Gäubahnprotest: Rund 100 Menschen demonstrierten vor dem Stuttgarter Rathaus

Baden-Württemberg Stuttgart 21: Wie geht es weiter mit der Gäubahn?

Stand: 24.01.2025 17:07 Uhr

Auch im Stuttgarter Gemeinderat wurde über die Unterbrechung der Eisenbahnstrecke nach Singen und Zürich gestritten. Im Februar wird diese Frage vor dem Verwaltungsgericht verhandelt.

Ab Frühjahr 2026 soll die Eisenbahnstrecke von Stuttgart über Horb und Rottweil nach Singen und Zürich für mehrere Jahre unterbrochen werden. Solange, bis der Pfaffensteigtunnel von Böblingen zum Stuttgarter Flughafen gebaut ist. Am Donnerstag wurde das Thema auch im Stuttgarter Gemeinderat diskutiert. Rund 100 Menschen, die zum Teil aus den von der Unterbrechung betroffenen Städten entlang der Gäubahn angereist waren, haben vor dem Rathaus für den Erhalt eines direkten Anschlusses an den bisherigen Kopfbahnhof demonstriert. Diese Frage wird im Februar auch vor dem Verwaltungsgericht erörtert.

Gäubahnprotest: Rund 100 Menschen demonstrierten vor dem Stuttgarter Rathaus

Rund 100 Menschen demonstrierten vor dem Stuttgarter Rathaus für den Erhalt des Gäubahnanschlusses an den Hauptbahnof.

Oberbürgermeister Nopper: Die Gäubahn verbindet uns

Zu Beginn der Gemeinderatssitzung erklärte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), dass die Wichtigkeit der Gäubahn sowohl in der Landeshauptstadt, als auch entlang der Eisenbahnstrecke nach Singen, unbestritten sei. "Die Gäubahn verbindet uns und solle uns nicht trennen." Lediglich die Interimslösung während der Unterbrechung würde man in der Landeshauptstadt anders bewerten. Durch die frei werdenden Flächen auf dem jetzigen Kopfbahnhof hätte die Stadt eine einmalige Chance für den Bau des sogenannten Rosensteinquartiers, einem neuen Stadtteil in der Stuttgarter Innenstadt.

Podiumsdiskussion: Stuttgart 21 - wie geht es weiter?
Die Volkshochschule Stuttgart veranstaltet in Kooperation mit dem SWR Studio Stuttgart am 31.01.2025 eine Podiumsdiskussion zum Thema: Stuttgart 21 - wie geht es weiter? Es diskutieren:
  • Rainer Wieland (CDU), Vorsitzender Verband Region Stuttgart und bis 2024 Vizepräsident des Europäischen Parlaments
  • Gerd Hickmann, Leiter der Abteilung Öffentlicher Verkehr, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg
  • Angelika Linckh, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21
  • Felix Berschin, Bahnexperte und Fahrplananalyst aus Heidelberg Was wird getan, um das Projekt (endlich) fertigstellen zu können?
Die Veranstaltung im Treffpunkt Rotebühlplatz beginnt um 19 Uhr. Weitere Infos erhalten Sie hier.

Grund für die Aussprache war ein Antrag der SÖS/Linken-Fraktion, die den Gemeinderat aufforderte, sich gegen die Unterbrechung zu positionieren. Ein Teil des Kopfbahnhofs müsse auch nach der Eröffnung des Stuttgart-21-Tiefbahnhofs vorerst erhalten werden, um den Anschluss der Gäubahn an den Hauptbahnhof zu gewährleisten. Die AfD plädierte in der Aussprache für einen Erhalt der Gäubahnanlagen im bisherigen Umfang. Auch PULS sprach sich dafür aus, den Gäubahnanschluss am Kopfbahnhof zu erhalten.

Zwar wurde über den Antrag noch nicht abgestimmt, aber durch die Wortmeldungen war schnell klar: Die anderen Fraktionen wollen städtebaulichen Projekte, wie das Rosensteinquartier, nicht gefährden durch einen Erhalt des Anschlusses an den jetzigen Kopfbahnhof.

Das Bild zeigt die Strecke der Gäubahn zwischen Stuttgart und Zürich.

Die Gäu- und die Panoramabahn
Die Eisenbahnstrecke von Stuttgart über Böblingen, Horb und Singen weiter nach Zürich wird als Gäubahn bezeichnet. Die Panoramabahn ist der Abschnitt der Gäubahn, der den Stuttgarter Hauptbahnhof mit dem Stadtteil Vaihingen verbindet. Diese wird auch als Ausweichstrecke für die S-Bahnen genutzt, wenn der S-Bahn-Tunnel zwischen dem Hauptbahnhof über die Haltestelle Schwabstraße bis Vaihingen gesperrt ist.

Verschiebung der Unterbrechung?

