Blick auf ein Regal in einem Bio-Supermarkt, im Hintergrund fahren ein Mann und ein Kind mit Einkaufswagen (Quelle: dpa/Markus Scholz).

Berlin Brandenburg Werden Bio-Lebensmittel immer billiger?

Stand: 20.01.2025 06:13 Uhr

In einigen Supermärkten sind Bio-Produkte derzeit günstiger als Lebensmittel aus konventioneller Produktion. Wie kann das sein? Von Sören Hinze

Preise vergleichen lohnt sich, nicht nur für den Geldbeutel: Denn an den Preisen im Supermarkt lassen sich auch wirtschaftliche Zusammenhänge ablesen. Wer seinen Einkaufswagen aufmerksam füllt, hat vielleicht schon bemerkt, dass manche Bio-Produkte aktuell genauso viel kosten wie konventionell hergestellte Produkte. Experten sprechen von einer Preisschere, die sich in den letzten Jahren aber zunehmend verengt.

Ein Landwirt erntet am 24.06.2024 mit seinem Mähdrescher Gerste auf einem Feld in Ostbrandenburg (Luftaufnahme mit einer Drohne). (Quelle: dpa-Bildfunk/Patrick Pleul )
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Hohe Gaspreise machen Dünger teuer

"Das ist beispielsweise bei Nudeln, Tomaten, Äpfeln, Bananen, Möhren und einigen Milchprodukten der Fall", sagt Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) mit Sitz in Berlin. Er nennt zwei Gründe für die ungewöhnliche Preisentwicklung.
 
Durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine sind die Energiekosten gestiegen. Das führt zu höheren Preisen von synthetischen Düngern. Denn um beispielsweise Stickstoffdünger herzustellen, braucht die Industrie viel fossile Energie. "Für ein Kilogramm synthetischen Stickstoff, braucht es drei bis fünf Kilogramm Erdöläquivalent", sagt Röhrig gegenüber dem rbb. Auch der direkte Import von fertigem Kunstdünger aus Russland konnte die Mehrkosten offensichtlich nicht signifikant senken.

"Bio-Landwirtschaft macht unabhängiger"

Die Bio-Landwirtschaft spart sich diese Kosten. Hier wird mit Kreislaufsystemen angebaut. "Die Bio-Bauern bauen Pflanzen an, die den Stickstoff eigenständig aus der Luft holen, in den Boden bringen und dadurch ihre Ernten sichern. Insofern macht Bio-Landwirtschaft auch unabhängiger", so Röhrig. Grund für die Preisstabilität von Bio-Produkten sei aber nicht nur die Weltwirtschaft.
 
Die Lebensmittelindustrie und Einzelhandelsketten schließen Verträge mit den Erzeugern. "Bäuerinnen und Bauern haben im Bio-Bereich häufig länger laufende Verträge mit ihren Abnehmern", so Röhrig. Teilweise laufen diese über mehrere Jahre. Dadurch können Supermärkte den Preis ihrer Bio-Eigenmarken stabil halten.

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Viel Bio-Acker in Brandenburg

Der Deutsche Bauernverband bestätigt, dass aktuell in der Regel Handelsmarken von Supermarktketten günstiger sind als Produkte der großen Lebensmittelmarken. Die Anbauflächen für biologische Landwirtschaft wachsen Jahr für Jahr. Ganz weit vorne ist Brandenburg: Nur das Saarland hat im Durchschnitt mehr ökologisch bewirtschaftete Flächen.
 
Die Ampel-Regierung hat einen Anteil von 30 Prozent Bio-Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 angestrebt. Ob dieses Ziel nach der kommenden Bundestagswahl im Februar 2025 weiterverfolgt wird, ist offen. Doch es gibt weiterhin Produkte, die mit dem Bio-Siegel wesentlich teurer sind.

Warum ist Bio-Fleisch weiterhin teuer?

Bio-Fleisch ist weiterhin oft mehrere Euro teurer als Fleisch ohne das Bio-Siegel. Das ist ganz normal, weil die tierische Erzeugung aufgrund der Bio-Regeln besonders kostenintensiv ist: Schweine, Hühner und anderes Vieh brauchen mehr Stallflächen und Freiluftauslaufflächen, um später als Bio-Fleisch verkauft zu werden. Außerdem, so der Deutsche Bauernverband, kostet der zusätzliche Weidegang in der Vegetationsphase bei Rindern, Schafen und Ziegen - und das nötige Öko-Futter ist teuer.
 
Preiswertes Eiweißfutter, mit künstlich hergestellten Aminosäuren, sind im Öko-Landbau nicht zulässig. Denn auch das Futter muss biologisch erzeugt sein, also ohne chemisch-synthetische Pestizide angebaut werden.

Warum ist Bio-Fleisch weiterhin teuer?

Trotz hoher Preise wirbt Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft für biologisch erzeugtes Fleisch: Ein Bio-Betrieb halte nur so viele Tiere, wie seine Böden vertragen. Die Kapazitäten werden genau berechnet, kontrolliert und der Dung entsprechend auf die Felder verteilt. "Das erspart uns irre Folgekosten", sagt Röhrig, "Pestizid- und Düngerrückstände aus dem Grundwasser zu reinigen, das bezahlen wir alle".
 
Per se sind Bio-Lebensmittel nicht inflationsstabiler. Sie blieben bloß von einigen Kostensprüngen der vergangenen Jahre verschont. Weil die Produktion für konventionelle Bauern teurer wurde, sind aktuell die Preise von Bio-Lebensmitteln ähnlich.

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Deutsche kaufen immer mehr Bio-Lebensmittel

Darin sieht Röhrig, als Vertreter der Biologischen Landwirtschaft, eine positive Entwicklung: "Wir beobachten, dass in den vergangenen Monaten die Konsumentinnen und Konsumenten wieder stärker zu Bio-Lebensmitteln greifen und sich so daran beteiligen, unser Ernährungssystem weiter umzubauen". Diesen Trend bestätigt auch der Deutsche Bauernverband in seinem Situationsbericht 24/25.
 
Nach einer leichten Ausgabendelle 2022 hat der Bio-Markt wieder Fahrt aufgenommen: 2023 haben die Deutschen rund 16 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel ausgeben. Das ist ein Zuwachs von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. In seinem Situationsbericht rechnet der Deutsche Bauernverband mit einem weiteren Zuwachs. Der Handelsreport Lebensmittel bestätigt, was viele im Alltag beobachten: Für zwei von drei Verbrauchenden ist das Preis-Leistungsverhältnis das wichtigste Kaufkriterium. Preiswerte Bio-Eigenmarken steigern also den Absatz von Bio-Produkten.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 18.01.2025, 19:30 Uhr