
Brandenburg Berlin 50. Jubiläum: Wie die DDR-Erfolgsband Karat auch im Westen glänzen konnte - Konzert im Waschhaus Potsdam
Sie sind eine der erfolgreichsten deutschen Rockbands und waren schon zu DDR-Zeiten so gefragt, dass sie regelmäßig im Westen touren durften: Karat feiern 50-jähriges Bandjubiläum. Bruno Dietel über die wechselvolle Geschichte der wohl bekanntesten ostdeutschen Band.
21. Februar 1975, Kulturhaus "Otto Buchwitz" in Heidenau bei Dresden: Eine Kombo mit dem Namen "Karat" steht das erste Mal auf der Bühne. Es sind überwiegend Jazzmusiker, die sich da zusammengetan haben. Sie kennen sich aus dem vorherigen Projekt "Panta Rhei" in Berlin. Die ersten Probenphasen finden in einer Mühle im Elbsandsteingebirge statt. Die ersten Songs werden schon im Januar 1975 beim Rundfunk der DDR aufgenommen.
1976 wird Bernd Römer Gitarrist bei Karat und ist es bis heute. 1977 dürfen Karat zum ersten Mal im Westen spielen, bei einem Pressefest der West-Berliner SED in der "Neuen Welt" (heute Huxleys) in der Neuköllner Hasenheide. Im gleichen Jahr wird Herbert Dreilich fester Sänger der Band. Seine Stimme wird über Jahrzehnte stilprägend sein für die wohl erfolgreichste ostdeutsche Rockband.
4.000 Westmark Honorar für "Über sieben Brücken musst du geh'n"
Als das DDR-Fernsehen 1977 eine Band für den Titelsong zum Film "Über sieben Brücken musst du gehen" sucht, setzt sich Karat-Keyboarder Ed Swillms an die Komposition: Er soll 14 Tage auf das Drehbuch gestarrt haben, ohne die entscheidende Idee zu bekommen. Als Honorar für den Titelsong handelt Swillms 4.000 Westmark aus.
Der Film ist eine Liebesgeschichte, die in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze spielt. Es geht um die Beziehung zwischen der deutschen Chemielaborantin Gitta und dem polnischen Bauarbeiter Jerzy. Doch als sich in Polen nach dem Papstbesuch 1979 mit der Solidarność eine Bewegung entwickelt, die immer mehr Menschen gegen die kommunistische Führung mobilisiert, wird der Film in der DDR verboten.
Der Titelsong zu "Über sieben Brücken musst du gehen" aber entwickelt sich zum erfolgreichen Hit - nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD. Herbert Dreilich erzählt bei Antenne Brandenburg vom rbb über die Entstehung: "Meine Kollegen wollten es erst auch gar nicht spielen und haben gesagt: Nein, so eine Pferdeleiche will keine Sau hören. Und auch die Aufnahme ist ziemlich schlecht gewesen und ist ja immer noch schlecht: Im Ü-Wagen [des DDR-Fernsehens in Berlin-Grünau, Anm. d. Red.] mit einer 8-Spur-Maschine zwischen Tür und Angel."
Waldbühne und "Wetten, dass..?": Für andere Ost-Bands undenkbar
Als erste DDR-Band dürfen Karat ihre Platten in Ost und West herausbringen. Für die DDR bedeutet Karats Erfolg vor allem wertvolle Devisen, denn 80 Prozent der Einnahmen sollen in die Staatskasse geflossen sein. 1982 spielen Karat im Rahmen ihrer Tour zum Album "Der blaue Planet" ein ausverkauftes Konzert in der West-Berliner Waldbühne und dürfen als erste und einzige DDR-Band bei "Wetten, dass..?" auftreten - mit ihrem auch in der BRD erfolgreichen Song "Jede Stunde".
Peter Maffay und der deutsch-deutsche Glücksfall
Bei einem Konzert Anfang der 80er Jahre in Wiesbaden steht ein gewisser Peter Maffay an der Bühne und fragt Karat, ob er eine eigene Version von "Über sieben Brücken musst du geh'n" aufnehmen darf - auch sein Cover wird ein Hit. Für Karat und Sänger Herbert Dreilich ein Glücksfall, denn noch vor der Wende wird der Song zu einer deutsch-deutschen Hymne. Erst nach der Wiedervereinigung können Karat und Maffay den Song auch gemeinsam live spielen, beispielsweise zum 25-jährigen Jubiläumskonzert von Karat in der Berliner Wuhlheide oder zum 10. Tag der deutschen Einheit 2000 in Berlin.
Nach 15 Jahren Bandgeschichte zerbricht das politische System, in dem Karat aufgewachsen und vor allem erfolgreich geworden sind. Die entscheidende Schabowski-Pressekonferenz verfolgen sie auf einem kleinen russischen Fernseher in einem Studio in der Berliner Brunnenstraße. Nach der friedlichen Revolution haben nicht nur sie, sondern auch viele andere erfolgreiche DDR-Bands in den folgenden Jahren Probleme, Konzerte zu füllen. Die Menschen wollen jetzt erstmal jede Menge Westmusik hören.

Karat Band
Das Erbe des Herbert Dreilich
2004 müssen Karat bekanntgeben, dass ihr jahrzehntelange Sänger Herbert Dreilich Leberkrebs hat. Die Diagnose ist "ein großer Schock". Noch im gleichen Jahr stirbt er, nur wenige Tage nach seinem 62. Geburtstag. Das 30. Bühnenjubiläum der Band erlebt er nicht mehr mit. Die Band braucht einen neuen Sänger, bei Dreilichs Sohn Claudius klingelt das Handy. Er zögert zunächst, hat vorher jahrelang erfolgreich in Moskau als Manager eines schwedischen Möbelhauses gearbeitet. Doch er entscheidet sich dann, das Erbe seines Vaters anzutreten: Claudius Dreilich nennt es "die größte Herausforderung" seines Lebens.
Aus Karat wird "K…!"
Nach dem Tod von Herbert Dreilich kommt es zu einem fast schon unwürdigen Namensstreit. Karat müssen sich ab 2006 "K…!" nennen. Ohne Wissen seiner Bandkollegen hat sich Herbert Dreilich den Bandnamen 1998 schützen lassen, nach seinem Tod untersagt seine Witwe Susanne der Band die Weiternutzung mit der Argumentation, dass die Rechte an der Marke Karat ihr allein zustehen. Die Sache geht vor Gericht, im Juni 2007 bekommen die Musiker im Streit mit der Dreilich-Witwe Recht und können sich fortan wieder Karat nennen.
Über die Jahre gibt es bei Karat immer wieder Umbesetzungen und Austritte: Zuletzt sind 2023 Heiko Jung als Schlagzeuger und Daniel Bätge als Bassist dazugekommen. Aus der Gründungsphase ist nur noch Gitarrist Bernd Römer Teil von Karat. Er feiert im kommenden Jahr seine 50-jährige Bandmitgliedschaft.
In diesem Jahr - nach 5.000 Konzerten und insgesamt 20 Millionen verkauften Tonträgern - haben Karat ihr neues Album "Hohe Himmel" veröffentlicht, aufgenommen wie vor 30 oder 40 Jahren: Weitestgehend analog, ohne digitale Instrumente - laut Sänger Claudius Dreilich aufwendig, aber sehr nah am Klangbild der 80er-Jahre.