Masha Qrella

Berlin Konzert | Masha Qrella im HAU: Eine leise Berliner Pop-Größe

Stand: 28.05.2025 08:17 Uhr

Masha Qrella macht schon seit über 20 Jahren Musik – erst mit einer Post-Rock-Band, seit Anfang der 2000er auch solo. Jetzt hat sie ihr neues Album "Songbook" im HAU vorgestellt und dabei gezeigt, wie vielseitig und feinfühlig sie covern kann. Von Bruno Dietel

Für Masha Qrella ist der Abend in mehrfacher Hinsicht ein Heimspiel, ein Nachhausekommen: Den Abschluss ihrer Tour zum neuen Album "Songbook" hat sie bewusst nach Berlin und ins Hebbel am Ufer (HAU) verlegt. Für dieses Haus hat sie 2016 ein Heiner-Müller-Gedicht vertont und 2019 Thomas-Brasch-Texte aufgeführt, aus denen später ihr gefeiertes Doppelalbum "Woanders" entstanden ist.
 
Trotzdem sei sie aufgeregt, gesteht Masha Qrella auf der Bühne des HAU1. Warum soll sie den Menschen auch etwas anderes vormachen? Wahrscheinlich kann und will sie es nicht: Qrella steht seit mehr als 20 Jahren auf der Bühne, hat dort die etwas verschüchterte und nervöse Art nie abgelegt, ihre Wort(witz)gewandheit blitzt in den Ansagen eher durch einzelne Worte und Nebensätze durch.

Mø (Karen Marie Aagaard Orsted Andersen) im Konzert (Quelle: dpa)
Erst ganz nah, dann plötzlich weg
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Disco der Innerlichkeit

Ihr Label hat Masha Qrellas Musik mal "Disco der Innerlichkeit" genannt, das bedeutet dann bei ihren Konzerten ein unprätentiöses, in sich gekehrtes Auftreten – in der Musik allerdings genau das Gegenteil: Ihre klare, durchdringende Stimme legt sich mit absoluter Leichtigkeit auf einfache Basslinien und sehr schlanke Drum-Rhythmen. Die Stimme ist eine der bekanntesten der Stadt, Masha Qrella eine leise, aber sehr gefragte Berliner Pop-Größe, ihre Songs wurden schon in den Soundtrack der Serie "Grey's Anatomy" aufgenommen.

Alexander Osang, Manfred Krug und die Frage nach der Ost-Identität

Erst seit 2019 singt Masha Qrella, geboren 1975 in Ost-Berlin als Mariana Kurella, auf Deutsch, ihr neues Album "Songbook" bringt Coverversionen und liegen gebliebene Auftragsarbeiten zusammen. Der Abend im HAU steht unter diesem Motto, gerade die deutschsprachigen Cover scheinen wie Puzzleteile für Qrellas kulturelle Prägung. Da ist "Wut und Glück", das auf einem Essay des Ost-Berliner Autoren Alexander Osang basiert, Qrella singt vom emotionalen Auf und Ab in der Beziehung zu ihrer Heimatstadt:
 
"Das Wesen dieser Stadt ist anscheinend, dass man ihr nicht entkommt. Berlin, dich muss man aushalten, auch wenn du spinnst."

Qrella hat damals sogar ihren Namen geändert, um nicht auf ihre Ost-Identität (und die Familiengeschichte rund um ihren Großvater, dem SED-Kulturfunktionär und Schriftsteller Alfred Kurella) reduziert zu werden. Mit den deutschsprachigen Liedern auf "Songbook" schreibt sie offenbar das fort, was sie mit ihrem Brasch-Doppelalbum "Woanders" begonnen hat, die Auseinandersetzung und Annäherung mit diesen Wurzeln.
 
Im HAU spielt sie auch ihre Version von Manfred Krugs "Um die weite Welt zu sehen" – geschrieben hat Krug das Lied nach seinem Weggang aus der DDR. Bei Masha Qrella endet Manfred Krugs Textvorlage von dem Mann, der vom Plan, eigentlich nur kurz Zigaretten zu holen nicht wiederkommt, in einem psychedelischen Noise-Gewitter, in das sie sich mit ihren beiden Band-Musikern Andreas Bonkowski (Bass/Elektronik/Percussion) und Andi Haberl (Schlagzeug) hineinsteigert.

Archivbild: Macy Gray am 7. November 2023 in Paris. (Quelle: Picture Allaince/Christophe Meng)
Halbes Publikum, volle Stimmung 
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Whitney Houstons Wirkung umgedreht

Qrella pendelt auf der Bühne zwischen Gitarre, Bass und Synthesizer, muss die Gitarre zwischendurch immer wieder stimmen – auf Tour sei viel kaputt gegangen, eben nicht nur ein Gitarrenverstärker, sondern auch was an der Gitarre selbst, erzählt sie beim eher mühevollen Versuch, gleichzeitig zu sprechen und zu stimmen.
 
Einige Songs spielt Masha Qrella das erste Mal nach weit über zehn Jahren wieder, hat inzwischen verstanden, dass "Feels Like" wohl die Großstadtdepression besingt – das Wort und das Gefühl hat sie erst kennengelernt, da war der Song schon lange draußen.
 
Auf "Songbook" hat sie sich auch an große englische Hits herangetraut, eine tanzbare Version von Whitney Houstons "I Wanna Dance With Somebody" versucht und ist daran nach eigener Aussage gnadenlos gescheitert. Zum Glück, denn sie gibt dem totgedudelten und überdrehten Houston-Klassiker eine vollkommen andere Energie. "I Wanna Dance With Somebody" wird bei Masha Qrella auch und erst recht live zu einem Song, der auf einmal viel besser nach innen als nach außen funktioniert, also quasi die ursprüngliche Wirkung umdreht.

Besonders intensiv, wenn sie auf Deutsch singt

Auch andere englische Songs covert sie mit sehr viel Feingefühl – "Talk To The Trees" des Jazz-Trompeters Chet Baker oder auch den Synth-Pop-2000er "Heart Failed" von Saint Etienne. Aber die intensivsten Momente im HAU sind bei Masha Qrella tatsächlich die, wenn sie auf Deutsch singt, das wirkt im Theater nochmal viel klarer.
 
Hier, wo sie Braschs Texte 2019 vertont hat, spielt sie gleich mehrere Songs aus dem dazugehörigen Album "Woanders". Und endet mit einer rührenden Ode einer Katzenmutter an ihre Jungen – "Nun lauft schon ihr Kleinen":
 
"Macht's besser und sucht Euch Begleiter fürs Leben
 
Verloren geht, wer alleine bleibt
 
Vermischt Euch in Freundschaft, sucht Liebe zum Leben
 
Verbindet die Wunden und zeigt Euren Schmerz."

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.05.2025, 7:55 Uhr