Brandenburg Berlin Uckermark: Geplante WG für pädophile Jugendliche führt zu Widerstand
Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk und die Charité Berlin wollen in der Uckermark ein Wohnprojekt für Jugendliche mit pädophiler Neigung auf den Weg bringen. Die Bevölkerung lehnt die Pläne ab. Der Initiator verteidigt das Pilotprojekt.
In Zusammenarbeit mit der Berliner Charité will das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) auf einem Hof im Ortsteil Luckow-Petershagen der Gemeinde Casekow (Uckermark) eine spezialisierte Wohngruppe für pädophile Jugendliche einrichten – ein deutschlandweit einzigartiges Modellprojekt. Dort sollen acht Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren mit pädophiler Neigung und Intelligenzminderung leben und therapeutisch betreut werden.
"Das Ziel dieses Wohnprojektes ist es, die Jugendlichen vorzubereiten für ein Leben in Selbstständigkeit, für die Teilhabe an der Gemeinschaft und gleichzeitig eine Verhaltensabstinenz zu bewirken“, sagte Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité Berlin und Hauptinitiator, dem rbb. Dabei sei wichtig, die vollständige Verhaltenskontrolle bei den betroffenen Jugendlichen sicherzustellen. Dies könnte nur über kontinuierliche Trainingsmaßnahmen realisiert werden, so Beier, "weil eben eine Intelligenzminderung zusätzlich vorliegt".
Bisher gibt es in Deutschland keine spezialisierten Einrichtungen für diese Zielgruppe. Bundesweit haben Beier zufolge etwa 12.500 Jugendliche eine pädophile Störung. Die geplante Wohneinrichtung ist vor allem für Jugendliche aus Berlin und Brandenburg geplant.
Widerstand aus Bevölkerung und Politik
In der Bevölkerung regt sich Widerstand. Eine Petition, die sich gegen das Projekt richtet, haben mehr als 3.500 Menschen unterschrieben. Knapp 2.600 digital (Stand 24.01.25) und rund 1.000 (Stand 06.01.25) analog. Den Organisatoren wird darin unter anderem vorgeworfen, dass ein "schlüssiges Sicherheitskonzept" und ein "praxisnahes und besonderes Kinderschutzkonzept" fehle. Weiterhin gebe es kein "Fachkräftesicherungskonzept" und kein "Konzept zur Vermeidung von Fachkräftefluktuation".
Auch der Landkreis äußert Kritik. "Unser Hauptargument ist, dass wir erhebliche Sicherheitsbedenken haben für die dort unterzubringenden Jugendlichen, aber auch für die Kinder und Jugendlichen, die in den angrenzenden Orten leben", sagte Sozialdezernent der Uckermark, Henryk Wichmann (CDU), dem rbb.
an habe darüber hinaus jetzt schon in der Eingliederungshilfe ein Fachkräfteproblem, genügend Fachpersonal zu haben für die Menschen mit Behinderungen vor Ort, so Wichmann. "Wir haben eine Unterversorgung im psychiatrischen und psychologischen Bereich, stationär wie ambulant."
Außerdem sehe man auch eine Gefahr bei Krisenintervention, weil "die Charité verdammt weit weg ist, wenn es in der Einrichtung insbesondere in den Abendstunden oder nachts zu Konflikten und Problemen kommt". Nach wie vor sei kein mit der Polizei abgestimmtes Sicherheitskonzept durch den Träger erbracht worden, sagte Wichmann.
Ein weiterer Kritikpunkt sieht Wichmann in der Stigmatisierungsgefahr, die für die betreuten Jugendlichen bestehe: "Insgesamt denken wir, dass es auch für die acht Jugendlichen, die dort untergebracht werden sollen, in einem so dünn besiedelten ländlichen Raum stigmatisierend sein wird, wenn alle wissen, dass sie mit dieser Besonderheit dort untergebracht sind."
Wichmann sagte, er wünsche sich daher, "dass der Träger von diesem Vorhaben hier vor Ort Abstand nimmt und vielleicht doch eher im Berlin-nahen Raum, im großstädtischen Raum, einen Ort, ein Gebäude, eine Einrichtung findet, wo das problemloser umgesetzt werden kann."
Initiator hofft auf erfolgreichen Dialog
Hauptinitiator Klaus Beier äußert Verständnis für die zahlreichen Kritikpunkte an dem Projekt: "Ich verstehe sehr wohl, dass hier Bedenken sich in einer solchen Petition bündeln", so der Sexualwissenschaftler, "und ich will ausdrücklich sagen: Ich begrüße die Möglichkeit zu diskutieren, in einen Austausch zu kommen bezüglich eines Problems, das in der Gesellschaft ist."
Man werde das Problem nicht durch Petitionen aus der Welt schaffen, sondern müsse gemeinsam Wege finden, um Lösungen zu erarbeiten, "die einerseits den gefährdeten Kindern gerecht werden, die ja jetzt schon gefährdet sind, weil die Jugendlichen ja in Zusammenhängen leben, wo sie Kontakt zu Kindern haben. Andererseits müsse man natürlich den Sorgen der Bevölkerung gerecht werden," sagte Beier.
Initiator sieht ausreichende Sicherheitsvorkehrungen
Zu den Sicherheitsbedenken aus Bevölkerung und Politik sagte er: "Wir haben mit dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk einen Träger, der über etablierte Strukturen verfügt. Und damit können wir mit einer Wohngruppe für acht Jugendliche dem Kinderschutz dienen, weil das ja ortsfern eingerichtet ist." Das heiße, so Beier, dort bestehe keine Gelegenheit, im unmittelbaren Umfeld Kindern zu begegnen.
Daneben gebe es zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, "wie zum Beispiel GPS-Armbänder, die wir gegebenenfalls auch einsetzen würden. Oder wenn es erforderlich ist, auch medikamentöse Maßnahmen."
Beier fordert Teilhabe für betroffene Menschen
Zur Gefahr der Stigmatisierung sagte Beier: "Selbstverständlich besteht das Problem, dass eine Stigmatisierung, eine Ausgrenzung erfolgen könnte. Das ist zu befürchten und deshalb suchen wir gerade den gesellschaftlichen Dialog, um zu vermitteln, dass diese Jugendlichen unter uns leben und es keinen Sinn macht, die Augen davor zu verschließen."
Beier führte an, dass man durch Hochrechnungen wisse, dass man deutschlandweit "Hunderte von Jugendlichen mit dieser Doppelproblematik habe, die in Privathaushalten oder in Jugendhilfeeinrichtungen leben, die nicht auf die Problematik vorbereitet sind und die Kontakt zu Kindern haben." Dass Risiko für Missbrauchshandlungen, die diese Jugendlichen begehen, sei sehr hoch, so Beier.
Die Entscheidung über den Start einer solcher Wohngemeinschaft fällt das Brandenburger Bildungsministerium. Im Februar gibt es dazu wieder ein Arbeitstreffen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 24.01.2025, 09:30 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig