Familie mit Kleinkind im Gespräch mit einer Betreuerin (Symbolbild)

Bayern Schwerer Start ins Leben: So wichtig ist Nachsorge für Familien

Stand: 26.01.2025 09:39 Uhr

Probleme bei der Geburt sind nicht selten. Aber auch danach können Kinder schwer erkranken. Die sozial-medizinische Nachsorge hilft dabei betroffenen Familien zu Hause. Das Problem: Die Finanzierung über Krankenkassen reicht oft nicht.

Von Christian Akber-Sade

Wenn die Gesundheit ihrer Kinder schwer beeinträchtigt ist, befinden sich Familien oft in extrem belastenden Situationen. Das kann mit einer schweren Erkrankung eines Neugeborenen oder aber auch mit einer Krebsdiagnose eines Jugendlichen zusammenhängen. Eine Prognose ist häufig schwer zu treffen. Mit diesen düsteren Aussichten werden Familien dann aus den Kliniken entlassen – und sind zu Hause durch die mentale Belastung überfordert. Hier kommt die sozial-medizinische Nachsorge ins Spiel. Pflegepersonal unterstützt Eltern und Kinder daheim.

Unproblematische Schwangerschaft

So hat es auch Familie Schießl aus Unterpfraundorf im Landkreis Regensburg erlebt. Im November 2023 brachte Nicole Schießl nach einer völlig unproblematischen Schwangerschaft Sohn Emil zur Welt. Eine Woche nach der Geburt änderte sich die Situation dramatisch. "Emil war an dem Tag weinerlich. Wir haben dann mit der Hebamme zusammen festgestellt, dass er stark nach Luft ringt", beschreibt die Mutter, "er ist ganz grau geworden im Gesicht".

Düstere Prognosen für den kleinen Emil

Ihr Kinderarzt reagierte schnell und begleitete die Schießls per Rettungswagen in die KUNO Kinderklinik St. Hedwig in Regensburg. Dort stellten die Ärzte fest, dass Emil unter einer Neugeborenenblutvergiftung litt. Schwere innere Blutungen und akutes Lungenversagen bedrohten sein Leben.

Zwar konnten die Mediziner Emil retten, doch griff eine Entzündung mehrere Areale seines Hirns an. Zu diesem Zeitpunkt musste die Familie davon ausgehen, dass ihr Sohn schwere Schäden behalten würde. Emil drohte der Rollstuhl, auch Sehkrafttests ließen nichts Gutes erahnen. Die Befunde waren mit Blick auf die mögliche geistige Entwicklung für die Eltern niederschmetternd.

Quälende Ungewissheit nach Klinikentlassung

"Wir waren sehr verzweifelt. Wir wussten überhaupt nicht, was auf uns zukommt. Was wird aus dem Emil werden? Was wird er mal können? Was nicht?", erinnert sich Nicole Schießl, "das ist, denke ich, in dieser Situation das Schlimmste, weil es keiner weiß."

Nach zwei Wochen Behandlung in der Klinik wurden die Schießls entlassen. Doch die Betreuung wurde zu Hause fortgesetzt – die sozial-medizinische Nachsorge griff. Organisiert wird diese Nachsorge über den sogenannten Bunten Kreis der KUNO Klinik. Krankenschwester Agnes Wagner besuchte die Familie immer wieder zu Hause.

Nachsorgeschwester unterstützt zu Hause

"Ich habe versucht, der Mama viel zuzuhören, sie auch weinen lassen, wenn der Bedarf da war, und habe Mut gemacht", sagt Agnes Wagner. Daneben wurden unter anderem Behördengänge besprochen, um Emil die bestmögliche Förderung bieten zu können.

"Die mentale Unterstützung ist in so einer Zeit aber das Wichtigste", blickt Mutter Nicole dankbar auf die Besuche der Krankenschwester zurück. Sie und ihr Mann hätten nur wenig Kraft gehabt. Zwölf Wochen sind für diese Art der Nachsorge vorgesehen. In Einzelfällen sind Verlängerungen möglich.

Nachsorgekosten nur zu zwei Dritteln gedeckt

Die Kosten der Nachsorge tragen die Krankenkassen. Allerdings seien damit nur zwei Drittel des Bedarfs gedeckt, wie der Leiter der Neugeborenenmedizin an der KUNO Klinik, Professor Sven Wellmann, beschreibt. "Die Lücke, das ist die Strecke, die uns nicht erstattet wird. Und das muss man verrechnen mit Kilometergeld, das ist Sprit, das ist Verschleiß, das sind die Autos, Reparaturen, alles, was da zusammenkommt."

Die Regensburger betreuen etwa 100 Familien jährlich, fahren dabei circa 40.000 Kilometer. Ein Betrag zwischen 20.000 und 40.000 Euro müsse jährlich somit zusätzlich finanziert werden. Teilweise habe die Klinik diese Kosten in der Vergangenheit selbst getragen. Das ginge nun aber nicht mehr, erläutert der Professor. Umso mehr sei man mittlerweile auf Spenden angewiesen.

Mit der Aktion "Stark ins Leben" versucht die KUNO Klinik die Nachsorge so auch für die Zukunft zu sichern. Der Verband der Ersatzkassen teilte auf BR-Anfrage dazu mit, dass die Krankenkassen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 rund 10,5 Millionen Euro für Nachsorgeleistungen in Deutschland erbracht haben. Die Vergütung sei ihrer Meinung nach kostendeckend.

Emils Entwicklung – ein Wunder?

Gut 13 Monate nach den dramatischen Entwicklungen wirkt der kleine Emil auf Außenstehende heute völlig unbeeinträchtigt. Ein Wunder, wie Mutter Nicole, aber auch die Mediziner sagen. Emil läuft und kann sehen. Und auch wenn eine endgültige Entwicklungsprognose noch nicht zu treffen ist, hat die Nachsorge zu diesem erstaunlichen Erfolg ihren Teil beigetragen.

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Quelle: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz 23.01.2025 - 12:30 Uhr