
Niedersachsen Mit Energie aus der Nordsee: Borkum will Klima-Vorreiter werden
Bis 2030 möchte Borkum zumindest bei der Energieversorgung klimaneutral sein. Ganz wird der Plan nicht aufgehen, aber große Schritte sind gemacht. Unter anderem liefert die Nordsee neuerdings Wärme für ein Wohnquartier.
Olaf Look lenkt den elektrobetriebenen Kleinwagen vor den ehemaligen Öltank am Borkumer Hafen, hält an, steigt aus und verschwindet im Dunkel des runden, fensterlosen Gebäudes. Look ist bei den Stadtwerken für den Bereich neue Technologien zuständig und will die Anlage zeigen, auf die er nach eigenen Worten "immens stolz" ist. Sie soll seine Gemeinde in eine klimaneutrale Zukunft führen - oder zumindest einen großen Schritt in diese Richtung. Im ehemaligen Ölspeicher befindet sich die Schaltzentrale eines Systems, das die Energie des Nordseewassers zum Heizen von Wohnungen nutzt und das auf Borkum erstmals erprobt wurde. Nach jahrelanger Testphase läuft die Anlage nun seit wenigen Tagen.
Energie aus Nordseewasser
"Im Hafenbecken befindet sich ein Wärmetauscher, der mit einer speziellen Solelösung durchströmt wird", erklärt Look. Die Lösung nimmt die Temperatur des Nordseewassers an, zehn Grad sind das im Moment. "Die Sole wird dann in der Anlage um fünf Grad heruntergekühlt und dieser Vorgang erzeugt Energie." Diese wird gespeichert und versorgt eine Appartementanlage mit Wärme für Fußbodenheizung und Wasser. Die Nordsee, sagt Look, sei eine unerschöpfliche Energiequelle. "Im Winter haben wir im Meer knapp über null Grad und eigentlich denkt man nicht, dass man da Energie rausziehen kann, aber es ist möglich." Künftig sollen weitere Wohngebiete mit diesem System versorgt werden.

Axel Held (links) und Olaf Look wollen auf Borkum die Wärmewende - und eine klimaneutrale Zukunft.
Wärmewende dank Geothermie?
Und nicht nur das: Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzt Borkum auch auf Geothermie. Axel Held, Geschäftsführer der Stadtwerke, zeigt an seinem Computer allerlei Grafiken und Schaubilder. Schon in zwei Jahren sollen erste Probebohrungen stattfinden. Rund 3.700 Meter unter der Insel liegen Erdschichten, die vermutlich besonders geeignet sind, Wärme abzugeben. "Wir haben hier auf Borkum wirklich die Chance, unsere Strategie zu erfüllen und bis zum Jahr 2030 die Wärmewende zu schaffen", gibt sich Held optimistisch. Er sieht aber auch: Der Weg hin zur Klimaneutralität ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon, der aus vielen kleinen Etappen besteht. Der grüne Strom durch Windanlagen, die vielen E-Autos auf der Insel, die neue Tankstelle für Wasserstoff sind wichtige Schritte.
Klimawandel ist allgegenwärtig
Borkum ist eine der Ostfriesischen Inseln, auf der Autos fahren dürfen: Touristen und Handwerker kommen zu Tausenden und nur eine Minderheit ist elektrisch unterwegs. Gebaut wird auf der Insel auch. Dass auf der Insel in fünf Jahren tatsächlich gar keine Emissionen mehr freigesetzt werden, scheint trotz aller Bemühungen unrealistisch. Die Insulaner stehen allerdings hinter dem Projekt, so Held: "Wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels hier ja ganz besonders durch die Sturmfluten und die Wasserstände." Man habe - auch den Touristen gegenüber - einen Bildungsauftrag und wolle mit gutem Beispiel vorangehen.
Nach Angaben des Niedersächsischen Umweltministeriums gibt es neben Borkum weitere Kommunen, die sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt haben. So sieht der "Klimaplan Göttingen" für die Stadt eine Klimaneutralität bis 2030 vor, auch der Landkreis Lüneburg plant die Klimaneutralität bis 2030, ebenso die Gemeinde Wedemark.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 17.04.2025 | 19:30 Uhr