
Hessen Innovation aus Nordhessen: Hühnermobile ermöglichen Hennen mehr Freiheit
In Hühnerställen herrscht oft das reinste Hickhack, wenn Hennen wenig Platz und noch weniger Ablenkung haben. Das aus Nordhessen stammende Hühnermobil soll beides ändern. Mittlerweile hat sich die Idee auch europaweit durchgesetzt.
Es sieht ein bisschen aus wie der Start eines Marathons: Hunderte Hennen rennen gleichzeitig durch eine Klappe auf die Wiese. Für sie geht es um alles: Wer bekommt den besten Platz?
Das Hühnermobil, also ein mobiler Hühnerstall in Anhängerform, steht auf einer Wiese in Witzenhausen (Werra-Meißner) und gehört Landwirt Florian Best. "Die Hühner genießen das hier", sagt Landwirt Florian Best. "Das ist das Tierwohl, das wir letztendlich den Tieren geben können."

Hühnerbauer Florian Best vor seinem Hühnermobil in Witzenhausen.
Tausende Hühnermobile in ganz Europa auf den Feldern
Das Hühnermobil des Landwirts stammt von der Firma Stallbau Weiland aus Bad Sooden-Allendorf (Werra-Meißner). Rund 250 dieser Hühnermobile stehen nach Angaben der Firma mittlerweile auf den Feldern Hessens, mehr als 2.700 in ganz Europa. Die Idee dazu hatte Iris Weiland - sie leitet die Firma, die die Hühnerställe bis heute einzeln fertigt.
Mit 300 Legehennen vor 25 Jahren habe alles angefangen, erzählt sie. Die Tiere hätten sich damals im stallnahen Bereich immer wieder Infektionen im Schlamm eingefangen.
Sie sei zu dem Schluss gekommen: "Es gibt nur eine Möglichkeit: Der Stall, in dem die Hühner leben, fährt einfach weiter." Inzwischen habe das Modell Schule gemacht.

Iris Weiland hat das Hühnermobil (im Hintergrund) erfunden.
Ein dreieckiger Anhänger mit allem, was das Hühnerherz begehrt
Zugegeben: Das Wohnmobil für Hennen sieht ungewöhnlich aus. Es ist dreieckig, besteht aus einer geraden Wand, von der eine diagonale Dachschräge abgeht.
Innen versteckt sich aber ein richtiger Hühnerstall, mit allem was ein Huhn braucht - einem langgezogenen Futtertrog als Ergänzung zum frischen Gras, mit Sitzstangen zum Schlafen und mit Gitterböden, durch die der Kot direkt durchfällt.

Das Hühnermobil ist dreieckig: Unten befindet sich die "Scharr-Ebene", oben unter dem Dach schlafen die Hühner.
Hühner leben auf mehreren Stockwerken
Unten, quasi im Erdgeschoss, ist alles mit regionalem, saugfähigem Hanfstroh ausgekleidet, sodass die Exkremente absorbiert werden und die Hühner trotzdem im Trockenen sitzen können, wenn sie auf den Auslauf warten.
Unter der Dachschräge können sich die Tiere schließlich zurückziehen, um ihre Eier abzulegen. Während Landwirt Florian Best das ausgeklügelte Konzept des Hühnermobils erklärt, klingt er ein bisschen wie ein Immobilienmakler: "Hier oben haben wir den Ruhebereich – auf der einen Seite einen Tank mit 500 Litern Wasser und gegenüber sind dann die Futterbehälter. Da können die Hühner beliebig fressen und Wasser trinken."

Etwas pikiert über den Eierklau: Diese Henne möchte das Ei nur ungern abgeben, das sie unter der (aufgeklappten) Dachschräge des Hühnermobils gelegt hat.
Expertin: Mehr als 10.000 Pickschläge pro Futtersuche
Besser als traditionelle Hühnerställe garantiert der Anhänger aber eben auch den Auslauf auf der Wiese. Hühner lieben es, Löcher zu buddeln, im Sand zu baden und mit den Krallen zu scharren.
Jedes Huhn hat das Bedürfnis, 10.000 Pickschläge bei einer Futtersuche durchzuführen, sagt die Verhaltensbiologin Katrin Dorkewitz von der Uni Kassel. Sie beschäftigt sich besonders mit der Nutztierhaltung.
Diesen Impuls könnten die Tiere durch die mobilen Ställe und die wechselnden Wiesen besonders gut ausleben. Sogar im Winter, wenn die Fläche nicht mehr grün ist.
"Im klassischen Stall mit Futtertrog würde das Huhn ohne Auslauf eher die Nachbarin bepicken", schließt die Expertin.
Jede Woche eine neue Wiese
Das Picken und Scharren nutzt die Flächen natürlich ab. Deshalb sollte man das Mobil jede Woche umstellen, erklärt Hühnerbauer Best, "um die Grasnarbe so weit zu schonen, dass sie sich auch wieder erholt".
Klappe zu, Zaun abbauen, Umsetzen, Zaun aufbauen. Klappe auf: Das Hühnermobil ist aufwendiger als ein Stall am Hof, den der Bauer einfach aufmacht.
Doch haben die Forscher der Uni Kassel auch festgestellt, dass sich die Gesundheit der Tiere durch die Freilandhaltung verbessert.

Die Weide, auf dem das Hühnermobil steht, sollte nach einer Woche Nutzung mindestens vier Wochen brach liegen.
Engagement der Landwirte hält Tiere gesund
"Der Zustand des Gefieders ist im mobilen Stall deutlich besser", sagt Katrin Dorkewitz. Dafür würden aber auch mehr Tiere von Raubtieren wie Habichten oder Füchsen getötet. Bei Florian Best sind deshalb zur Abschreckung auch immer Ziegen mit auf der Weide.
Entscheidend für die Gesundheit der Tiere ist laut den Forschern am Ende jedoch das Management durch den Landwirt, nicht die Stallform. Der Landwirt muss sich gut um die Tiere kümmern.

Freier Auslauf bedeutet Gesundheit, zumindest bei Hühnern.
Eiqualität und Transparenz nehmen zu
Als Florian Best wenig später versucht, eines der Eier aus dem Stall zu nehmen, gackert die Glucke ihn aufgeregt an. Anders als in industriellen Abrollnestern hat die Henne hier noch Zeit, sich mit dem Ei zu beschäftigen.
Best ist es wichtig, dass es seinen Tieren gut geht. Dass der Unterschied der Haltung zu schmecken ist, bekomme er auch von Käufern zurückgemeldet.
Das sei kein Zufall, sagt Best: "Grundsätzlich ist für die Eiqualität das Gras entscheidend, Sonnenlicht und auch das gute Futter, das wir hier verwenden."
Und auch die Transparenz helfe: Jeder im Dorf könne einfach am Zaun stehen und sehen, wie es den Hühnern geht.