Baumwurzeln in der Erde

Niedersachsen Im Wurzellabor: Wo Forscher den Bäumen beim Wachsen zusehen

Stand: 27.05.2025 12:50 Uhr

Nicht nur in der Atmosphäre, auch im Boden gibt es einen Klimawandel: Wie reagieren Eiche, Birke und Buche, wenn es unter der Erde wärmer wird? Göttinger Forscher schauen Wurzeln beim Wachsen zu.

Wie reagieren feine Wurzeln heimischer Bäumen auf steigende Temperaturen? Im Experimentellen Botanischen Garten in Göttingen blicken Forscher im sogenannten Wurzellabor unter die Erde. "Das ist einzigartig, denn die meisten wissenschaftlichen Projekte widmen sich den oberirdischen Pflanzenteilen", erzählt Dietrich Hertel, Wissenschaftler an der Universität Göttingen.

Anhand der Baumwurzeln wird die Reaktion der Bäume auf steigende Temperaturen im Boden erforscht. Das ist "Pionierarbeit", sagt auch Felix Heitkamp, Wissenschaftler der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. Denn wie genau Wurzeln auf zunehmende Temperaturen reagieren, liegt im wahrsten Sinne noch im Dunkeln. Möglich ist die Forschung an Wurzeln durch den besonderen Aufbau des Labors.

Forschung auf zwei Ebenen

Acht junge Bäume wachsen in Pflanzenkübeln.

So präsentiert sich die obere Ebene des Wurzellabors. Eine Etage tiefer sieht man die ...

Das "Wurzellabor" besteht überirdisch aus acht Pflanzencontainern, die in zwei Reihen angeordnet sind. Bepflanzt sind sie mit drei Jahre alten Bäumen: Rotbuche, Hängebirke und Traubeneiche - also Arten, die überall in Deutschland wachsen. "Die Rotbuche ist die häufigste Baumart in Europa", so Hertel. Die Bäume reagieren aber unterschiedlich auf die Temperaturveränderungen: Während Eiche und Birke sich besser anpassen können, ist die Rotbuche eher empfindlich. Was genau mit ihnen passiert, zeigt sich im unteren Teil des Wurzellabors. Hier stehen die riesigen Pflanzenkübel, aus denen in verschiedenen Tiefen die Plexiglasröhren ragen. Über dieses Röhrensystem kommen die Forscher von verschiedenen Seiten direkt an die Wurzeln heran.

Ein unterirdischer Raum mit Pflanzencontainern aus denen Röhren und Kabel ragen

... Pflanzcontainer, in denen die Bäume wachsen. Über die Röhren können die Forscher das Wurzelwerk beobachten.

Der Blick unter die Erde

Der Boden wird von Heizspiralen in den Röhren unterschiedlich erwärmt. Alle zwei Tage bewegt Doktorand Julius Fischer mithilfe eines langen Stabes eine Kamera (ein sogenanntes Mini-Rhizoskop) durch das Röhrensystem. Dabei macht er Aufnahmen, die er anschließend auswertet. Wie viel sind die Wurzeln gewachsen? Sind neue hinzugekommen oder abgestorben? Anhand dieser Fragen kann er den Zustand der Bäume und ihre Reaktion auf die Bodentemperatur ermitteln. Denn die Wurzeln können als sogenannte Stressindikatoren Hinweise auf den Zustand des Baumes geben. Wenn es zu warm ist, stirbt nach und nach das gesamte Wurzelsystem ab. "Das kann der Baum nicht hinnehmen. Er kompensiert den Verlust, indem er neue Wurzeln schneller nachwachsen lässt und so die Wasser- und Nährstoffzufuhr sichert", sagt Wissenschaftler Dietrich Hertel.

Der Klimawandel unter unseren Füßen

Das Experiment beinhaltet drei Szenarien: Ein Teil der Bäume wächst in Bodentemperaturen, wie wir sie momentan haben, eine Gruppe wird Temperaturen ausgesetzt, die sich an den Vorhersagen einer Erwärmung um zweieinhalb Grad orientiert, und eine dritte Gruppe hat es noch wärmer. Anhand ihrer Messungen wollen die Forscher Vorhersagen darüber treffen, welche Folgen die klimabedingte Erderwärmung für das Wurzelwachstum der drei Baumarten hat. Bis erste Ergebnisse vorliegen, wird es noch dauern. "Das Projekt läuft mindestens ein Jahr, damit wir den Jahresverlauf und alle Jahreszeiten erfassen können", sagt Julius Fischer.