Berlin U-Ausschuss zu rechtsextremer Anschlagsserie: Leitender Oberstaatsanwalt sieht keine Ermittlungsfehler
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur jahrelangen Anschlagsserie geht langsam auf die Zielgerade. Zu Beginn des letzten großen Ermittlungskomplexes zeigte sich ein Behördenleiter selbstbewusst, eine Zeugin frustrierte die Opposition. Von Sabine Müller
Autos brannten, die Opfer in Neukölln lebten jahrelang in Angst - und zwei Neonazis wurden schließlich doch noch verurteilt, auch wenn das Urteil noch nicht rechtkräftig ist. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sich zusätzlich ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses mit der Frage, ob die Sicherheitsbehörden genug getan haben, um die Anschläge zu verhindern und aufzuklären.
Unter anderem wurden Betroffene der Anschläge befragt, außerdem Zeuginnen und Zeugen von Polizei und Verfassungsschutz. Als letzter großer Punkt wird jetzt noch die Arbeit der Staatsanwaltschaft unter die Lupe genommen. Am ersten Befragungstag waren dazu drei Gäste geladen, der hochrangigste: Jörg Raupach, seit 2017 leitender Oberstaatsanwalt in Berlin. Er machte klar, dass er keine Fehler seiner Behörde bei der Aufklärungsarbeit sieht.
Behördenleiter will nie Kritik gehört haben
Er habe keinen Anlass zur Vermutung, dass Spuren nicht nachgegangen worden sei, sagte Raupach. Er versicherte, es sei nie grundsätzliche Kritik an der Arbeit seiner Behörde an ihn herangetragen worden, auch nicht von der Polizei. LKA-Zeugen hatten im Ausschuss allerdings darüber geklagt, die Staatsanwaltschaft habe die Neuköllner Taten zu lange nicht als Serie eingestuft und gebündelt behandelt – und außerdem zum Beispiel Anfragen der Polizei für Observierungen zu langsam bearbeitet. Raupach betonte, er glaube nicht, dass seine Behörde "mehr Erkenntnisse hätte gewinnen können oder müssen", wenn verschiedene Fälle nicht auf verschiedene Dezernenten verteilt gewesen wären.
Allerdings erteilte er zu einem späteren Zeitpunkt selbst die Anweisung, die Taten gebündelt von einem Dezernenten bearbeiten zu lassen. 2020 übernahm die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen zu der Anschlagsserie auf Politiker und Bürgerinnen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Der Serie werden mindestens 72 Straftaten zugeordnet, darunter 27 Brandanschläge. Mitte Dezember hatte das Berliner Landgericht zwei Neonazis unter anderem wegen zwei dieser Brandanschläge zu mehreren Jahren Haft verurteilt.
Verdacht auf Neonazi-Sympathisanten wurde nicht weitergegeben
Ein Versäumnis räumte der Leiter der Berliner Staatsanwaltschaft ein. Als wegen eines abgehörten Chats der Verdacht aufkam, der Leiter der Abteilung Staatsschutzdelikte sympathisiere mit Neonazis, wurde das vom bearbeitenden Dezernenten nicht an die Behördenleitung weitergegeben. Es kam mehr oder weniger nur durch Zufall ans Licht. Laut Jörg Raupach gibt es keine Erkenntnisse, dass an dem Verdacht etwas dran war. Der Abteilungsleiter wurde allerdings auf einen anderen Posten geschoben.
Abgeordnete von Linken und Grünen zogen nach den ersten Befragungen ein recht ernüchtertes Fazit. Nach Ansicht von Niklas Schrader (Linke) hat die Staatsanwaltschaft oft keinen großen Ermittlungseifer an den Tag gelegt. André Schulze von den Grünen kritisierte, die Staatsanwaltschaft habe sich zu sehr auf die Arbeit der Polizei verlassen und ambitionslos agiert.
Staatsanwältin waren Hintergründe der Taten egal
Die erste Zeugin, Staatsanwältin Sabine Eppert, hatte unter anderem gesagt, ob Neonazis oder ein ganzes rechtsextremes Netzwerk hinter den Anschlägen gestanden hätten, habe für sie bei den Ermittlungen keine Rolle gespielt. "Solange ich ein Verfahren gegen unbekannt habe, ist mir das – auf gut deutsch gesagt – erstmal egal", erklärte Eppert. Sie habe sich nur auf die einzelnen Tatbestände fokussiert. "Soll ich jetzt bei jedem Menschen in Neukölln, der der rechten Szene angehört, klingeln und fragen, ob er der Täter ist?", hielt Eppert den Abgeordneten vor.
Nach ihrer Einschätzung wäre es Aufgabe des LKA gewesen, Zusammenhänge zwischen einzelnen Vorfällen zu erkennen und darauf hinzuweisen.
Die Befragung von Zeuginnen und Zeugen der Staatsanwaltschaft ist der letzte große Ermittlungskomplex des Untersuchungsausschusses. Ab dem Sommer wird dann am Abschlussbericht gearbeitet, den das Parlament 2026 beschließen soll.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.01.2025, 19:00 Uhr