
Hessen Trotz Millionengewinn: Uniklinikum Gießen und Marburg soll weiter sparen
Das privatisierte Uniklinikum Gießen und Marburg erwirtschaftet Millionenüberschüsse - trotzdem soll nun gespart werden. Die Rhön-Klinikum AG fordert deutliche Kostensenkungen, vor allem beim Personal. Das stößt auf Kritik von Gewerkschaften.
Der Auftrag jeder Aktiengesellschaft (AG) ist klar definiert: Gewinne erwirtschaften und Rendite für die Anleger erzielen. Die Rhön-Klinikum AG, Deutschlands ältester börsennotierter Klinikkonzern, ist darin durchaus erfolgreich. Die Aktiengesellschaft verzeichnet seit Jahren steigende Gewinne. Aktuell gilt der Aktienkurs als stabil.
Trotzdem steht das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) jetzt offenbar vor einem Sparkurs. Die Rhön-Klinikum AG, der das einzige privatisierte Uniklinikum in Deutschland gehört, fordert von ihren Häusern Maßnahmen zur Kostensenkung – trotz hoher Überschüsse. Das geht aus einem Schreiben des Vorstands an alle Klinikdirektoren hervor, das dem hr vorliegt.
Kliniken sollen sparen
Laut Geschäftsbericht soll der Gewinn der AG im Jahr 2025 weiter steigen – auf mindestens 110 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Rhön-Häuser nun offenbar sparen – und damit auch das UKGM. Aus dem Brief, der vor knapp zwei Wochen geschrieben wurde, geht hervor, dass die bisherigen Gewinne im ersten Quartal nicht ausreichen, um das angestrebte Jahresziel der AG zu erreichen.
Die Kliniken sollen demnach "kurzfristige Konsolidierungsmaßnahmen" umsetzen. Einnahmen durch ambulante und stationäre Leistungen sollen gesteigert, Kosten gesenkt werden - vor allem beim Personal.
Kostensenkungen beim Personal gefordert
So verlangt der Vorstand unter anderem eine "deutlich gebremste Wiederbesetzung" frei werdender Stellen "über alle Dienstarten hinweg", bis hin zu einem Einstellungsstopp. Auch "Einigungen auf vorzeitiges Ausscheiden" seien in Einzelfällen denkbar. Darüber hinaus sollen beispielsweise Einsparpotenziale bei Verbrauchsmaterialien, Laborkosten oder Instandhaltung genutzt werden.
Innerhalb von zwei Wochen sollen die Klinikstandorte konkrete Maßnahmenpläne vorlegen. Auch der Vorstand wolle seinerseits "bestehende Potenziale und Umsetzungsmaßnahmen" benennen, heißt es.
Mehr Patienten, weniger Gewinn
Laut Geschäftsbericht erzielte die Rhön-Klinikum AG im ersten Quartal 2025 einen Gewinn von 22,6 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Im Vorjahreszeitraum war die Kennzahl allerdings noch etwa zehn Prozent höher. Der tatsächliche Konzerngewinn nach Abzug aller Aufwendungen lag sogar 34 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Gründe dafür seien unter anderem ein Ende von Förderprogrammen für gestiegene Energiekosten sowie eine rückläufige Zinsentwicklung, heißt es im Geschäftsbericht. Die Zahl der behandelten Patientinnen und Patienten in allen Rhön-Häusern sei jedoch im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Gewerkschaft: "Völlig überzogene Renditeerwartungen"
Die Gewerkschaft Verdi reagiert mit scharfer Kritik auf den geplanten Sparkurs. "Das UKGM macht Gewinn und ist das wirtschaftlichste aller Universitätskliniken im ganzen Land", sagt Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm.
"Die angedrohten Einsparungen zeigen, dass der Konzern von völlig überzogenen Renditeerwartungen getrieben ist." Man werde jeden Stellenabbau "mit allen Mitteln" bekämpfen, so die Gewerkschaft.
Bereits 2023 hatten Beschäftigte des UKGM wochenlang gestreikt – für verbindliche Personalvorgaben und einen dauerhaften Schutz vor Kündigungen und Ausgliederungen. Diese Regelungen gelte es jetzt zu verteidigen, so Verdi.
Klinikum: Zukunft langfristig sichern
Das UKGM teilt auf Anfrage mit, man könne derzeit keine Angaben zu konkreten Sparmaßnahmen oder Vorschlägen machen. Diese befänden sich noch in der Entwicklung.
Mit seinem Handeln wolle das Klinikum gemeinsam mit dem Vorstand der AG nicht nur das medizinische und pflegerische Angebot des Universitätsklinikums langfristig sichern, sondern auch eine solide wirtschaftliche Grundlage schaffen.
"Wenn die für das Jahr 2025 vereinbarte Wirtschaftsplanung nicht eingehalten wird, müssen betriebswirtschaftliche Maßnahmen in geeigneter Form getroffen werden, um wieder auf einen erfolgreichen Pfad zurückzukehren."
"Gezwungen, positive Jahresergebnisse zu erzielen"
Das UKGM sei gezwungen, positive Jahresergebnisse zu erzielen, teilt das Klinikum mit. Als einziges Universitätsklinikum in Deutschland werde es bei der Förderung notwendiger Investitionen nicht gleichbehandelt. "Vielmehr müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKGM einen erheblichen Eigenanteil erwirtschaften."
Das Klinikum betonte: "Am UKGM hat die Erfüllung aller universitätsmedizinischen Aufgaben für die Krankenversorgung, Forschung und Lehre stets oberste Priorität." Dies bleibe so. Alle Vereinbarungen – auch zur Arbeitsplatzsicherheit – würden auch zukünftig eingehalten.
Zukunftsvertrag gilt weiter
Im Jahr 2023 hatten das Land Hessen und der private Eigentümer nach zähen Verhandlungen das "Zukunftspapier Plus" unterschrieben. Betriebsbedingte Kündigungen sind seither ausgeschlossen, ebenso die Ausgliederung von Betriebsteilen ohne Zustimmung des Landes.
Der Vertrag sieht zudem Investitionen in Höhe von 850 Millionen Euro vor, von denen zwei Drittel das Land und ein Drittel das Klinikum übernimmt. Zudem sicherte sich das Land mit einer "Change-of-Control-Klausel" ein Rückkaufrecht für den Fall eines Eigentümerwechsels.