
Brandenburg Warum immer wieder Bürgermeister in Brandenburg abgewählt werden
Potsdam ist keine Ausnahme: Immer wieder müssen in Brandenburg Bürgermeister um ihren Job bangen. Die Liste wird immer länger - in diesem Jahr mussten schon drei Gemeindechefs gehen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Von Juan F. Álvarez Moreno
"Es war mir eine Ehre" – mit diesen Worten verabschiedete sich Potsdams Bürgermeister Mike Schubert (SPD) am Sonntag sichtlich bewegt aus seinem Amt. Die Bürger hatten ihn per Abwahlverfahren abgesetzt: 36.228 Potsdamer stimmten für Schuberts Abwahl, nur halb so viele dagegen.
Hintergrund war ein Verfahren wegen kostenloser VIP-Tickets für Sportveranstaltungen, das gegen eine Geldauflage eingestellt wurde. Doch auch die Amtsführung des SPD-Politikers wurde kritisiert. Seit mehr als einem Jahr stand er unter Druck. Schubert ist jetzt einer von vielen Bürgermeistern in Brandenburg, die ihre Amtszeit nicht bis zu Ende führen durften.

Schon einmal wurde ein Potsdamer Oberbürgermeister abgewählt
Allein in diesem Jahr gab es bereits drei Abwahlverfahren gegen Brandenburger Bürgermeister – in Potsdam, Friedland und Großbeeren. Alle drei haben ihr Amt verloren. Im Vorjahr standen die Bürgermeister von Werneuchen und Hoppegarten zur Abwahl, letzterer überstand das Verfahren.
Doch es geht weiter: Lübben, Wildau (beide 2022), Königs Wusterhausen (2021), Wusterwitz (2020), Welzow (2009), Brandenburg an der Havel (2005) – die Liste abgewählter Bürgermeister in Brandenburg wächst seit Jahren. Dazu gehört Potsdam nicht erst seit vergangenem Sonntag: Bereits im Jahr 1998 wurde der damalige SPD-Oberbürgermeister Horst Gramlich per Bürgerentscheid abgewählt. Eine Gesamtliste aller abgewählten Bürgermeister existiert laut Landeswahlleitung nicht.

Manche Bürgermeister überstehen mehrere Abwahlverfahren
Ein prominenter Fall aus den vergangenen Monaten war die gescheiterte Abwahl des parteilosen Bürgermeisters von Hoppegarten (Märkisch-Oderland), Sven Siebert. Im vergangenen September entschied sich eine knappe Mehrheit der Bürger für den Verbleib Sieberts im Amt. Ein halbes Jahr später, im Februar, gab es einen zweiten Versuch – und diesmal wurde die Mehrheit hinter Siebert größer. Die Vorwürfe aus der Stadtverordnetenversammlung (SVV) gegen den Bürgermeister lauteten Steuergeldverschwendung, Blockadehaltung und Kompetenzüberschreitung.
Auch in Königs-Wusterhausen gab es großen Streit zwischen der dortigen SVV und dem Bürgermeister Swen Ennullat (Freie Wähler), der 2021 mit einem Abwahlverfahren endete. Der Bürgermeister hatte zahlreiche Mehrheitsentscheidungen des Stadtparlaments nicht ausgeführt. 2020 blockierte er sogar den kompletten Haushalt. Die Lage eskalierte, Ennullat bekam im Stadtparlament Hausverbot, das später vom Verwaltungsgericht Cottbus aufgehoben wurde. Im Streit gegen den Bürgermeister führten fast alle Parteien von rechts bis links eine Kampagne für seine Abwahl – und konnten eine Mehrheit der Bürger überzeugen. Ennullat musste gehen.
Manche Bürgermeister überstehen mehrere Abwahlverfahren
Die Abwahl eines Bürgermeisters ist in der brandenburgischen Kommunalwahlgesetz geregelt. Für die Abwahl gibt es zwei Wege, die beide zu einem notwendigen Bürgerentscheid führen. Einerseits können die Bürgerinnen und Bürger selbst ein solches Verfahren in Gang setzen, wenn genug Menschen ein entsprechendes Bürgerbegehren unterschreiben – das sind je nach Einwohnerzahl mindestens 15, 20 oder 25 Prozent der Wahlberechtigten.
Andererseits kann eine Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung ein Abwahlverfahren starten, wenn zwei Drittel der Vertreter dies beschließen. Dann findet ein Bürgerentscheid statt. Ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin ist dann abgewählt, wenn eine Mehrheit der Wähler dafür stimmt und diese Mehrheit mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten umfasst.
"Von den Kommunen wird immer mehr verlangt"
Die Gründe für die Abwahl eines Bürgermeisters sind sehr unterschiedlich. Manchmal geht es um sehr konkrete Alltagsfragen – so wurde 2014 der Bernauer Bürgermeister Hubert Handke (CDU) wegen zu hoher Wassergebühren abgewählt. Manchmal spielt auch die Geschichte eine Rolle: 2009 wählten die Bürger von Welzow (Spree-Neiße) ihren Bürgermeister ab, nachdem ihm vorgeworfen worden war, seine Stasi-Kontakte verschwiegen zu haben. Doch egal, ob in Potsdam oder Hoppegarten, auf der Vorwurfsliste gegen die Bürgermeister stehen oft ganz oben ein schlechter Führungsstil und Überforderung.
Laut Peter Ulrich, wissenschaftlicher Geschäftsführer am Potsdamer Kommunalwissenschaftlichen Institut (KWI), haben diese Vorwürfe mit den wachsenden Aufgaben der Kommunen zu tun. "Von den Kommunen wird heute immer mehr verlangt", sagte der Politikwissenschaftler gegenüber rbb24. "Das führt auch immer mehr zu Konflikten, weil die Kommunen es vor dem Hintergrund von engeren Budgets immer schwieriger haben, dies tatsächlich auch umzusetzen." Hauptamtliche Bürgermeister und Oberbürgermeister müssten gleichzeitig Verwaltungschefs sein und mit den Gemeindevertretern oder der SVV zusammenarbeiten, wo manchmal dann Parteipolitik dazukomme.
Die Gemeindevertretung werden alle fünf Jahre bei einer Kommunalwahl gewählt. Die Amtszeit eines hauptamtlichen Bürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin beträgt in Brandenburg aber acht Jahre – so können Bürgermeister und die Mehrheit der Gemeindevertreter mitunter aus sehr unterschiedlichen politischen Strömungen oder Parteien stammen.

