Zwei Frauen lehnen rechts und links an dem Gerät und schauen in die Kamera.

Hessen Museum für Sepulkralkultur Kassel: Nie zu früh - Mit dem Todomaten das Ableben vorplanen

Stand: 18.04.2025 11:53 Uhr

Er ist eine Mischung aus Forschungsprojekt, Kunstwerk und ernst gemeinter Vorbereitung auf den Tod: Der Todomat. Doch welche Fragen sollte sich jeder Mensch vor dem Ableben gestellt haben?

Von Leander Löwe

Fast im Himmel, direkt unter dem Dach des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, steht ein alter Fahrkartenautomat. Doch er verkauft keine Tickets mehr.

"Todomat" steht in großen Lettern auf dem Gerät. Sein Bildschirm zeigt nur zwei Sätze: "Du wirst sterben. Plane jetzt Deinen Abschied."

"Todomat" im Kasseler Museum: Automatenblick aufs Lebensende

Todomat konfrontiert Menschen mit Fragen rund um den Tod

Nach dem Drücken des "Start"-Buttons, folgt eine Tour durch die letzten Fragen des Lebens: Was soll mit dem eigenen Körper nach dem Tod passieren?

Was soll mit den eigenen Daten, den eigenen Dingen, den eigenen Geheimnissen geschehen, wenn man stirbt? Wie soll der eigene Abschied aussehen? Wie sollen andere an einen denken?

Inzwischen auch online abrufbar

Gestellt hat die Fragen Zukunftsforscherin Jasmin Jossin, gemeinsam mit einem interdisziplinären Forschungsteam des Projektes Urbane Xtopien.

Heraus kam diese Maschine: ein digitaler Hinterlassenschaftskonfigurator. Inzwischen ist er unter Todomat.org auch jederzeit von zuhause abrufbar.

Aufgabe: Beschäftigt Euch mit dem Tod

Der museale Ticketautomat stünde aber immer im Zentrum. "Damit haben wir ein Artefakt der Zukunft geschaffen", sagt Jossin. Zumindest sei er als solches gedacht: "Die Idee war, dass wir ein verdrängtes Thema wie den Tod mit etwas Alltäglichem verbinden". Der umfunktionierte Ticketautomat soll zum Nachdenken darüber einladen.

Jossins Hoffnung ist, dass Menschen sich in der Zukunft noch deutlich mehr und natürlicher mit dem eigenen Tod beschäftigen. Der Name ist ein Wortspiel. Ein Mix aus To-Do-Mat und Tod-O-Mat.

Drei Karten mit den Sätzen: "Man stirbt nur einmal.", "Du wirst sterben." und "Deine letzten Worte?", dahinter steht der Automat mit der Aufschrift "Todomat"

Der Todomat wirft Fragen auf - und fordert Ideen zum eigenen Tod ein.

Im Museum begegnen sie dem Ende des Lebens

Elke Fritze aus Stuttgart und Uwe Weber aus Nürnberg sind gerade zusammen im Museum unterwegs. Sie stoßen auf den Todomaten - und probieren ihn direkt aus.

Fritze hat sich bereits viele Gedanken über das Sterben gemacht, als sie ihren Mann in den Tod begleitete. "Der Schrecken verliert sich." Anfangs sei es schwierig, mit dem Bewusstsein, dass der geliebte Partner sterben wird, zu leben. "Aber nach dem Tod ist es für mich leichter geworden, mich damit zu beschäftigen."

Eine Frau steht vor dem Automaten und hat die Hände erhoben, um zu tippen. Ein Mann steht daneben und schaut ihr amüsiert über die Schulter.

Elke Fritze (l.) und Uwe Weber (r.) sind begeistert vom Todomaten.

Besucher: "Das könnte interessante Diskussionen geben"

Auch Webers Frau ist vor drei Jahren verstorben. Ihm sei klar geworden: "Es gibt kein Seelenheil oder einen Himmel, die Toten sind einfach verstäubt."

Die Erfahrung habe ihn nicht nur traumatisiert, sondern später auch etwas ernüchtern lassen. "Wenn sowas wie der Todomat im öffentlichen Raums stehen würde, könnte das interessante Diskussionen geben."

