Anträge zur Migration im Bundestag "Die Brandmauer zur AfD darf nicht bröckeln"
CDU-Chef Merz will Vorschläge für eine schärfere Asylpolitik in den Bundestag einbringen - unabhängig davon, wer ihnen zustimmt. Kanzler Scholz warnt davor, auf Hilfe der AfD zu setzen. Zudem plant er eine Regierungserklärung zu dem Thema.
Die Messerattacke von Aschaffenburg hat eine heftige Debatte über die Migrationspolitik ausgelöst - und das mitten im Wahlkampf.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz will kommende Woche Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag einbringen. "Wir werden Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt." Damit nimmt Merz in Kauf, dass eine Mehrheit mit Stimmen der AfD-Abgeordneten zustande kommt. Das wäre ein Präzedenzfall im Bundestag.
Scholz warnt Merz
Bundeskanzler Olaf Scholz warnte Merz davor, Anträge mithilfe der AfD durchsetzen zu wollen. "Bislang hatte ich den Eindruck, dass man sich auf die Aussage des Oppositionsführers verlassen könne, auch nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten", sagte Scholz der Stuttgarter Zeitung.
"Nun mache ich mir wirklich Sorgen, nachdem die CDU nun ihre Anträge im Bundestag mit Stimmen der AfD durchsetzen will." Der Kanzler forderte: "Die Brandmauer zur AfD darf nicht bröckeln."
Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sieht das so. "Es ist faktisch die Aufhebung der Brandmauer, weil die Union bisher im Deutschen Bundestag die Linie vertreten hat, dass sie nur Anträge auf den Weg bringt, die Mehrheiten in der demokratischen Mitte des Parlaments finden", sagte Wiese in den tagesthemen.
Die SPD lehnt die Asylpläne auch inhaltlich ab. In einem Papier aus der Bundestagsfraktion heißt es, Zurückweisungen an den Grenzen verstießen gegen europäisches und internationales Recht.
Für den Fall seiner Wahl zum Kanzler hatte Merz weitreichende Verschärfungen in der Asylpolitik angekündigt. Demnach will er am ersten Tag im Amt das Innenministerium anweisen, alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und ein "faktisches Einreiseverbot" für alle Menschen ohne gültige Papiere durchzusetzen - auch solche mit Schutzanspruch. Ausreisepflichtige Menschen sollen zudem bis zur Abschiebung in Gewahrsam genommen werden.
Merz: Bedingungen für Koalitionspartner
Merz machte deutlich, dass es sich dabei um Bedingungen für mögliche Koalitionspartner handelt. "Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht", so Merz, und ergänzte: "Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."
AfD-Chefin Alice Weidel hatte Merz auf der Plattform X eine Zusammenarbeit bei der Migrationsfrage angeboten. "Die kommende Sitzungswoche im Deutschen Bundestag bietet dafür eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt verstreichen darf", schrieb sie. Der von Merz am Donnerstag angekündigte migrationspolitische Kurswechsel sei ein gutes Zeichen. "Die Brandmauer ist gefallen", schrieb sie.
Mit FDP, AfD und BSW hätte die Union eine Mehrheit
Um im aktuellen Bundestag auf eine Mehrheit zu kommen, wäre die Union auf die Zustimmung mehrerer Parteien angewiesen - allein die Zustimmung der in Teilen rechtsextremen AfD würde nicht reichen. Würden allerdings zusätzlich auch die Abgeordneten von FDP und BSW für die Anträge der Union stimmen, käme eine Mehrheit zustande.
Das BSW ist grundsätzlich migrationskritisch, und auch aus der FDP kamen Signale der Zustimmung für Merz' Vorschläge. Eine neue Migrationspolitik sei "die Bedingung für jede Regierungsbeteiligung", so FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag.
Zur Frage, was eine Zustimmung der AfD bedeuten würde, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Freitag der Bild-Zeitung: "Mir doch Latte, wer da sonst noch zustimmt. Wir können doch unsere Zustimmung zu für das Land notwendige Maßnahmen nicht daran koppeln, wer mitstimmt."
Habeck erinnert an Unvereinbarkeitsbeschluss
Von den Grünen kamen Appelle an die Union, sich an die eigene Brandmauer nach rechts zu halten. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sagte der Nachrichtenagentur dpa, Merz habe immer betont, dass es unter seiner Führung keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. "Dieses Wort darf nicht gebrochen werden - ich fürchte nur, Friedrich Merz steht kurz davor, das zu tun."
GdP: "Tausende Kollegen mehr nötig"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält Forderungen nach flächendeckenden Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen für nicht durchsetzbar. "Wir haben eine Länge von 3.800 Kilometern Binnengrenzen. Wir sind mit der Art und Weise der Grenzkontrollen, die wir jetzt schon betreiben, am Rande des Machbaren", sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dem MDR.
Für die Pläne von Merz seien "nicht nur Hunderte, sondern Tausende Kollegen mehr" nötig. Dass Merz alle Flüchtlinge ohne gültige Dokumente zurückzuweisen wolle, sei deshalb "nicht umsetzbar", sagte Roßkopf.
Regierungserklärung von Scholz erwartet
Bundeskanzler Scholz will am Mittwoch im Bundestag eine Regierungserklärung zu "aktuellen innenpolitischen Themen" abgeben. Einen entsprechenden Antrag reichte er beim Parlament ein, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen erfuhr. Es ist fest davon auszugehen, dass es um die Konsequenzen aus der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg gehen wird.
Am Montag soll zudem eine Sonderkonferenz der Innenminister stattfinden, um über die Konsequenzen aus dem Attentat zu beraten. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der aktuell den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehat, hat die Innenministerinnen und -minister der Länder sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu dem Treffen eingeladen. Bei der Konferenz soll es auch um den Umgang mit psychisch kranken Straftätern gehen.