Immer mehr parteilose Bürgermeister
Eine weitere Erklärung für die Konflikte: Immer weniger Bürgermeister fühlen sich einer Fraktion im Stadtparlament oder in der Gemeindevertretung verpflichtet – denn sie gehören keiner Partei an. Von 146 hauptamtlichen Bürgermeistern in Brandenburg waren 45 bei ihrer Wahl laut Daten der Landeswahlleitung parteilosen Einzelbewerber. Von den 227 ehrenamtlichen Bürgermeister, die laut dem Statistikamt Berlin-Brandenburg im Juni 2024 gewählt wurden, waren 98 Einzelbewerber. Weitere 134 wurden von einer Wählergemeinschaft unterstützt – und nur rund zehn Prozent von einer politischen Partei.
"Diese Wählergemeinschaften und Parteilose sind ja letztlich ein Sinnbild dafür, dass die Gesellschaft sich zunehmend fragmentiert und dass aber natürlich die Notwendigkeit besteht, trotzdem Kooperationen und Mehrheiten hinzubekommen, um handlungsfähig zu sein", so Politikwissenschaftler Ulrich.
Bürgermeister-Job weiterhin attraktiv
Dass der Bürgermeister-Job durch die Angst vor einem Abwahlverfahren unattraktiver wird, glaubt Ulrich nicht. "Bei der Kommunalwahl in Brandenburg im letzten Jahr sind mehr Kandidaten angetreten als zuvor." Vor allem in den großen kreisfreien Städten sei der Bürgermeisterposten attraktiv, als Verwaltungschefs hätten sie viele Gestaltungsmöglichkeiten. Es gebe schon ein Interesse an der Kommunalpolitik.
Brandenburg ist eines der wenigen Bundesländer, in denen die Bürger ein Bürgerbegehren initiieren können, um einen Bürgermeister abzuwählen. In anderen Bundesländern wie Hessen dürfen die Bürger den Bürgermeister nur abwählen, wenn zuvor die Gemeindevertreter dafür gestimmt haben. In weiteren Ländern wie Sachsen-Anhalt entscheidet die Gemeindevertretung allein über die Abwahl. Und mancherorts können Bürgermeister gar nicht abgewählt werden – so ist es in Baden-Württemberg und Bayern. Politikexperte Ulrich findet es gut, dass es in Brandenburg diese Möglichkeit gibt. "Das ist schon eine gute Sache, eine demokratische Sache – wenn ein klares Fehlverhalten vorliegt."
Etwas Trost können Bürgermeister vielleicht in der Tatsache finden, dass sie nicht ganz allein sind: Auch Amtsdirektoren werden in Brandenburg immer wieder abgewählt. Zuletzt war das im Amt Schlaubetal der Fall. Amtsdirektoren können von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder des Amtsausschusses abgewählt werden - und werden bis zum Ende ihrer Amszeit trotz Abwahl weiterhin bezahlt. Immerhin bleibt den Bürgern in diesen Fällen eine inhaltliche Auseinandersetzung erspart.
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