Eine Schaltfläche auf der Nutzende ihre To-Dos festhalten können

Abschied, Körper, Gedenken: Der Todomat bereitet seinen Nutzer auf alles vor, was wichtig wird.

Ein Avatar nach dem Tod?

Doch werfen einige Angebote des Automaten auch neue Fragen auf: Was, wenn das Budget für den angestrebten Abschied nicht reicht? Wie sieht die Welt zum Zeitpunkt meines Todes überhaupt aus?

Ein Vorschlag umfasst etwa einen persönlichen digitalen Avatar, also eine virtuelle Kunstfigur des verstorbenen Menschen im Cyberspace. Diese könnte den Abschied von der geliebten Person vor ihrem Tod unnötig machen oder wenigstens erleichtern, weil die Hinterbliebenen weiter mit ihr sprechen könnten.

Zwei Frauen stehen vor dem aufgeklappten Fahrkahrtenautomaten.

Operation am Herzen des Todomaten: Manchmal hakt der Drucker noch.

Forscherin: "Die Zukünfte sind offen"

Zukunftsforscherin Jossin will Denkmöglichkeiten aufzeigen. "Die Intention ist gar nicht, Optionen zu geben, die wir wünschenswert finden oder die wir für wahrscheinlich halten". Das Ziel sei vielmehr, den Menschen zu zeigen, dass die Zukünfte offen sind und demokratisch gestaltet werden müssen.

Besucherinnen und Besucher sollen sich also auch mit gesellschaftlichen Fragen zur gemeinsamen Zukunft auseinandersetzen. "Meine positive Zukunftsvorstellung kann ja auch ihre negative Zukunftsvorstellung sein", ergänzt die Forscherin.

Todesgedanken in heller und freundlicher Atmosphäre

Museumsleiter Dirk Pörschman hält den Todomaten für eine besonders kreative Ergänzung des Museums. "Hier stirbt ja für gewöhnlich niemand", sagt er.

"Das heißt hier kann ich mich mit dem Thema in einer hellen und freundlichen Atmosphäre auseinandersetzen, bevor ein lieber Mensch stirbt oder bevor ich selbst zum Sterbenden werde."

Ein Mann steht im weitläufigen Hauptraum des Museums für Sepulkralkultur und schaut in die Kamera.

Froh, den Todomaten im Museum zu wissen: Museumsdirektor Dirk Pörschmann.

Mit dem Ausdruck auf Nummer sicher gehen

Die Daten aus dem Todomaten werden vom Museum zwar gespeichert, aber nur anonym. So können Menschen, die das Gerät ausprobieren, ihren Zugang in Form eines QR-Codes auch an Angehörige weitergeben. Einen Ausdruck ihrer Hinterlassenschaftsregelungen sollten sich die Besucherinnen und Besucher zusätzlich sichern.

Einige weitere anonyme Daten, wie Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit, würden zu Forschungszwecken weiterverarbeitet, sagt Jossin.

Ein Ausdruck kommt aus dem Todomaten - mit QR-Code in der Ecke.

Dank des Ausdrucks und/oder des QR-Codes kann die Hinterlassenschaftsregelung ganz einfach an Verwandte weitergegeben werden.

Todomat soll im Museum für Sepulkralkultur bleiben

Das Forschungsprojekt Urbane Xtopien ist inzwischen abgeschlossen, der Todomat soll aber im Museum bleiben. In der wechselnden Sonderausstellung "dazwischen 2.0" sei er gelandet, weil er Interaktivität biete und damit gut ins Konzept passe, sagt Kuratorin Tatjana Ahle-Rosenthal.

In die neue Dauerausstellung könne er aus Platzgründen nicht übernommen werden, doch vielleicht finde er in Zukunft an einer anderen öffentlichen Stelle des Museums seinen Ort. Was die Zukunft bringt, ist allerdings nie gewiss.

Ein Ticketautomat mit der Aufschrift "Todomat", im Hintergrund eine gelbe Backsteinmauer

Der Todomat steht im Museum für Sepulkralkultur - direkt unter dem Dach.