"Wir müssen in den sauren Apfel beißen", hieß es von Alexander Kotz (CDU) in der Gemeinderatssitzung. CDU, Grüne, freie Wähler, SPD und Volt reichten am Freitag sogar einen eigenen Antrag zur Gäubahn ein. Darin fordern sie zwar nicht, die Gäubahnunterbrechung zu verhindern, aber die Zeit der Unterbrechung zu verkürzen. "Die Gäubahnunterbrechung zum Hauptbahnhof muss so kurz wie möglich sein", heißt es in dem Antrag. Die Deutsche Bahn soll dazu bewegt werden, die Unterbrechung erst nach dem Sommer 2026 einzurichten, so die Grünen. Denn im Sommer soll erneut die S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Stuttgart-Vaihingen gesperrt werden. Würde die Gäubahn bereits im Frühjahr unterbrochen, würden dann im Sommer gar keine Züge mehr vom Hauptbahnhof nach Stuttgart-Vaihingen fahren.

DUH und LNV klagen vor Verwaltungsgericht

Die Frage nach der Unterbrechung beschäftigt auch das Verwaltungsgericht in Stuttgart. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte im Sommer 2023 Klage eingereicht, der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg zog wenige Wochen mit einer eigenen Klage nach. Ab dem 12. Februar wird verhandelt, gegen das Eisenbahn-Bundesamt und die Bahn-Tochter DB InfraGo. Drei Verhandlungstage sind im Vorfeld bereits angesetzt worden, da das Gericht den Bedarf einer schnellen Klärung des Sachverhaltes sieht, so das Verwaltungsgericht auf SWR-Anfrage. Die DUH sieht in der mehrjährigen Unterbrechung einen Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss von Stuttgart 21. Sollte die Klage der Umweltverbände erfolgreich sein, so müsste laut DUH der Kopfbahnhof und die dortige Anbindung der Gäubahn vorerst erhalten bleiben.

Im Juni 2023 berichtete SWR Aktuell über die Klage der DUH und den Protest gegen eine Gäubahnkappung:

Die Deutsche Umwelthilfe fordert außerhalb der Klage darüber hinaus, den Kopfbahnhof in Stuttgart nicht nur in der Interimszeit, sondern auch dauerhaft zu erhalten. Der Vorsitzende der DUH, Jürgen Resch, setzt sich dafür ein, einen Kombibahnhof mit neuem Durchgangsbahnhof und altem Kopfbahnhof zu betreiben.

Kommt der Pfaffensteigtunnel?

Jahrelang waren sich die Projektpartner uneinig darüber, wie die aus Singen und Zürich kommenden Züge in den neuen Tiefbahnhof fahren sollen. Die ursprüngliche Idee die Züge über die S-Bahn-Gleise zum Flughafen zu führen wurde aus Kapazitätsgründen verworfen. Inzwischen sind sich die Projektpartner einig: Ein neuer Tunnel, der über zehn Kilometer langen Pfaffensteigtunnel, soll gebaut werden. Der soll hinter Böblingen beginnen und am Stuttgarter Flughafen enden. Von dort können die Züge dann über die neue S21-Trasse direkt in den Tiefbahnhof fahren.

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Frühestens 2032 soll der Tunnel fertig sein. In der Zeit sollen die Gäubahnzüge am Stadtrand in Stuttgart-Vaihingen enden. Von dort geht es dann mit S- und Stadtbahn weiter. Die Planfeststellungsunterlagen für den Pfaffensteigtunnel sind bereits eingereicht worden. Die Projektpartner sind sich zwar einig, dass der Tunnel kommen soll, aber es fehlen noch die finalen Beschlüsse. Unter anderem die Finanzierung des Pfaffensteigtunnels ist noch nicht gesichert. Daher fordern in ihrem aktuellsten Antrag die CDU, Grüne, freie Wähler, SPD und Volt explizit die künftige Bundesregierung auf, noch im Jahr 2025 eine Zusage zur Finanzierung und Umsetzung der Gäubahnführung über den Flughafen abzugeben.

Ein Interim der Gäubahn ohne konkrete Perspektive ist nicht akzeptabel. Antrag der CDU, Grüne, freie Wähler, SPD und Volt im Gemeinderat Stuttgart

Befürchtung einer Unterbrechung auf unbestimmte Zeit

Kritiker und Kommunen entlang der Gäubahnstrecke befürchten, dass die Abbindung der Landeshauptstadt eine Unterbrechung auf unbestimmte Zeit ist. Die Oberbürgermeister von Böblingen, Herrenberg, Horb am Neckar, Rottweil, Singen, Tuttlingen, Villingen-Schwenningen sowie Konstanz fordern seit Jahren die Landeshauptstadt und die Bahn auf, die Unterbrechung zu verhindern.

Sendung am Do., 23.1.2025 18:05 Uhr, Aktuell, SWR Kultur

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