Eine Polizeibeamtin wendet bei einem Klimaaktivisten einen Schmerzgriff an (Archivbild: 28.10.2023).

Verwaltungsgericht Berlin Polizei ging zu hart gegen Klimaaktivisten vor

Stand: 20.03.2025 17:47 Uhr

Bei einer Aktion der "Letzten Generation" vor knapp zwei Jahren ist die Berliner Polizei hart gegen Aktivisten vorgegangen - zu hart, wie ein Gericht jetzt urteilt. Der Einsatz von Schmerzgriffen war rechtswidrig.

Die Berliner Polizei hat bei einem Klima-Aktivisten zu Unrecht die Nervendrucktechniken sowie den sogenannten Schmerzgriff angewandt. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am Donnerstag entschieden (VG 1 K 281/23).
 
In der konkreten Situation sei das Verhalten der Einsatzkräfte unverhältnismäßig gewesen, begründete der Vorsitzende Richter Wilfried Peters. Zugleich betonte das Gericht, dass es "keinen Zweifel" daran habe, dass die Anwendung eines "Schmerzgriffes" zulässig sein könnte. Aus Sicht der Richter ist dies von der konkreten Situation abhängig.
 
Hier sei der Einsatz nicht erforderlich gewesen, weil die Polizeikräfte den Kläger von der Fahrbahn hätten wegtragen können. "Zum Zeitpunkt des Entfernens des Klägers hätten sich nur noch wenige Personen auf der Fahrbahn befunden und es hätten ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden", teilte das Gericht schriftlich mit. Außerdem - so das Verwaltungsgericht - hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger sich aktiv gegen das Wegtragen wehren würde.
 
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

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Die Polizei selbst spricht von einem "Festhalte- und Transportgriff". Er wird beispielsweise eingesetzt, wenn Demonstranten trotz Aufforderung einen Platz nicht verlassen. Das war im aktuellen Fall so.

Sitzblockade nach Auflösung der Demo

Der 21-jährige Kläger hatte sich am 20. April 2023 an einer Sitzblockade der Klimagruppe "Letzte Generation" beteiligt. Die Polizei hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Protestmarsches der Gruppe "Letzte Generation" auf der Straße des 17. Juli aufgefordert, sich auf den Bürgersteig zu begeben. Als die Demonstranten das nicht taten, wurde die Versammlung aufgelöst. Einige Teilnehmer - darunter der Kläger - setzten sich im Schneidersitz auf die Straße. Polizisten schritten daraufhin ein und hoben ihn von der Straße.
 
Der Kläger argumentierte, dass der Einsatz von "Schmerzgriffen" auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße - konkret sehe er einen Verstoß gegen das Folterverbot aus Artikel 1 der UN-Antifolterkonvention.

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Ermittlungen gegen Beamte eingestellt

Das Einschreiten der Polizei wurde damals vom MDR gefilmt und veröffentlicht [ardmediathek.de]. Die Berliner Polizei ermittelte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gegen Einsatzkräfte.
 
Wie die Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage mitteilte, wurde das Verfahren inzwischen eingestellt. "Den Beschuldigten konnte nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass sie bei dem Einsatz unverhältnismäßige Gewalt angewendet haben", sagte ein Behördensprecher. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ändert daran nichts.
 
Die Protestgruppe "Letzte Generation" hatte sich erst kürzlich in "Neue Generation" umbenannt. Sie will sich nach eigenen Angaben neben Klimaschutz auch für Demokratie einsetzen.

Sendung: rbb 88.8, 20.03.2025, 14:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb 88.8 am 20. März 2025 um 14:00 Uhr.