Berlin Amerikanische Autorin in Berlin: "Als Mensch und Bürgerin der USA bin ich zutiefst enttäuscht"
Ansprüche auf Grönland, massenhafte Abschiebungen: Schon vor seiner Vereidigung als US-Präsident hat Donald Trump radikale Pläne formuliert. Die Berliner Autorin Syd Altas, gebürtig aus New York, hofft, dass die Demokraten in den USA gegenhalten.
Der Republikaner Donald Trump wird am Montag als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Der 78-jährige Trump löst den Demokraten Joe Biden ab und tritt seine zweite Amtszeit als US-Präsident an. Die Zeremonie startet um 17:30 Uhr (MEZ) im Kapitol. Nach der Vereidigung hält Trump seine Antrittsrede. Er hat bereits angekündigt, unmittelbar nach seiner Amtseinführung eine "Rekordzahl" von Dekreten unterzeichnen zu wollen. So plant er unter anderem, zahlreiche Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis abschieben zu lassen. Trump hat auch Gebietsansprüche auf Grönland, Kanada und den Panamakanal angemeldet.
Die geborene New Yorkerin Syd Atlas lebt seit Mitte der 1990er Jahre in Berlin. Als bekennende Anhängerin der demokratischen Partei in den USA schildert sie ihre Sicht auf den Machtwechsel.
rbb: Am Montag wird Donald Trump zum zweiten Mal als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Wie geht es Ihnen damit?
Syd Atlas: Nicht sehr gut. Ich glaubte wie viele andere Leute auch, dass das auf gar keinen Fall passieren würde. Dass er nun tatsächlich zum zweiten Mal Präsident wird und es keine Konsequenzen für seine Kriminalität gibt, ist eine Schande.
Sind Sie als mehr Mensch betroffen oder als Demokratin?
Bevor ich Demokratin bin, bin ich Mensch – und zwar ein sehr optimistischer Mensch. Ich glaubte immer daran, dass das Gute gewinnt. Und bei dieser Wahl war ich überzeugt, wenn die Leute nach ihrem Bauch- oder Herzgefühl wählen, wird Kamala Harris hundertprozentig gewinnen. Als Demokratin bin ich natürlich enttäuscht. Aber als Mensch und Bürgerin der USA bin ich zutiefst enttäuscht. Dass eben das Gute nicht immer siegt und manchmal die Bösen gewinnen. Mit Trump, Musk und all den bösen Figuren ist es wie in einer "Star Wars"-Episode und wir brauchen einen Luke Skywalker, weil wir gerade nicht gewinnen können.
Wie ist die Gefühllage bei den Demokraten?
In erster Linie sind alle erschöpft. Alles, was ich gelesen oder gehört habe, war: Passt auf euch auf, findet wieder Freude und hört keine Nachrichten. Meine Strategie ist, auf meine körperliche und mentale Gesundheit zu achten und meine Freundschaften zu stärken. Ich finde, wenn man kreiert, ist man lebendig. Und ich versuche, ganz gezielt etwas Gutes zu tun und irgendwo freiwillig zu arbeiten. Das ist erstmal mein Plan. Ich weiß noch nicht, wie involviert ich künftig bei den Demokraten in die USA sein möchte, ob ich alle meine Energie da reinstecke oder ich universeller etwas Gutes in der Welt tun will.
Haben Sie sich nach der Wahl innerlich von den Demokraten distanziert?
Ich bin unsicher, ob politisch zu sein für mich noch der richtige Weg ist. Aktuell bin ich tief erschüttert. Das erste Mal, als Trump Präsident geworden ist, war eine Überraschung. Zum zweiten Mal ist es keine. Ohne esoterisch zu klingen, kann man sagen: Es gibt eine böse Kraft. Es gibt wirklich Menschen, die etwas Ungutes tun möchten.
Waren Sie 2016 auch so verzweifelt, als Trump das erste Mal ins Weiße Haus eingezogen ist?
Ich war verzweifelt, überrascht. Aber alle dachten zu dem Zeitpunkt, dass er das nur wollte, weil er ein Entertainer und Geschäftsmann ist. Und er hatte damals Leute in seinem Kabinett, die das Richtige gemacht haben. Die sind nun alle weg. Jetzt ist ganz klar: Er hat nicht nur die Absicht, Präsident zu sein, sondern will Institutionen und Systeme zerstören, die für die Demokratie stehen.
Sehen Sie eine Zukunft für die Demokraten in den USA?
Ja, ich sehe eine Zukunft. Ich weiß nicht, wie die nächsten vier Jahre werden, aber ich glaube, dass die Demokratie dann noch steht. Meine Hoffnung ist, dass die Langsamkeit der Regierung und alle diese Gesetzesänderungen einfach zu lange dauern, als dass Trump und seine Leute alles auf einmal kaputt machen können. In zwei Jahren, wenn die Midterm-Wahlen sind, haben wir als Demokraten wieder eine Möglichkeit, aktiver teilzunehmen, Sachen zu blocken und vielleicht irgendetwas zu tun. Es gibt ganz tolle Demokraten, junge, interessante und intelligente Leute. Aber wir Demokraten müssen uns tatsächlich fragen, warum sich die Arbeiterklasse von uns entfernt hat.
Trump schafft das ja. Er hat eine Verbindung zur Arbeiterklasse, stammt aus privilegierten Elitekreisen...
