Eine drogenabhängige Frau zündet sich nachts auf einem Gehweg im Bahnhofsviertel von Frankfurt eine Crackpfeife an.

Hessen Was Frankfurt in der Drogenpolitik von Zürich lernen könnte

Stand: 23.01.2025 17:43 Uhr

Die offene Drogenszene im Frankfurter Bahnhofsviertel sorgt für Probleme. Kritiker des "Frankfurter Wegs" fordern deshalb, sich stärker an der Stadt Zürich zu orientieren: Hilfsangebote gibt es dort nur für Suchtkranke, die auch in der Stadt leben.

Von Frank Angermund

Ende der 1980er Jahre hatte die Schweizer Metropole Zürich ein massives Drogenproblem - ähnlich wie Frankfurt: Im sogenannten "Needle Park" mitten in der Stadt hielten sich täglich tausende Menschen auf, um Heroin zu konsumieren. Polizei und Politik tolerierten die Drogenszene. "Der Needle Park war ein gesetzloser Raum," berichtet Peter Laib von der Sozialarbeit "sip züri". Pro Jahr habe es rund 80 Drogentote gegeben, es grassierten HIV und Hepatitis.

Es war ein Trauma für das ganze Land. Die Schweiz reagierte und schlug einen neuen Weg in der Drogenpolitik ein: Es wurden Konsumräume eingeführt, um die Risiken des Drogenkonsums zu verringern - zudem Hilfsangebote für Suchtkranke und mehr Polizeieinsätze. Mittlerweile gibt es in Zürich so gut wie keine offene Drogenszene mehr.

In Frankfurt wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Forderungen laut, sich stärker am sogenannten "Züricher Modell" zu orientieren. Neben der CDU Frankfurt spricht sich auch Polizeipräsident Stefan Müller dafür aus. Auf Einladung der "Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel" berichteten am Mittwoch zwei Mitarbeiter der Stadt Zürich in Frankfurt über ihre Arbeit.

Gefühlte Unsicherheit in Frankfurt

Frankfurt geht seit den 1990er Jahren bereits einen ähnlichen Weg in der Drogenpolitik wie Zürich: Er basiert auf den vier Säulen Prävention, Therapie, Schadensminimierung und Repression. Mit Erfolg: Die Zahl der Drogentoten sank rasant und hält sich - entgegen dem Deutschlandtrend - weiter auf niedrigem Niveau.

Doch es gibt Unterschiede zu Zürich. In Frankfurt ist die offene Drogenszene sichtbar, vor allem vor den Konsumräumen im Bahnhofsviertel. Crack wird auf der Straße konsumiert. Dealer und Abhängige sorgen durch ihre Präsenz für eine subjektive Unsicherheit bei Anwohnern, Geschäftsleuten und deren Mitarbeitern.

Was läuft anders in der Schweiz?

In Zürich werden illegale Drogen so gut wie gar nicht mehr in der Öffentlichkeit konsumiert. Der Grund: Die Abhängigen sind in den Einrichtungen. Dort wird der Drogenhandel in kleinen Mengen geduldet - von der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Sozialarbeitern. "Der Schlüssel, um die Drogenszene aufzulösen, liegt darin, dass man den Kleinhandel in die Einrichtungen integriert hat," sagt Florian Meyer. Er ist zuständig für die sogenannten Kontakt- und Anlaufstellen (K&A) in Zürich.

Der Haken an der Sache: In Deutschland und somit auch in Frankfurt ist es den Einrichtungen gesetzlich verboten, Drogenhandel zu dulden. "Sie würden riskieren, geschlossen zu werden," erläutert Wolfgang Barth, der Leiter des Drogennotdienstes in der Frankfurter Elbestraße. Und auch Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller hält dies für den letzten Schritt, den Frankfurt kopieren sollte.

Polizeipräsident will keine "Drogentouristen" mehr

Polizeipräsident Müller würde gerne bevorzugt andere Ideen aus der Schweiz übernehmen: Dazu gehört, dass in Zürich nur Einheimische in die Drogenhilfeeinrichtungen gelassen werden. "Um die Sogwirkung Frankfurts zu reduzieren, plädiere ich dafür, Auswärtige aus anderen Bundesländern in Frankfurt nicht mehr in die Einrichtungen einzulassen," sagt der Polizeipräsident. Er spricht von "Drogentouristen". Wolfgang Barth vom Drogennotdienst ist gegen solche Einlasskontrollen - er fordert stattdessen mehr Kooperation zwischen Polizei und Sozialarbeitern.

In der Schweiz verpflichtet ein Bundesgesetz alle Städte, Drogenhilfeeinrichtungen anzubieten, sodass Abhängige ihren Heimatort dafür nicht verlassen müssen. Hierzulande ist das nicht der Fall. In Hessen etwa gibt es solche Einrichtungen bisher nur in Frankfurt. Die Stadt versucht auf Bundes- und Landesebene ein Umdenken zu bewirken.

Um mögliche Konflikte auf der Straße zu vermeiden, fordert Polizeipräsident Müller, die Polizeipräsenz im Bahnhofsviertel noch einmal zu erhöhen - nach dem Vorbild Zürichs. Dort ist der Konsum und Handel von Drogen auf der Straße verboten. Die Polizei geht strikt dagegen vor.

In Zürich wird die Drogenszene entzerrt

Ein weiteres Element des Züricher Wegs: Die Drogenhilfe ist nicht an einem Ort konzentriert. Es gibt drei sogenannte Kontakt- und Anlaufstellen. Anders als in Frankfurt sind diese in verschiedenen Stadtteilen und haben unterschiedliche Öffnungszeiten.

Da die Drogen in den Einrichtungen gehandelt und konsumiert werden, bleiben die Abhängigen nicht wie in Frankfurt an einem Ort. "Das heißt, wenn wir eine Einrichtung schließen und das Angebot an Drogen nicht mehr vorhanden ist, dann wechselt die Szene zur nächsten Einrichtung," erklärt Florian Meyer. So würden die Stadtteile entlastet.

Ein Modell für Frankfurt?

Frankfurts Polizeipräsident Müller spricht sich für einen Testbetrieb des Züricher Modells im Bahnhofsviertel aus - und wünscht sich auch von der Politik mehr Unterstützung dafür.

"Wir arbeiten daran," erklärt Frankfurts Ordnungsdezernentin Anette Rinn (FDP). Sie könnte sich vorstellen, Drogenhandel in kleinen Mengen in den Einrichtungen zu erlauben. Auch Einlasskontrollen in den Hilfseinrichtungen hält sie für sinnvoll. "Wir führen Gespräche und sagen immer wieder: Das sind aus unserer Sicht die zwei wesentlichen Punkte, um überhaupt in Richtung Zürich zu kommen."