
Brandenburg Brandenburg will mehr Geld in Bildung stecken - warum Schulen trotzdem unzufrieden sind
Die Brandenburger Regierung will mehr Geld in Bildung investieren. Gleichzeitig sollen Stellen für Lehrer wegfallen. Das wird Folgen für den Schulunterricht haben. Von Annette Kufner
Die Ausgangslage: Seit Wochen steht die Landesregierung wegen geplanter Kürzungen im Bildungsbereich in der Kritik. Das Ministerium hält dagegen. Statt weniger habe die Landesregierung im geplanten Doppelhaushalt mehr Geld für Bildung veranschlagt als im Haushaltsjahr 2024, argumentiert sie: 300 Millionen Euro zusätzlich sollen demnach pro Jahr in den Bildungsbereich fließen.
Allerdings will die Landesregierung mit dem zusätzlichen Geld im Haushalt neue Projekte finanzieren. So sollen Brandenburgs Schulen weiter digitalisiert werden. Aus dem Etat sollen etwa der Länderanteil für den Digitalpakt Schule 2.0 und Landeslizenzen für Lernsoftware bezahlt werden. Außerdem will die Landesregierung mehr Geld für Demokratiebildung und den Jugendbereich ausgeben.
Das bedeutet, dass an anderer Stelle gekürzt werden muss.

345 Vollzeitstellen fallen weg
Trotz des größeren Etats stehen 50 Millionen Euro weniger für die Gehälter von Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal bereit. Das heißt, dass im kommenden Schuljahr 345 Vollzeitstellen wegfallen. Um das abzufedern, hat die Koalition nachträglich insgesamt 14 Millionen Euro für Vertretungslehrer bereitgestellt. Wie Vertretungslehrer eingesetzt werden, entscheiden die Schulämter.
Die Folge: Den Schulen stehen weniger Lehrkräfte zur Verfügung – und das, obwohl in Brandenburg im kommenden Jahr rund 3.000 Schülerinnen und Schüler mehr zur Schule gehen werden.
Beispiel: Die Elternsprecherin einer Grundschule in Zeuthen (Dahme-Spreewald) berichtet, dass dort im kommenden Schuljahr zwei Vollzeitstellen wegfallen. Das werde dazu führen, dass zusätzliche schulische Angebote – der Chor, die Handball-AG oder Wandertage - selten oder gar nicht mehr stattfinden könnten. Schon jetzt würden häufig Förderstunden ausfallen, weil Lehrkräfte kranke Kollegen vertreten müssten.

Lehrkräfte unterrichten eine Stunde mehr
Laut Ministerium sollen Lehrkräfte ab Februar 2026 pro Woche eine Stunde mehr unterrichten. So will die Koalition verhindern, dass Schulstunden ausfallen, weil Lehrerstellen gestrichen werden.
Die Folge: Für die Lehrkräfte vergrößert sich die Arbeitsbelastung. Außerdem stehen die Schulen im ersten Halbjahr vor einem Problem. Denn während die 245 Vollzeitstellen schon im August wegfallen sollen, kommt die zusätzliche Unterrichtsstunde erst im Februar. Nach dieser Regelung ist es zudem möglich, dass Schulen am Ende sogar Lehrkräfte abgeben müssen.
Beispiel: Ein Schulleiter einer ländlichen Oberschule im Norden Brandenburgs kritisiert, dass die Stundenerhöhung nicht bei jeder Lehrkraft sinnvoll sei. Wenn etwa ein Musiklehrer zusätzliche Unterrichtsstunden geben müsse, heiße das nicht, dass auch mehr Musik in der Schule unterrichtet werde. Einen möglichen Mangel an Mathelehrern könne die betreffende Lehrkraft aber nicht ausgleichen.
Lehrkräfte müssen an mehreren Schulen arbeiten
Das Bildungsministerium räumt ein, dass es durch die zusätzliche Stunde an manchen Schulen einen "Überhang an Lehrkräften" geben werde. Dann müsse man über "Teil-Umsetzungen und ganze Umsetzungen von Lehrerinnen und Lehrern reden". Wie groß das Problem sei und wie genau jene Versetzungen realisiert würden, könne man noch nicht sagen. Rechtlich sei eine Versetzung möglich, solange sie zumutbar und begründet sei, so das Ministerium.
Weniger Tätigkeiten abseits des Unterrichts
Um Lehrkräfte angesichts der zusätzlichen Unterrichtsstunde zu entlasten, sollen sie künftig weniger Tätigkeiten abseits des Unterrichts erledigen müssen. So schlägt das Ministerium vor, verpflichtende Elterngespräche zu reduzieren und weniger Klassenarbeiten schreiben zu lassen. Außerdem sollten Schulen mehr Künstliche Intelligenz nutzen.
Die Folge: Eltern befürchten, dass sich diese Maßnahmen negativ auf Schülerinnen und Schüler auswirken. Der Kontakt zwischen Eltern und Lehrkräften sei essenziell für den Bildungserfolg der Kinder. Verhaltensprobleme könnten ohne Elterngespräche nicht adressiert werden. Weniger Klassenarbeiten führten indes dazu, dass einzelne Noten schwerer ins Gewicht fielen. Das erhöhe den Druck auf Schülerinnen und Schüler.

Schulämter dürfen Richtwerte unterschreiten
Nach den Plänen der Landesregierung sollen die Schulämter Richtwerte zur personellen Ausstattung der Schulen "in einigen Bereichen zeitweise moderat" unterschreiten dürfen. Der Gedanke dahinter: Stunden in jenen Bereichen reduzieren, die über den Pflichtunterricht hinausgehen.
Die Folge: An vielen Schulen fallen ab dem kommenden Schuljahr Stunden weg – etwa für die Betreuung förderbedürftiger Kinder oder Sprachförderung. Eltern befürchten, dass betroffene Kinder im Unterricht nicht mehr mitkommen. Der akademische Erfolg werde wieder stärker vom Elternhaus abhängen.
Beispiel: An einer Gesamtschule im Schulamtsgebiet Brandenburg an der Havel mit mehr als 700 Schülerinnen und Schülern schrumpft die Vertretungsreserve von gut 13 auf 10 Stunden pro Woche. Die Stunden für "Gemeinsames Lernen" sinken von 93 Stunden auf knapp 75 Stunden pro Woche – ein Minus von fast 20 Prozent. Bei der Ganztagsbetreuung verliert die Schule fast zehn Prozent der Stunden, die ihr bisher zur Verfügung standen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.06.2025, 18:00 Uhr