
Bayern Extremismus-Vorwürfe: Bayern will Imam abschieben
Ein Imam aus Bayern wehrt sich nach BR-Recherchen gegen eine drohende Abschiebung. Doch der Freistaat betrachtet ihn als Sicherheitsrisiko. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Balance zwischen religiöser Freiheit und Sicherheitsinteressen auf.
Imam Abdullah S. sitzt vor der Kamera, gefasst, ruhig. "Die Behörden möchten meine Tätigkeit als Imam unterbinden. Es ist wichtig zu erwähnen, dass all meine Predigten nicht gegen das Grundgesetz verstoßen haben", sagt er in einem Youtube-Video. Er wurde 1986 geboren, stammt aus dem Jemen, lebt seit 2011 in Deutschland – und wirkte zuletzt vor allem in Nürnberg.
Online-Petition läuft
Das Video ist Teil einer Online-Petition, mit der Unterstützer des Imams seine drohende Abschiebung verhindern wollen. Der Imam, so heißt es in sozialen Netzwerken, sei von edler Persönlichkeit. Oder: Glauben sei kein Verbrechen. Nach BR-Recherchen gehören zu seinen Unterstützern auch Personen, die vom Verfassungsschutz einer islamistischen Strömung, dem Salafismus, zugeordnet werden.
Allgemein wird zwischen militanten Salafisten, sogenannten Dschihadisten, und politischen Salafisten unterschieden, die Terrorismus ablehnen. Der bayerische Verfassungsschutz (externer Link) betrachtet auch politische Salafisten als gefährlich, weil sie eine Gesellschaftsordnung anstrebten, die auf einer strengen, wörtlichen Auslegung des Korans basiere.
Konflikt mit dem Freistaat
Vom bayerischen Innenministerium heißt es, Imam Abdullah S. habe durch "seine Rolle als salafistischer Prediger ein Verhalten gezeigt, welches geeignet ist, auch in Zukunft Personen für den Salafismus zu rekrutieren – bis hin, diese zum Dschihadismus zu radikalisieren".
Eine direkte Stellungnahme von Abdullah S. erhielt der BR bis Mittwochabend nicht. Alle Versuche, Kontakt aufzunehmen, blieben erfolglos. Laut Innenministerium wirkte der Imam unter anderem in der vom bayerischen Verfassungsschutz als salafistisch eingestuften Nürnberger Moschee "Muslimischer Interaktionsverein". Auch diese ließ eine Anfrage des BR bis Mittwochabend unbeantwortet.
Münchner Moschee wehrt sich
Als weiteren Auftrittsort des Imams nennt das Innenministerium die "Imam Malik Moschee" in München. In den Jahresberichten 2022 und 2023 des Bayerischen Verfassungsschutzes wurde die Imam Malik Moschee als salafistisch geprägte Moschee genannt. Die Verfassungsschützer bestätigen auf BR-Anfrage, dass die Moschee im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 nicht mehr auftaucht. Der Bericht wird am Freitag veröffentlicht.
Die Verantwortlichen der Imam Malik Moschee berichten in ihrer Antwort auf eine BR-Anfrage von einem internen Konflikt, der zum Ausschluss eines Vorstandmitgliedes geführt habe. Dessen Handlungen hätten nicht mehr im Einklang mit den Vereinszielen gestanden. Man stehe für einen modernen, toleranten Islam und folge keinerlei extremistischen Strömungen. Zu Imam Abdullah S. unterhalte man keinerlei Verbindungen.
Abschiebung in den Jemen droht
Der Imam scheiterte bereits vor bayerischen Verwaltungsgerichten mit dem Versuch, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Urteile liegen dem BR vor. Aus diesen geht unter anderem hervor, dass Abdullah S. den Sicherheitsbehörden zufolge Kontakte zu Dschihadisten unterhielt. Außerdem werfen ihm die Sicherheitsbehörden vor, "im Rahmen seiner Tätigkeit als Imam und Lehrer salafistische, insbesondere Gewalt befürwortende Literatur benutzt zu haben".
Nun, so das Innenministerium, habe der Imam die Frist für eine freiwillige Ausreise verpasst. Damit steht eine Abschiebung im Raum – dem Innenministerium zufolge entweder zurück in den Jemen oder unter Umständen auch in ein anderes Land.
Brisant: Im Jemen herrscht seit Jahren ein brutaler Bürgerkrieg. Doch ein genereller Abschiebungstopp bestehe nicht, bestätigt das Bundesinnenministerium (BMI) dem BR. Ob Abdullah S. tatsächlich in den Jemen zurückgeführt wird, ist unklar. Nach Erkenntnissen des BMI wurde in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr in den Jemen abgeschoben. Es sei Sache der Bundesländer, über Abschiebungen zu entscheiden.
Experte: Hartes Vorgehen der Sicherheitsbehörden verständlich
Imam Abdullah S. wurde bislang nicht straffällig. In dem Youtube-Video bestreitet er darüber hinaus, jemals Gewalt befürwortet zu haben. Aber: Hans-Jakob Schindler von der Forschungsorganisation "Counter Extremism Project" äußert Verständnis für das harte Vorgehen des Freistaats: Die freiheitlich demokratische Grundordnung könne auch gefährdet werden "durch das gezielte Agieren ohne direkte Gewaltaufrufe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung".
Islamisten: Vier Abschiebungen aus Bayern in diesem Jahr
Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums wurden dieses Jahr bereits vier Islamisten aus dem Freistaat abgeschoben, im Vorjahr waren es neun. Ob die Online-Petition im Fall von Imam Abdullah S. den Freistaat umstimmen kann, bleibt fraglich.
Einen Rückzieher Bayerns hält Experte Schindler angesichts jüngster islamistischer Anschläge für ausgeschlossen. Er erwartet, dass Sicherheitsbehörden künftig noch konsequenter gegen als islamistisch eingestufte Personen vorgehen – auch ohne Gewaltbezug.
Islamwissenschaftler sieht Opfer-Narrativ
Islamwissenschaftler Caspar Schliephack von der Fachstelle Islam Brandenburg hat sich das petitionsbegleitende Youtube-Video genauer angesehen, in dem sowohl der Imam als auch ein Unterstützer zu Wort kommen. Die Botschaft laute, sagt Schliephack, dass der Staat Muslime und den Islam aus reiner Feindseligkeit bekämpfe. Eine Erzählung, die dem Islamwissenschaftler zufolge seit Jahrzehnten in salafistischen Kreisen kursiert – besonders dann, wenn Maßnahmen des Staates gegen Mitglieder der Szene ergriffen werden. So werde versucht, eigenes extremistisches Verhalten zu relativieren und in ein Opfer-Narrativ zu kleiden.
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Quelle: BR24 im Radio 10.04.2025 - 07:00 Uhr