
Hessen Lokführer üben Spontaneität "Kleines Problem: Unsere Bahn will nicht mehr …"
Gegen das schlechte Image versucht sich die Deutsche Bahn mit Humor per Ansage. Lokführer werden ermutigt, Verspätungen mit einer Prise Humor zu vermitteln. Hessisch babbeln ausdrücklich erwünscht.
Verehrte Fahrgäste, bitte beachten Sie: Aufgrund einer Weichenstörung verzögert sich unsere Weiterfahrt.
Wer schon ein paar Mal Bahn gefahren ist, wird diese zwei Sätze kennen und hassen. Die Durchsage gehört beinahe schon zum deutschen Kulturgut, so oft hallt sie durch die Züge dieser Nation. Wenn es nach Kommunikationstrainer Steffen Popp geht, gehören sie bald zu einer aussterbenden Spezies.
"Jeder Bahnfahrer kennt diese typische Durchsage, wenn der Gong kommt", sagt Popp, der als "Sprachreformer" Seminare für Bahnpersonal leitet. "Das ist der Klassiker, und den wollen wir nicht haben."
Weg vom Bahnsprech
"Wir", das sind in diesem Fall sieben Auszubildende zum Lokführer oder zur Lokführerin bei der Deutschen Bahn und dem Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV). Sie hocken an diesem Mittwoch in einer leerstehenden S-Bahn in Frankfurt und üben für eine kleine Revolution der Bahnkommunikation: weg vom Konzernsprech und hin zu einer persönlichen Ansprache. "Erzählen statt quälen", heißt das dann.
"Es gibt tatsächlich eine Bahnsprache, die sich im Laufe der Jahre eingebürgert hat", sagt Kommunikationscoach Popp, "Jeder Bahnfahrer kennt die. Davon wollen wir ein bisschen wegkommen." Mit Spontaneität, Humor und "Persönlichkeit", wie die Azubis in Frankfurt lernen. Für Letzteres könne auch Dialekt sorgen. Das klingt dann so:
Ei gude, wie, ihr Leut? Hier spricht Ihr Lokführer, leider ist uns etwas sehr Peinliches passiert: Wir sind falsch abgebogen.
Vor mir hat sich gerade ein Baum hingelegt, den ich alleine leider nicht weglegen kann. Daher verzögert sich unsere Weiterfahrt um einige Augenblicke. Die Feuerwehr ist informiert. Und sobald ich mehr weiß, komme ich wieder auf euch zu.
Ob damit neben dem erfahrenen (und leidgeplagten) Pendler ein Lächeln zu entlocken ist? Das wird sich wohl zeigen müssen. Für Bahntouristen wären solche Durchsagen sicher ein willkommener Grund zum Schmunzeln.
Bahn hat Bedarf in Sachen Imagepflege
Die DB Regio, die ein eintägiges Durchsagenseminar als festen Bestandteil ihrer Ausbildung etabliert hat, dürfte sich davon ein paar Sympathiepunkte für ihr angekratztes Image versprechen.
Denn die reinen Zahlen gaben zuletzt wenig Anlass zur Freude. 2024 etwa waren die Züge der Deutschen Bahn so unpünktlich wie seit 21 Jahren nicht mehr: Im Fernverkehr betraf das nach Konzernangaben 27,5 Prozent der Verbindungen, im Nahverkehr war es knapp jede zehnte Bahn (9,7 Prozent). Ab sechs Minuten Verspätung am Zielbahnhof gilt eine Bahn als verspätet.
"Tabu" für Lokführer
Eine Verpflichtung zum Spaßmachen wird es bei der Bahn nicht geben. Doch wenn der eine oder andere Lokführer schlechte Nachrichten mit einer Prise Humor überbringt, dürfte das die Konzernleitung durchaus erfreuen. Zumal der Zeitgeist nach der Überzeugung des Seminarleiters eine Veränderung nötig macht: "Sprache verändert sich. Und ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir eine etwas einfachere Sprache benutzen und keine Fachbegriffe mehr nennen."
So sah eine Übung vor, eine Weichenstörung per Durchsage zu vermitteln, ohne dabei das Wort "Weichenstörung" zu benutzen. Wer schonmal "Tabu" gespielt hat, war hier klar im Vorteil. Bei einem der Auszubildenden hieß es dann:
Eine Weiche tut nicht ganz das, was sie soll.