Ein Arbeiter vor der Nord Stream 2 Pipeline

Vorstoß von CDU-Politikern Zurück zu russischem Gas? Die Empörung ist groß

Stand: 22.03.2025 11:39 Uhr

Sollte nach einem Ende des Krieges in der Ukraine wieder russisches Gas nach Deutschland fließen? Zustimmende Aussagen von CDU-Politikern sorgen einerseits für Empörung, finden aber auch Unterstützer.

Von Anna-Lou Beckmann, ARD-Hauptstadtstudio

Thomas Bareiß sitzt seit nun 20 Jahren im deutschen Bundestag. Unter Peter Altmaier war der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Jetzt verhandelt Bareiß in Energiefragen mit am schwarz-roten Koalitionsvertrag.

Kurz vorher hat der Bundestagsabgeordnete bei dem Netzwerk LinkedIn noch öffentlich darüber nachgedacht, was ein möglicher Frieden in der Ukraine für Nord Stream und russische Gaslieferungen bedeuten könnte. "Natürlich kann dann auch wieder Gas fließen, vielleicht diesmal dann in einer Pipeline unter US-amerikanischer Kontrolle", schreibt er.

Unterstützung bekommt Bareiß offenbar von Jan Heinisch, dem CDU-Fraktionsvize in Nordrhein-Westfalen. Auch er gehört zum Unions-Verhandlungsteam für Energie. Das Nachrichtenportal Politico zitiert ihn in einem Newsletter so: "Wenn eines Tages ein gerechter und sicherer Frieden gefunden ist, dann muss man auch wieder über den Kauf russischen Gases sprechen dürfen."

Hofreiter nennt Aussagen "skandalös"

Interviewanfragen gehen bei den beiden Christdemokraten ins Leere. Ihre Vorschläge regen aber Anton Hofreiter von den Grünen auf. Er findet sie "skandalös": "Es ist keine Option, sich wieder abhängig zu machen vom autokratischen Russland, denn man würde Russland wieder mit Unmengen an Geld versorgen, um weiter aufrüsten zu können." An CDU-Chef Friedrich Merz gewandt ergänzt Hofreiter, dieser solle sich ernsthaft fragen, "ob er diese beiden Autokratenfreunde wirklich weiter in der Verhandlungsgruppe belässt."

Auch aus der Union kommt Kritik. Etwa vom einstigen CDU-Bundestagsabgeordneten und Außenpolitiker Ruprecht Polenz. Für ihn ist das ein völlig falsches Signal - Putin könne man nicht vertrauen. "Um klarzumachen, dass das jetzt nicht die Politik der neuen Bundesregierung ist, fände ich es gut, wenn im Koalitionsvertrag stünde: Eine Inbetriebnahme der Nord Stream Pipelines wird ausgeschlossen. Punkt."

Polenz wünscht sich neben seiner Forderung auch ein klares Statement seiner Parteiführung dazu. "Es ist jetzt wichtig, dass auch die CDU-Führung klarstellt, dass so etwas nicht in Frage kommt."

Woidke für "Normalisierung der Handelsbeziehungen"

Doch die CDU lässt eine entsprechende ARD-Anfrage unbeantwortet. Dagegen meldet sich Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zu Wort: "Das ist typisch Union: Erst dafür, dann wieder die letzten Jahre dagegen. Jetzt wieder dafür. Ich kann diesen Zickzack-Kurs nicht begrüßen", kritisiert sie und erläutert: "Es gibt und gab eine klare Regel in Deutschland, dass Nord Stream 2 nicht zertifiziert wird, wenn Russland eine rote Linie überschreitet." Mit dem Angriffskrieg in der Ukraine habe Russland diese rote Linie massiv überschritten. "Damit ist der ganze Frieden in Europa bedroht. Und ich glaube, deshalb sollte man in diesen Zeiten solche Signale auf gar keinen Fall senden."

Dabei sendet auch ein Parteifreund und Amtskollege von Schwesig Zeichen wie diese: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Auch er sitzt in der schwarz-roten Verhandlungsgruppe für Energie. Er sprach sich dafür aus, nach einem Friedensschluss, den es seiner Meinung nach so schnell wie möglich auf diplomatischem Wege geben muss, die Handelsbeziehungen zu Russland wieder zu normalisieren - "auch was die Lieferung von Rohstoffen betrifft".

Damit meint er wohl Erdöl. Und auch über Erdgas-Lieferungen könne man nachdenken, so Woidke weiter. "Ich glaube wirklich, dass auch die wirtschaftlichen Beziehungen dazu beitragen können, die Beziehungen zwischen Europa und Russland insgesamt wieder zu verbessern."

Woidkes Finanzminister, Robert Crumbach vom BSW, stimmt ihm zu und sagt außerdem: "Selbstverständlich müssen wir endlich dazu kommen, dass Deutschland im eigenen Interesse handelt." Dazu gehöre es auch zu überprüfen, ob wirtschaftliche Sanktionen wirklich sinnvoll seien oder im Ergebnis dem Land schadeten.

Ministerium zur jüngsten Debatte kurz angebunden

Unverantwortlich nennt Claudia Kemfert den Vorstoß. Sie ist Abteilungsleiterin für Energie am Deutschen Institut für Wirtschaft. "Ich kann gar nicht fassen, dass man in diesen Zeiten so denkt. Denn wir müssen doch aus der Geschichte wirklich viel gelernt haben." Das sei eine hochrisikoreiche Angelegenheit. "Wir brauchen das Gas aus Russland nicht. Wir wissen, dass Russland ein Aggressor ist, wir wissen, dass es Gas als politische Waffe einsetzt. Wie viel Erfahrung aus der Vergangenheit brauchen wir denn noch?"

In dem für Energiethemen zuständigen Bundeswirtschaftsministerium will man die jüngste Debatte nicht kommentieren. Nur schriftlich heißt es: "Die Pipeline Nord Stream 2 ist nicht zertifiziert und rechtlich nicht zugelassen." Was in der Konsequenz bedeutet, dass die Frage der Nutzung der Pipeline sich aus Sicht der noch amtierenden Regierung gar nicht stellt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 22. März 2025 um 09:07 Uhr.