Alexander Dobrindt, Julia Klöckner und Friedrich Merz

Aufstand der Unions-Frauen Eine Bundestagspräsidentin reicht ihnen nicht

Stand: 20.03.2025 09:13 Uhr

Der mögliche neue Kanzler Merz hat vor Kameras gesagt, dass er von Geschlechterparität wenig hält. In der Union wollen das einige Frauen nicht auf sich sitzen lassen. Wie soll die neue Regierung aussehen?

Von Gabriele Dunkel und Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

Als Friedrich Merz, Julia Klöckner und Alexander Dobrindt am Montagnachmittag vor die Kameras treten, ist es eigentlich keine große Überraschung, was Merz verkündet: Die Unionsfraktion hat Klöckner, die ehemalige Landwirtschaftsministerin, als Bundestagspräsidentin vorgeschlagen. Schon länger wurde ihr Name für diese Funktion gehandelt.

Noch ist es zwar nur eine Nominierung, aber Klöckners Wahl am 25. März gilt so gut wie sicher, denn als stärkste Fraktion hat die Union das Vorschlagsrecht. Damit hätte CDU-Chef Merz nun eine Frau ins zweithöchste Amt im Land befördert. Also, Haken drunter: eine Frau, ein hoher Posten und ein Problem weniger könnte das für Merz bedeuten, glaubt er.

Das aber wäre Mechtild Heil zu billig. Sie ist Vorsitzende der "Gruppe der Frauen" in der Unions-Bundestagsfraktion und hat in dieser Funktion einen Brief an den Vorsitzenden verfasst. Darin teilt sie Merz mit, dass die Frauen Parität fordern - "einen Frauenanteil von 50 Prozent, bei den zu besetzenden Positionen innerhalb der Fraktion, in weiteren Gremien, bei Beauftragungen und bei der bevorstehenden Regierungsverantwortung".

Gruppenfoto ohne Dame

Stein des Anstoßes für die Frauen-Forderung ist die Besetzung der Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen. Der Frauenanteil der CDU liegt bei 27,1 Prozent, bei der CSU bei 31,25 Prozent. Bei der SPD seien dagegen knapp die Hälfte der Verhandler Frauen. Dazu käme der Rückgang des Frauenanteils in der eigenen Fraktion, der nur noch 23 Prozent betrage.

Es könne auf keinen Fall so weitergehen, dass Frauen so unterrepräsentiert sind, moniert Heil im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wenn man gute Politik machen will, dann muss man natürlich die Frauen auch mit abbilden. Wir wissen das aus der Wirtschaft, dass das sehr erfolgreich ist, wenn man mit gemischten Teams arbeitet. Das sollte der Politik eine Lehre sein", so Heil.

Doch schon bevor die Arbeitsgruppen überhaupt gebildet wurden, noch vor den Sondierungsverhandlungen, haben die Parteispitzen, wenn auch indirekt, den Ton für die neue Regierung gesetzt. "Wir sind bereit für einen Politikwechsel", schrieb CSU-Chef Markus Söder bei Instagram und postete dazu ein Foto - darauf zu sehen waren sechs Männer und keine Frau.

Spott und Häme ließen vor allem im Netz und auch bei der politischen Konkurrenz nicht lange auf sich warten. Aber auch innerhalb der CDU gibt es Störgefühle. So kontert CDU-Vizechefin Karin Prien mit einem ähnlichen Foto einer reinen Frauenrunde und kommentiert das Foto mit den Worten: "Wir machen Schluss mit dem woken Kram."

Wie Merz über Geschlechterparität denkt

Eine Reaktion oder einen Termin hat Mechthild Heil bisher noch nicht erhalten - weder von Merz, noch von den beiden Parlamentarischen Geschäftsführern von CDU und CSU, an die der Brief mit dem Beschluss ebenfalls ging.

Wie Merz über Geschlechterparität in der Politik denkt, hat er im vergangenen Jahr schon vor laufender Kamera kundgetan. In einem RTL-Fernsehinterview sprach er sich gegen eine Vorgabe aus und verwies auf die frühere SPD-Politikerin Christine Lambrecht: "Das ist so schiefgegangen in der letzten Bundesregierung mit der Verteidigungsministerin." So eine Fehlbesetzung solle man nicht wiederholen. Im Nachsatz ergänzte der CDU-Chef: "Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen."

Auch für Heil ist Frau sein allein kein Qualitätsmerkmal. Aber es gebe sehr viele, sehr begabte und fähige Frauen in der Union, die alle möglichen Ämter ausüben könnten. Sie müssten nur gesehen werden. Aber weder im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale, noch in der Fraktion sei bekannt, wer welche Kompetenzen habe. Heil selbst ist Diplom-Ingenieurin, Architektin und sollte in der Arbeitsgruppe Frauen mitarbeiten. Das hat sie abgelehnt - und verhandelt nun lieber gar nicht.

