
Berlin Trifft der Boykott des Konzerthauses "Metropol" die AfD - oder die Musikszene selbst?
Der Berliner Musiker Zartmann stellte seine neue EP im Neuköllner "Huxleys" vor - statt im "Metropol" in Schöneberg. Grund: Dessen Besitzer soll laut Presseberichten ein AfD-Großspender sein. Doch treffen die Folgen den richtigen? Von L. Babst, N. Daiber und A. Kohlick
Eigentlich war die Release-Party von Zartmanns neuer EP im "Metropol" am Nollendorfplatz geplant. Der junge Berliner Musiker, spätestens seit seinem Nummer-1-Hit "Tau mich auf" für viele der Newcomer des Jahres, verlegte die Veranstaltung kurzfristig. Der Grund: Eine Recherche von "Spiegel" und "Standard", auf die sich der "Tagesspiegel" berief, identifizierte den Inhaber des "Metropol", den Immobilienunternehmer Henning Conle, als AfD Großspender. Ausgerechnet hier, in einem der wichtigsten queeren Bezirke der Welt. Nach den Medienberichten teilte Zartmann über Instagram mit, dass er nicht im "Metropol", sondern im Neuköllner "Huxleys" auftrete. In den sozialen Netzwerken erhielt er viel Zustimmung - aber auch Kritik. Denn wen trifft der Boykott am Ende?

Musiker Zartmann verlegte sein Konzert
Musiker:innen zeigen sich solidarisch mit Betreiber
Zu den Kritikern zählen die Musiker:innen von Kafvka und Drangsal., zwei Bands, die wahrlich keine Unterstützer der AfD sind. In ihrem Song "Alle hassen Nazis" singen Kafvka: "Halt die Fresse, wenn du meinst 'AfD ist schon okay'. Das ist 'ne Nazipartei, du weißt, was du da wählst".
Auf Instagram zeigen sie sich solidarisch mit den Betreibern des Konzerthauses und schreiben: "Der AfD-Typ ist der Besitzer der Immobilie, die Betreiber des "Metropol" haben nichts mit der AfD zu tun." Weder Zartmann noch die anderen Musiker:innen wollten gegenüber dem rbb dazu Stellung nehmen.

Auf Zartmanns Absage ans Metropol folgten weitere
Thomas Spindler, Geschäftsführer des "Metropol", zeigt Verständnis für Zartmanns Haltung, stellt aber klar, dass der Boykott die Falschen treffe: "Ich glaube, dieser Laden steht für alles – aber ganz sicher nicht das, wofür die AfD steht. Wir wären der erste Ort, den die AfD zumachen würde." Den Mietvertrag habe man über eine Hausverwaltung abgeschlossen – persönlichen Kontakt zu Conle habe es nie gegeben. Eine rbb-Anfrage an Henning Conle blieb unbeantwortet.

Spindler: "Wir haben viele Partys verloren"
Nach den Berichten und dem Post von Zartmann schlossen sich weitere Künstler:innen dem Boykott an, zahlreiche Veranstaltungsabsagen folgten. "Wir haben viele Partys verloren, die super wichtig sind und wir brauchen unbedingt Events. Ohne das können wir nicht überleben", sagt Thomas Spindler. Für ihn ist das "Metropol" weit mehr als ein Ort für Konzerte. Er verbindet viele Erinnerungen damit: "Ich wollte zehn Jahre lang das "Metropol" haben, weil ich den Laden wirklich liebe. Ich bin hier groß geworden. Ich habe hier alle meine Helden gesehen."

Bewegte Geschichte des Berliner "Metropol"
Das heutige "Metropol" blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. 1906 öffnete es als "Neues Schauspielhaus" mit Theater- und Konzertsaal seine Pforten. Die nächsten 120 Jahre fand sich hier alles wieder, was die Berliner Kulturszene zu bieten hat: Theater, Konzerte, Disko, sogar Pornokinos. In den 1970er-Jahren wurde das Gebäude als Kirche der "Jesus People", einer freikirchlichen Hippie-Gemeinde, genutzt. Pop-Stars wie Depeche Mode und Miley Cyrus spielten hier jeweils ihr erstes Berlin-Konzert, auch Größen wie David Bowie und U2 füllten schon die Säle des "Metropol". Kurz war hier sogar der KitKatClub ansässig.
Bürgermeister von Schöneberg: Betreiber des "Metropol" nicht in Sippenhaft nehmen
Bis heute stehe das "Metropol" für Vielfalt und habe eine Strahlkraft über die Bezirksgrenzen hinaus, sagt Jörn Oltmann, Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg. Es sei wichtig, die Betreiber des "Metropol" nicht in Sippenhaft zu nehmen, sagt der Grünen-Politiker: "Wo kommen wir denn hin, wenn der Vermieter gleichgesetzt wird mit dem Mieter? Es muss uns doch darum gehen, dass der Betreiber für andere Werte steht." Das sei ein zentraler Punkt, zumal Kulturorte und Clubs von steigenden Mieten bedroht werden und schließen müssen.

Klaus Lederer: "Keine homogene weiße Kultur"
Auch Klaus Lederer, bis 2024 bei den Linken, der 2019 als Kultur-Senator die Wiedereröffnung des "Metropol" begleitet hat, stellt sich hinter den Club: "Das ist keine homogene, weiße Kultur, keine Volkskultur, die die Nazis so schnell herbei halluzinieren. Das ist ein bunter Mix aus unterschiedlichsten Einflüssen. Das macht Berlin aus - und deswegen muss es solche Orte geben."
Am Ende bleibt also die Frage, ob die Berliner Musikszene sich nicht selbst schadet, wenn sie die Schöneberger Traditions-Location boykottiert, um Flagge gegen die AfD zu zeigen. Oder wie es der Musiker Tristan Brusch auf Social Media schreibt: "Das hier ist mal wieder ein typisches Beispiel dafür, wie wir Linken uns gegenseitig zerfleischen und der gerechte Zorn am Ende die Falschen trifft."
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.04.2025, 18:50 Uhr