Ein Airbus A319 (Registrierung D-AGWF) der Fluggesellschaft Eurowings fliegt am 13.05.2024 vom Flughafen Berlin Brandenburg (BER) kommend nahe Waltersdorf nach dem Start die sogenannte Hoffmannkurve. (Quelle: Picture Alliance/Soeren Stache)

Brandenburg Berlin BER-Flugroute "Hoffmannkurve" wird angepasst - Nachbargemeinden fürchten mehr Fluglärm

Stand: 24.01.2025 17:41 Uhr

Der BER bekommt ein neues Navigationssystem. Dabei wird die "Hoffmannkurve" angepasst. Sie soll den Fluglärm in den südöstlichen Nachbargemeinden minimieren. Das Gegenteil könnte jetzt aber eintreten. Von A. Goligowski und P. Rother

Der Ärger um seinen Fluglärm ist älter als der BER selbst. Nun gehen die Diskussionen in die nächste Runde. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Der BER bekommt ein neues, satellitengestütztes Navigationssystem für den Flugverkehr. Damit sollen die Routen genauer eingehalten werden und die Emissionen verringert.
 
Die Neuerung wird aber auch Auswirkungen auf die "Hoffmannkurve" haben. Es handelt sich dabei um eine Flugroute, besser gesagt um ein Flugmanöver, das dafür sorgt, dass am BER nach Osten startende Flugzeuge schnell im 90-Grad-Winkel abdrehen und dem Ballungsbereich von Eichwalde über Zeuthen bis nach Königs Wusterhausen (alle Dahme-Spreewald) nicht zu nahe kommen.

Grafik: Hoffmannkurve am Flughafen BER und die betroffenen Gemeinden Schulzendorf, Zeuthen und Wildau. (Quelle: rbb24)

Der Toleranzbereich (lila) erfasst auch Schulzendorf, Zeuthen und Wildau.

Route wird weiter nach Osten verschoben

Infolge der technischen Umstellung wird die "Hoffmannkurve" nun aber angepasst. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hatte bereits im Oktober des vergangenen Jahres entsprechende Karten präsentiert. Die zeigen, dass sich die Route weiter nach Osten verschiebt. Weil jeder Pilot das Manöver anders fliegt, wurde die neue Kurve anhand der "schlechtesten Route" berechnet. Die Befürchtung ist, dass Flugzeuge künftig, statt an der Autobahn A13 abzuknicken, bis an die Eichwalder Bahnschienen heranfliegen könnten.
 
Zudem ist ein Toleranzbereich definiert worden, in dem die Flugzeuge fliegen dürfen. Dadurch würde das Überschießen der "Hoffmannkurve" legitimiert, sagen Kritiker. Das Flugerwartungsgebiet über Schulzendorf, Eichwalde und Zeuthen würde sich dadurch vergrößern. Als Folge könnten die Gemeinden künftig jederzeit direkt überflogen werden. "Wir fühlen uns da einfach nicht gesehen von der DFS", bemängelte Philipp Martens (Linke), der Bürgermeister von Zeuthen, im Gespräch mit dem rbb.

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Änderung betrifft laut DFS nur die Kartendarstellung

Das löst in den südöstlichen BER-Umlandgemeinden Zeuthen, Eichwalde, Wildau, Königs Wusterhausen und Schulzendorf Unmut aus. Die rund 100.000 Anwohnerinnen und Anwohner fürchten eine erhöhte Lärmbelästigung. Besonders brisant: Häuser und Wohnungen verfügen in dem Bereich nicht über einen speziellen Lärmschutz, weil direkte Überflüge laut den offiziellen Routen nicht vorgesehen sind. Die drohen aber nun.
 
"Das Verfahren wird nicht verändert beziehungsweise verschoben. Die Änderung betrifft ausschließlich die Kartendarstellung", teilte die Deutsche Flugsicherung (DFS) dem rbb auf Nachfrage mit: "Also gehen wir davon aus, dass sich auch die Lärmsituation nicht ändert."
 
Viel Lärm um nichts also? Alles nur ein riesiges Missverständnis? Die Betroffenen glauben das nicht: "Da kann mir einer erzählen, was er will - wir reden hier von einem Korridor, der geschaffen wird", erläuterte die Vorsitzende der Zeuthener Gemeindevertreter, Nadine Selch (CDU). Es sei "eine extreme Mehrbelastung der Menschen" zu befürchten.

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Fast 7.000 Menschen unterschreiben Protestbrief

Benannt wurde die "Hoffmannkurve", umgangssprachlich "Kotzkurve" genannt, nach einem Privatpiloten aus Eichwalde namens Marcel Hoffmann, der sie vorgeschlagen hatte. Sie wurde speziell für den BER konzipiert, um den Fluglärm bei Starts im Vergleich zum standardmäßigen Geradeausabflug für die umliegenden Gemeinden im Südosten zu reduzieren.
 
Genau dort sorgen sich die Anwohnerinnen und Anwohner nun. In nur zehn Tagen haben in Schulzendorf, Eichwalde, Zeuthen, Wildau und Königs Wusterhausen fast 7.000 Menschen einen Protestbrief unterschrieben. Die Resonanz sei gewaltig, hieß es aus den Rathäusern. Am Mittwoch wurden die Unterschriften und der Protestbrief bereits der DFS übergeben.
 
Die Fluglärmkommission hat fünf Gegenvorschläge (unter anderem Optimierung der Startbahnnutzung, Routenführung überarbeiten, Anpassung des Lärmentgelts) gemacht. Auf eine Antwort der DFS wartet sie bisher aber vergebens - es herrscht Funkstille.

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Forderung: System soll später eingeführt werden

Lothar Grosser und Stephan Bartz sind Mitglieder der Fluglärmkommission. Sie sagen, sie glaubten, dass die alte Hoffmannkurve gut zu fliegen sei. Zudem kritisieren sie den Toleranzbereich: "Wenn es ihn gibt, wird er auch ausgenutzt - für uns wäre das ein Schritt zurück", erläuterte Bartz im Gespräch mit dem rbb.
 
"Wenn die Streuung größer ist, dann werden natürlich auch Anwohner überflogen, die früher kein Problem damit hatten", ergänzte Grosser. An anderen Flughäfen gebe es einen solchen Toleranzbereich nicht. "Woanders kostet das für die Airlines richtig viel Geld, wenn sie von den Routen abweichen."
 
Nach einer EU-Verordnung soll in allen Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 die Navigation auf den Flughäfen auf das satellitengestützte System umgestellt und die bodengestützte Navigation abgeschafft werden. Die Zivilluftfahrtorganisation ICAO verspricht sich davon Einsparungen beim Treibstoffverbrauch und mehr Möglichkeiten, dicht bewohnte Gebiete umfliegen zu können.
 
Im Ballungsbereich von Eichwalde über Zeuthen bis nach Königs Wusterhausen fürchten viele genau das Gegenteil - und fordern daher eine Verschiebung der Einführung des neuen Systems. Am BER soll es bereits Ende Oktober eingeführt werden, dann würde auch die die neue Hoffmannkurve geflogen werden. Bereits am 23. Februar will die DFS ihre Pläne an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zur Genehmigung einreichen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.1.2025, 9 Uhr