
Niedersachsen Datenanalyse: Werder Bremens Neustart mit Steffen benötigt Zeit
Mit Trainer Horst Steffen hat Fußball-Bundesligist Werder Bremen schnell den Nachfolger des beurlaubten Ole Werner präsentiert. Die Datenanalyse zeigt: Steffen ist ein "Bessermacher" - wenn man ihn denn lässt.
Ehre, wem Ehre gebührt - deshalb zunächst die Feststellung: Der Abgang des 37-jährigen Werner ist ein herber Verlust. Der Kieler hat Werder seit seinem Amtsantritt am 28. November 2021 von einem Bundesliga-Absteiger - trotz schmalem Geldbeutel - zu einem ernsten Anwärter auf die Europapokalplätze gemacht.
Und er selbst hat nach den Daten von Global Soccer Network ebenfalls eine beeindruckende Entwicklung genommen. Sein GSN-Trainerindex ist in dieser Zeit von 62,02 auf 70,25 gestiegen. Damit ist Werner in der internationalen Klasse angekommen.
Wie wird der GSN-Index bei Trainern erstellt?
Der GSN-Index bei Trainern setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Relevanz haben:
- die Stärke des eigenen Teams im Verhältnis zur Stärke der Liga - geholte Punkte werden faktorisiert.
- die Spielerentwicklung - entwickeln sich Spieler unter einem bestimmten Trainer weiter, stagnieren sie oder werden gar schlechter?
- taktische Flexibilität - schafft es ein Trainer, sein Team situationsbedingt taktisch umzustellen, um damit erfolgreich zu sein?
- statistische Werte der Mannschaft - auch taktisch und technisch.
Bewertungs-Skala:
- 85 - 100: Weltklasse-Trainer wie Klopp, Guardiola oder Flick
- 70 - 85: Trainer, die die Fähigkeiten haben, eine Nationalmannschaft zu coachen oder einen Club, der international spielt (innerhalb der Top-Fünf-Ligen)
- 60 - 70: Bundesliga-Trainer
- ...
So wie Werder am Einzug in den Europapokal knapp gescheitert ist, verpasste auch Werners Nachfolger mit der SV Elversberg am Ende die Krönung einer tollen Saison. Die Saarländer scheiterten in der Relegation zur Bundesliga denkbar knapp am 1. FC Heidenheim - und verpassten damit den dritten Aufstieg innerhalb von vier Jahren.
Steffen hat aber auch so im kleinen Elversberg Sensationelles geschafft. Und die Daten zeigen, dass Werder mit dem 56-Jährigen einen Coach mit Bundesliga-Format verpflichtet hat (GSN-Index 68,12). Andererseits ist der Neue doch ein ganz anderer Coach als Werner. Was unweigerlich die Frage aufwirft, wie gut Steffen zu Werder passt. Muss er sich den Bremer Bedingungen anpassen, oder der Club dem neuen Fußball-Lehrer?
Steffens Erfolg in Elversberg mit klarem Plan
Steffens Erfolg in Elversberg fußte auf einem klaren Plan. Gemeinsam mit Manager Nils-Ole Book wurden über Jahre genau die Spieler verpflichtet, die Steffen für seinen Fußball brauchte. So wurde das Spiel immer wieder auf ein neues Level gehoben. Steffens Fußball, das ist laut GSN "ein ballbesitzorientiertes Spiel mit vertikalen Verbindungen und technischer Kontrolle".
Die Grundprinzipien in Steffens Idee vom Fußball
Dazu gehören laut GSN etwa:
- Raumöffnung durch Positionsspiel
- Aufbauspiel über klare Dreiecksbildung
- Nutzung von Zentrumsüberladungen
- Rückwärtspressing nach Ballverlust
Steffen entwickelte Grundprinzipien für das Spiel seiner Mannschaft, die unabhängig vom Spielsystem galten. Nach diesen Anforderungen wurden die Spielerprofile erstellt - und nicht etwa das System dem vorhandenen Spielermaterial angepasst. Dabei gelang es dem ehemaligen Bundesliga-Spieler (207 Einsätze) "aus durchschnittlichem Spieler-Material eine überdurchschnittliche Mannschaftsleistung zu formen".
"Horst Steffen ist ein Bessermacher. Also ein Trainer, der individuelle Spieler über ihr Ausgangsniveau hinausentwickelt, eine funktionierende Kollektivstruktur formt und gleichzeitig eine kohärente, wiedererkennbare Spielidee etabliert, die unabhängig vom Spielermaterial überdurchschnittliche Leistungen ermöglicht."
