Eingangsschild des Jugendzentrums "Friese" in Bremen

Niedersachsen Neonazi-Brandanschlag in Bremen: Warum dauerte die Aufklärung so lange?

Stand: 27.05.2025 18:51 Uhr

Mehr als fünf Jahre nach einem Brandanschlag auf das Jugendzentrum "Die Friese" in Bremen soll der mutmaßliche Täter ins Gefängnis. Dass die Aufklärung so lange dauerte, sorgt bei den Betroffenen für Unverständnis - und bei den Angeklagten für einen "Strafrabatt".

Von Julian Feldmann und Reiko Pinkert

Rund 30 Gäste feierten im Februar 2020 im Jugendclub "Die Friese" in Bremen bei einem kleinen Live-Konzert. Dann bemerkten Besucher plötzlich Rauch im Partyraum. In dem Gebäude war Feuer gelegt worden - drei Menschen wurden verletzt, ein Raum in dem Jugendzentrum brannte aus. Am Tatort wurden rechtsextreme Aufkleber entdeckt, so wurde schnell ein politisches Motiv vermutet.

Hausdurchsuchungen erst lange nach der Tat

Doch die Ermittlungen liefen schleppend. Erst anderthalb Jahre nach dem Brand, im September 2021, durchsuchten die Ermittler die Wohnungen von zwei Neonazis in Bremen und einem Rechtsextremisten im Landkreis Verden. Der Verdacht hatte sich durch Zeugenaussagen und die Auswertung von Funkzellen-Daten ergeben. Bei dem Mann aus dem Landkreis Verden fanden sie neben Hakenkreuz-Fahnen und Hitler-Bildern auch genau das Aufkleber-Motiv, das am Jugendclub "Die Friese" klebte.

Ein nach einem Brandanschlag verrußter und zerstörter Raum im Jugendzentrum Friese in Bremen

Der Raum der "Friese", in dem das Feuer gelegt wurde, nach dem Brand.

"Das begleitet mich jeden Tag. Ich habe fünf Jahre lang nicht einen Tag nicht an dieses Brandgeschehen gedacht", sagt ein Sozialarbeiter, der in der Tatnacht im Jugendzentrum war. Er hatte den Brand im ersten Stock, direkt über dem Konzertraum, entdeckt. Dass sich die Ermittlungen und das Strafverfahren so lange hingezogen haben, setzt ihm zu. "Ich möchte da einen Abschluss haben, weil ich hoffe, dass ich dann auch abschließen kann mit diesen Geschehen. Das konnte ich in den fünf Jahren nicht."

Verfassungsschützer sieht Gefahr von Rechtsterror

Bremens Verfassungsschutz zählte zwei der drei Angeklagten zur rechtsextremen Gruppe "Phalanx 18". Die Gruppierung war 2019 entstanden und wurde nach mehreren provokativen Aktionen im alternativ geprägten Bremer Viertel noch im November des Jahres durch den Innensenator verboten.

Thorge Koehler, Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, beobachtet eine Radikalisierung in Teilen der Szene: "Durch eine zunehmende Zuspitzung und Polarisierung innerhalb gesellschaftlicher Diskurse sind wir an einen Punkt gekommen, an dem es wesentlich wahrscheinlicher werden kann, dass aus einer rein digitalen Radikalisierung auch Taten folgen", sagt Koehler im Gespräch mit Panorama 3. Er sieht die "Gefahr von Rechtsterrorismus".

Freiheitsstrafe für den Hauptangeklagten

Die drei Neonazis standen seit Januar vor dem Landgericht Bremen. Das Urteil Ende Mai ist deutlich: Wegen schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und versuchter gefährlicher Körperverletzung in 24 weiteren Fällen verurteilte das Landgericht den Rechtsextremisten Jan E. aus dem Landkreis Verden zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Er habe aus "Hass auf politisch Andersdenkende" den Brand spontan gelegt, erklärt der Vorsitzende Richter. Die beiden Mitangeklagten erhalten Bewährungsstrafen wegen unterlassener Hilfeleistungen. Sie seien Mitwisser, die in der Situation Hilfe hätten holen müssen. Eine Tatbeteiligung konnte das Gericht ihnen nicht nachweisen.

Gruppenbild der verbotenen Gruppierung "Phalanx 18" aus Bremen.

Mitglieder der "Phalanx 18" posieren für ein Gruppenbild. Die Gruppe wurde nur kurz nach ihrer Gründung verboten.

Die Strafe für Jan E. hätte auch noch höher ausfallen können, wären nicht fünf Jahre seit dem Brand vergangen. "Strafmildernd", sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung, sei die lange Verfahrensdauer berücksichtigt worden. Ein Angeklagter kann bei einem großen Abstand zwischen Tat und Urteil grundsätzlich mit einer milderen Strafe rechnen, erklärt Jan Stegemann, Sprecher des Landgericht Bremen. Bei Jan E. hätten jedoch die strafschärfenden Aspekte überwogen. 

Verfahren hatte keinen Vorrang

Besonders bei einer solch schweren Straftat wirft die Verfahrensdauer Fragen auf. Dass es nach Anklageerhebung zweieinhalb Jahre dauerte, bis der Prozess am Landgericht beginnen konnte, erklärt Stegemann damit, dass die Strafkammern am Landgericht vorrangig mit sogenannten Haftsachen zu tun hätten, also Verfahren, in denen Verdächtige in Untersuchungshaft sitzen. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Brandstifter sei außerdem umfangreich gewesen: "Für ein solches aufwändiges und langes Verfahren hat sich schlicht und einfach kein früherer Zeitpunkt gefunden", sagt Stegemann.

Das deutliche Urteil begrüßt Rechtsanwältin Lea Voigt, die eine Verletzte im Prozess als Nebenklägerin vertrat. Die lange Dauer des Verfahrens sei bei einer so schweren Straftat jedoch nicht angemessen, kritisiert sie. Staatsanwaltschaft und Polizei wollten sich auf Anfrage von Panorama 3 nicht zu der langen Verfahrensdauer äußern.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Panorama 3 | 27.05.2025 | 21:15 Uhr