Bär und Prien haben zentrale Rolle in Sondierungen

Ganz ohne Frauen wird es auf jeden Fall am Ende nicht gehen, das ist wohl jedem in der Union bewusst. So wird derzeit wild spekuliert, wer es ins Kabinett schaffen könnte. Zwei Politikerinnen durften zumindest schon in der Sondierungsgruppe mitreden und sind auch in den Koalitionsverhandlungen bei der sogenannten Steuergruppe dabei, also denjenigen, die den Koalitionsvertrag zusammenfassen.

Da ist zum einen für die CSU Dorothee Bär, die schon unter Angela Merkel Staatsministerin für Digitales war. Und dann ist da noch Karin Prien, die Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein.

Bei Bär wäre es schon sehr verwunderlich, wenn sie ohne Ministeramt bleibt: Zu sehr und zu gut ist sie in der CSU-Spitze vernetzt. Prien galt innerparteilich lange als eine liberale Antagonistin des CDU-Chefs und sparte nicht mit kritischen Worten gegen seinen Kurs. Zuletzt war sie allerdings auffällig ruhig, verteidigte Merz zuletzt sogar öffentlich, zeigte sich loyal. Eine Eigenschaft, die Merz bekanntlich besonders schätzt.

Weitere Namen, die über die Flure der Unions-Fraktion geistern, sind Andrea Lindholz, CSU-Innenexpertin, Sylvia Breher, stellvertretende Parteivorsitzende, Nina Warken, parlamentarische Geschäftsführerin, und Christiane Schenderlein, Bundestagsabgeordnete aus Sachsen und Kulturpolitikerin. Die Entscheidung über die Kabinettsposten fällt am Schluss und sie wird maßgeblich von den Parteivorsitzenden getroffen. Dann klingelt also das Telefon und Friedrich Merz oder Markus Söder sind dran.

Angespannte Stimmung in der Fraktion

Doch es sind nicht nur die Frauen, die sich derzeit von Friedrich Merz übergangen fühlen. Selten war die Stimmung in der Bundestagsfraktion so angespannt. Die Entscheidung über das milliardenschwere Finanzpaket hat Spuren hinterlassen.

Nicht wenige Abgeordnete hatten vor der Grundgesetzänderung am Dienstag eine schlaflose Nacht. Noch vor wenigen Wochen hatten sie ihren Wahlkreisen versprochen, mit ihnen, der Union, werde es keine neuen Schulden geben. Schließlich waren das auch die Worte ihres Kanzlerkandidaten gewesen. Und nun dieses Finanzpaket, rund eine Billion Euro schwer.

Tatsächlich stimmte nur ein Abgeordneter aus der Fraktion gegen die Grundgesetzänderung: Merz' geschasster Generalsekretär Mario Czaja. Zwei weitere blieben der Abstimmung fern.

Andere wiederum, wie die Vorsitzende der Mittelstandsunion Gitta Connemann und der ehemalige JU-Chef Tillmann Kuban machten ihre Bedenken nach der Debatte öffentlich, per Protokollerklärung. Der Tenor: Wir haben nur zähneknirschend zugestimmt.

Noch einige Klippen bis ins Kanzleramt

Revolution liegt sicherlich nicht in der DNA der CDU, zumal derzeit die Aussicht winkt, wieder mitregieren zu können. Doch die Erwartung an den Koalitionsvertrag ist nun hoch. Es müsse deutlich werden, wo Schwarz-Rot künftig sparen wolle. Denn bisher wissen die Abgeordneten noch nicht so recht, was sie auf die zahlreichen Beschwerdemails ihrer Wähler antworten sollen.

Auch Merz ist offenbar bewusst, dass es auf dem Weg ins Kanzleramt noch einige Klippen zu überwinden gilt. Denn insbesondere beim Sozialen glaubt die Union an Streichpotenzial. Diese Rechnung soll nun Generalsekretär Carsten Linnemann mit den Sozialdemokraten ausmachen. Da will man sich keinen Druck machen lassen, heißt es von Merz.

Kanzlerwahl noch vor Ostern? Mal sehen. Auch in den Arbeitsgruppen gibt es Zweifel, dass ein gemeinsamer Koalitionsvertrag schnell zustande kommt. Das, worauf sich die Gruppen nicht einigen können, soll farblich gekennzeichnet werden. Rot für die SPD, Blau für die Union.

Am Montag ist Abgabetermin. Die Steuerungsgruppe dürfte einige bunte Seiten erreichen. Die Streitpunkte müssen die Parteispitzen dann klären. Das bedeutet also: Friedrich Merz hat demnächst noch eine Menge zu tun. Ob er sich dennoch Zeit nimmt, für das Anliegen der Frauen in der Fraktion? Vielleicht später.

Barbara Kostolnik, ARD Berlin, tagesschau, 20.03.2025 09:19 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 19. März 2025 um 21:30 Uhr.