— Aus der GSN-Datenanalyse
So einen Trainer wünscht sich wohl jeder Club. Doch die Wirkung eines Bessermachers entfaltet sich nicht automatisch. Laut GSN ist Steffen "kein kurzfristiger Krisenlöser oder emotionaler Motivator, der aus der Kabine heraus Spiele dreht. Er ist ein Strukturbauer, ein Trainer, der über Training, Wiederholung, klare Prinzipien und funktionale Kaderstruktur mittel- bis langfristige Verbesserung erzielt."
GSN bescheinigt Werder eine "gute bis sehr gute Transferbilanz"
Und damit sind wir wieder am Anfang. Denn der aktuelle Kader ist nicht nach seinen, sondern nach Werners Vorstellungen zusammengestellt. Auch wenn ein Grund für Werners Weigerung, seinen 2026 auslaufenden Vertrag zu verlängern, gewesen sein soll, dass er mit der Transferpolitik des Clubs insgesamt nicht einverstanden sei, bescheinigen die Datenanalysten Werder hier "gemessen an den eigenen Möglichkeiten eine gute bis sehr gute Bilanz".
Dank langfristiger Verträge für Leistungsträger (wie Stage, Stark, Pieper oder Weiser) habe der Kader nachhaltig entwickelt werden können. Zudem seien Talente eingebaut worden und teure Fehlgriffe fast ausgeblieben. Enttäuschende Transfers wie der von Naby Keita waren demnach "isolierte Einzelfälle".
Werder hat nicht die richtigen Spieler für Steffens System
Der Kader ist dabei auf Werners bevorzugtes System getrimmt, das "einem pragmatischen Ansatz mit Fokus auf defensiver Stabilität, Kompaktheit in der Mitte und Raumgewinn über die Halbspuren" folgte. GSN sieht hier "einen klaren Kontrast" zum Steffen-Fußball.
In 70 Prozent der Spiele der Saison 2024/2025 spielte Werder mit einer defensiven Dreierkette, die gegen den Ball zur Fünferkette werden kann. Das könnte sich nun als Problem erweisen: Denn Steffen setzt standardmäßig auf eine Viererkette - und richtige Außenverteidiger sucht man im aktuellen Kader vergeblich. Mitchell Weiser (rechts) und Derrick Köhn (links) haben ihre Stärken definitiv in der Offensive.
Mit Blick auf die Anforderungen im von Steffen bevorzugten System (4-4-2 oder 4-2-3-1) fehlt es zudem in der Innenverteidigung am Tempo für das direkte Spiel Mann-gegen-Mann und mindestens an einem defensivstarken rechten Außenverteidiger. Im Mittelfeld bräuchte es im Kader einen kreativen "Zehner" mit Spielübersicht und Passqualität sowie zwei Flügelspieler mit Stärken im Dribbling und Geschwindigkeit.
Umbau mit "sportlicher Logik statt ideologischem Bruch"
Bei der Frage, ob sich der Club dem neuen Trainer oder der Trainer dem neuen Club abpassen muss, raten die Datenanalysten deshalb zu einem Mittelweg. Kurzfristig sollte sich Steffen an das bestehende System (3-5-2/3-4-3) anpassen, "um auf vorhandene Automatismen und funktionierende Spielertypen zurückzugreifen".
Ein Kaderumbau (Richtung 4-2-3-1) sei eine mittelfristige Aufgabe. Werders "Weg Richtung Europa" bleibe dann "realistisch, wenn der Systemwechsel evolutionär erfolgt - mit sportlicher Logik, statt ideologischem Bruch". Mit anderen Worten: Es wird Zeit brauchen, bis Horst Steffen in Bremen seine Fußball-Idee wirklich umsetzen kann.
... wenn es beim 3-5-2 bleibt | ... wenn auf 4-4-2 umgestellt wird | |
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- ein Kreativspieler für das offensive Mittelfeld (spielstarker 8er oder 10er) | - ein klassischer rechter Außenverteidiger mit defensiver Stabilität | |
- ein Tempodribbler für das offensive Zentrum oder die Halbräume | - ein kreativer Zehner mit Spielübersicht und Passqualität | |
- ein torgefährlicher Mittelstürmer, der permanent das Zentrum besetzt | - zwei Flügelspieler mit Dribblingstärke und Geschwindigkeit | |
- Optional: Tiefe für die Innenverteidiger-Position (mit Tempo) | - mindestens ein Innenverteidiger mit Tempo und Stärke im Aufbauspiel |
Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 29.05.2025 | 16:17 Uhr