfungen an.
In einer koordinierten Aktion haben Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Verwaltungsgericht Berlin 25 Klagen eingereicht. Weitere sollen folgen. Sie alle vertreten Afghaninnen und Afghanen und deren Angehörige, die in den vergangenen Jahren Aufnahmezusagen im Rahmen unterschiedlicher Programme von Deutschland erhalten haben. Sie alle geben an, von den Taliban in Afghanistan bedroht zu werden. Viele von ihnen warten seit mehr als einem Jahr in Pakistans Hauptstadt Islamabad auf eine Ausreise nach Deutschland.
Die Organisation "Kabul Luftbrücke" hat die Klagen heute öffentlich gemacht. Eine Mitarbeiterin der Organisation, Elaha Hakim, berichtet, sie sei in Islamabad vor Ort und habe Kontakt mit vielen Betroffenen. Zwar seien die Menschen in Gästehäusern untergebracht und würden gut versorgt, dennoch sei die Verzweiflung groß. Die Ungewissheit sei für viele eine enorme psychische Belastung.
Auch von Suizidversuchen berichtet sie. Hakim erzählt, Mädchen würden ihr sagen, sie hätten Angst, nach Afghanistan zurückgehen zu müssen und zwangsverheiratet zu werden, "weil Deutschland uns nicht mehr haben" wolle.
Bereits vor einem Monat hatte eine Familie eine erste Klage eingereicht. Das Verfahren läuft noch. Rechtsanwalt Matthias Lehnert, der jetzt auch weitere Betroffene vertritt, geht davon aus, dass es noch ein bis drei Monate dauern könnte, bis es eine erste Entscheidung gibt.
Ausweichende Antworten von der Bundesregierung
CDU, CSU und SPD hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme "soweit wie möglich" zu beenden. Das Auswärtige Amt erkennt allerdings an, dass die bereits erfolgten Zusagen rechtlich verbindlich sind.
Anfang Juni hatte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) im Bundestag erklärt, "wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein". Ein "konkretes Datum", ab wann die Menschen möglicherweise wieder eingeflogen werden, wollte er nicht nennen. Seit April sind alle Einreisen ausgesetzt. Zuletzt hatte die Bundesregierung auf Fragen des ARD-Hauptstadtstudios dazu ausweichend geantwortet.
Kanzleramtschef Frei kündigt Einzelfallprüfung an
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sagte jetzt dem ARD-Hauptstadtstudio: "Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese freiwilligen Aufnahmeprogramme in Zukunft nicht weiterführen möchten. Deswegen werden wir auch im Einzelfall überprüfen, ob solche Aufnahmezusagen Bestand haben können oder nicht."
Sofern es begünstigende Verwaltungsakte seien, seien sie "grundsätzlich auch widerrufsfähig". Das müsse im Einzelfall geprüft werden. Die beiden zuständigen Ministerien, das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium, "arbeiten so schnell wie möglich", sagte Frei.
Zusagen wurden bereits aufgehoben
Zuletzt sprach die Bundesregierung von etwa 2.400 Menschen, die in Pakistan mit einer Aufnahmezusage auf Ausreise warteten, wobei laut Aussagen des Bundesinnenministeriums "mehr als die Hälfte bisher noch nicht alle Schritte im Ausreiseverfahren durchlaufen" haben. Derzeit sind allerdings auch die umfangreichen Sicherheitsüberprüfungen vor Ort ausgesetzt, weil die Behörden ihre Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen haben.
Elaha Hakim von der Organisation "Kabul Luftbrücke" berichtet, die tatsächliche Zahl der Menschen mit Aufnahmezusage vor Ort sei mittlerweile gesunken, da Zusagen aufgehoben worden seien. So hätten beispielsweise mehrere Menschen vergangene Woche Absagen erhalten und müssten heute aus den Gästehäusern ausziehen. Die Menschen wüssten dann nicht, was sie machen sollen. Die Bundesregierung hat das auf Nachfrage bislang nicht bestätigt.