Wenn Mohamed Zakzak von kriminellen Jugendlichen spricht, dauert es nicht lange, bis das Wort Ehre fällt. Doch viele, die ihm in diesen Gesprächen gegenübersäßen, könnten Ehre nicht definieren, erzählt der 47-Jährige, der aus dem Libanon stammt, im SWR-Videopodcast "Zur Sache! Intensiv". Stattdessen sei die Rede von Macht und Kontrolle. "Toxische Männlichkeit" gepaart mit "Unwissenheit" nennt Zakzak das.
Seit Jahren beschäftigt sich der Pforzheimer mit dem Phänomen. Er hat unter anderem ein Buch geschrieben, in dem er in die Geschichte der arabischen Clans eintaucht - und dabei nichts beschönigt. Von "kriminellen Netzwerken" ist die Rede, die ihre Wurzeln in der wechselhaften Vergangenheit der Großfamilien haben. Flucht und Vertreibung im Nahen Osten spielten eine Rolle, das Nicht-Dazugehören hier in Deutschland auch. Damals wie heute.
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"Toxische Männlichkeit": Gewalt wird positiv gedeutet
Einige der jungen Menschen, mit denen er arbeite, würden in einer Parallelgesellschaft leben, sagt Zakzak. Das liege auch an fehlender Integration. "Wenn man nicht das Gefühl hat, Heimat zu haben, sucht man nach Heimat", so der Pforzheimer. Und diese Heimat finden junge Erwachsene mit Migrationsgeschichte auch in kriminellen Gefügen. "Die deuten Gewalt als etwas Positives", womit ein "Minderwertigkeitskomplex" kompensiert würde.
Hinzu komme, dass Gewalt häufig folgenlos bleibe, erklärt der Sozialarbeiter. Bis kriminelle Jugendliche mit ihren Delikten den Behörden auffallen, habe es oftmals bereits eine hohe Dunkelziffer an Taten gegeben. "Da muss der Staat durchgreifen und nicht abschieben", fordert der Sozialarbeiter. Stabilisierungsansatz nennt er das.
Migrantische Jugendliche brauchen Vorbilder: "Mehr Mohameds in die Politik"
Bildung spiele dabei eine große Rolle, sagt Zakzak und kommt erneut auf den Begriff der Ehre zu sprechen. Gerade bildungsferne Gruppen mit Migrationsgeschichte würden Ehre mit Stärke und Kontrolle gleichsetzen. "Ist es ehrenvoll, wenn deine Mutter und dein Vater, wenn sie dich im Knast besuchen, durchgefilzt werden?", frage der Sozialarbeiter dann beispielsweise, um ein Umdenken anzustoßen. Es sei wichtig, den Begriff der Ehre neu zu "sortieren".
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Zakzak fordert deshalb, bereits in der frühkindlichen Bildung anzusetzen, damit Ehre "über Leistung und Erfolg" definiert wird. Dafür brauchten Heranwachsende auch Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können. "Die können wahrscheinlich mit Mohamed mehr anfangen als mit Martin". Doch das höre beim Sozialarbeiter nicht auf. Mehr Mohameds in der Politik, so die Vision von Zakzak, "vielleicht sogar ein Mohamed, der Bundeskanzler ist".
Sozialarbeiter Zakzak war selbst Flüchtling
Mohamed Zakzak flüchtete Ende der 1980er Jahre selbst als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling vor dem libanesischen Bürgerkrieg nach Deutschland. Nachdem er zunächst bei einem Onkel lebte, wuchs er später im Kinderheim auf. Aufgrund seiner Gehbehinderung verbrachte er als Heranwachsender Monate im Krankenhaus. Später wuchs er bei einer Pflegefamilie auf und studierte an der Universität Köln. Heute gibt Zakzak Workshops - etwa beim Darmstädter Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement. Außerdem leitet er Weiterbildungsmaßnahmen für Fachkräfte beim Landratsamt des Enzkreises, unter anderem zum Thema Rassismus.