... Ja, das liegt irgendwie an der Art und Weise, wie Trump redet. Das kommt an. Und die Demokraten kommen nicht an. Die werden sehr oft als Elite und Intellektuelle bezeichnet. Und intellektuell bedeutet für manche Leute etwas Schlimmes. Wenn Menschen intelligente Sätze sagen und komplexe Ideen haben, bedeutet das für manche, die sind Elite. Das ist natürlich Blödsinn, aber so sind die Demokraten jetzt gerade abgestempelt.
Was können die Demokraten dagegen tun?
Sie müssen einen Weg finden, direkter mit den Menschen zu sprechen. Allgemein sollten Politiker in der ganzen Welt einen Weg finden, direkt mit Menschen zu sprechen, denn anscheinend klappt das in letzter Zeit nicht. Ein ganz normaler Mensch, der nicht politisch ist, hört nicht auf die Politiker und sagt sich: Die sprechen uns nicht an. Da muss man sich die Frage stellen, warum das so ist und was man dagegen tun kann. Stattdessen sind es die Rechten und Populisten wie Donald Trump und Alice Weidel, von denen sich die Leute angesprochen fühlen.
Was machen die Populisten anders?
Die machen alles so einfach. Die Welt ist aber leider nicht einfach, sondern komplex. Es gibt nicht nur einen Weg und schwarz-weiß. Denn wenn alles schwarz-weiß ist, dann ist das auf gar keinen Fall eine Demokratie. Aber die Weidels oder Trumps unserer Welt versuchen irgendwie, ganz einfache Antworten auf alles zu finden.
In welchen Themenfeldern müssten sich die Demokraten stärker profilieren?
Die Demokraten müssen wieder für einen großen Gedanken stehen. Früher war the big idea: Wir sind für den Frieden, wir sind für die Arbeiter. Jetzt gibt es aber zu viele Themen.
Wie könnte die große demokratische Idee aussehen?
Ich weiß es nicht. Aber wir müssen einen Weg finden, junge Männer zu erreichen, denn die sind eine entscheidende Gruppe. Sie haben aktuell keinen Platz in die Gesellschaft. Die Zeiten, in denen Männer allein das Wort und Recht hatten, sind vorbei. Und genau diese Zeiten, in denen Frauen in der Küchen arbeiten, wollen die Republikaner in den USA wieder. Junge Männer brauchen das Gefühl, dass sie zu unserer Gesellschaft gehören. Diese Gruppe darf man nicht vergessen. Und die waren alle für Trump.
Bei Wahlen hängt viel an der Person. Wer von den Demokraten könnte es denn künftig mit einem Trump aufnehmen?
Die USA sind leider noch nicht bereit für eine Frau – und erst recht nicht für eine Frau, die nicht weiß ist. Ich dachte, wir sind so weit, aber wir sind nicht sehr weit. Es gibt so viele multikulturelle Gruppen in den USA, die nicht glauben, dass Frauen auf Augenhöhe sind. Ich glaube nicht, dass unsere nächste Kandidatin eine Frau sein kann – leider. Das ist brutal.
Was bedeutet das für die kommende US-Wahl?
Wir sind mit Trump in einer echten Ausnahmesituation. Aber für die nächste Wahl brauchen wir jemand Gutes und es gibt so viele Gute: Cory Brooker aus New Jersey, Josh Shapiro aus Pennsylvania oder Wes Moore aus Maryland. Da ist eine ganze Gruppe intelligenter Menschen, die gut kommunizieren können. Es ist aber schwierig, Demokrat zu sein, weil ein Teil sehr liberal und ein Teil eher konservativ ist und man muss alles so ein bisschen bedienen. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir ein bisschen mehr in die Mitte sein, damit man mehr Wähler gewinnen kann. Die Republikaner schaffen das immer irgendwie. Sie haben das Extreme und das Konservative, aber normale Republikaner verschwinden.
Bei der nächsten Präsidentschaftswahl müssen wir strategisch vorgehen. Wir schauen, wie wir gewinnen können. Wir brauchen einen Mann und müssen aber darauf achten, aus welchem Bundesstaat er kommt, damit er Wähler mitbringt.
Werden die Demokraten den Weg zurück ins Weiße Haus finden?
Ich bin Optimistin und ich habe immer Hoffnung. Ich muss daran glauben, dass wir einen Weg finden, wieder Präsident zu werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Trump wieder gerade ein riesiges Desaster baut. Das gibt uns Hoffnung. Aber das Problem ist auch, dass die Leute Sachen vergessen und sich nicht erinnern. Gerade jetzt ist die Wirtschaft die USA sehr stark und das hält noch ein bisschen an. Vielleicht glauben die Leute später, das hatte mit Trump zu.
Was heißt es für Sie, Demokratin zu sein?
Ein Demokrat steht für Demokratie und für die Idee, dass Vielfalt unserer Demokratie hilft. Eine Vielfalt an Geschlechtern, unterschiedlichen Hintergründen und Meinungen macht uns stärker. Demokraten sind nicht nur gegen Republikaner. Wir müssen für etwas stehen und zurück zu unseren Werten.
Mit Syd Atlas sprach Annette Miersch für rbb24 Inforadio. Hierbei handelt es sich um eine redigierte und gekürzte Version des Gesprächs.