
Niedersachsen Rundumschlag nach Relegations-Drama: Braunschweigs Köhler redet Tacheles
Ende gut, alles gut? Davon kann bei Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig nicht die Rede sein. Noch während der Feier nach dem Relegations-Drama gegen Saarbrücken holte Routinier Sven Köhler zum Rundumschlag aus und nahm Sportchef Benjamin Kessel indirekt in die Pflicht.
Köhler ist erst seit dem vergangenen Sommer bei den Niedersachsen, aber die Identifikation des 28-Jährigen mit dem Traditionsclub ist groß und deshalb setzte der Verteidiger wohl auch zur verbalen Grätsche an.
"Der Verein muss aufwachen"
"Der Verein muss aufwachen. Unter diesen Bedingungen ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Verein absteigt. Es ist fünf vor Zwölf", sagte Köhler nach dem rettenden 2:2 (0:0, 0:2) nach Verlängerung gegen Saarbrücken.
"Ich höre immer nur: Das war hier schon immer so. Und ich höre immer: 1967! Aber das ist nicht mehr aktuell. Und wenn man so weitermacht, dann steigt man ab."
— Eintracht-Profi Sven Köhler
Zweimal Platz 15, zuletzt Rang 16 und die Rettung über die Relegation: Drei Jahre hinterheinander sind die "Löwen" dem Abstieg denkbar knapp entronnen. Jedes Mal ging diesem Kraftakt ein Neuaufbau der Mannschaft voraus. Die Kaderstruktur und -planung sind zwei der vielen Kritikpunkte von Köhler.
Köhler fordert smartere Lösungen
"Wir haben ein super Teamklima. Das Problem ist: Man muss mehr Jungs reinbringen, die ein gewisses Alter haben, die ein gewisses Standing haben, die immer ihre Leistung bringen können. Es kann nicht sein, dass nur fünf, sechs Leute hier immer den ganzen Apparat anschieben müssen. Dann ist die Batterie so leer, wie sie jetzt leer ist", sagte der Defensivmann und addressierte seine Kritik unverblümt an die sportliche Leitung. "Man muss ein bisschen smartere Lösungen finden, man muss besser arbeiten, wenn man nicht die meiste Kohle hat."
"Ich habe selten so ein negatives Umfeld wie hier erlebt. Das macht auch etwas mit den Spielern."
— Sven Köhler
Sportchef Kessel gefordert
Vor allem im sportlichen Bereich. "Man muss eine Strategie haben, man muss einen Spielansatz haben und dann vielleicht auch mal Negativerlebnisse in Kauf nehmen. Generell ist alles zu passiv hier. Man reagiert nur. Man agiert nicht", sagte Köhler, der bei aller Kritik an den Rahmenbedingungen gerne in Braunschweig bleiben möchte: "Ja, absolut. Natürlich will ich hier mit anschieben."
Die Rolle des Anschiebers liegt hauptsächlich bei Sport-Geschäftsführer Benjamin Kessel. Der Ex-Eintracht-Profi hat sich zahlreiche Fehlgriffe bei der Kaderplanung für diese Saison geleistet, die erst im Winter einigermaßen korrigiert wurden.
Darf Interimstrainer Pfitzner weitermachen?
Der Sportchef muss nun zuvorderst die Trainerfrage klären und sich dabei zügig für oder gegen seinen langjährigen Freund und Mitspieler Marc Pfitzner ("Also Bock habe ich schon irgendwann. Aber da mache ich mir jetzt im Moment keine Platte rüber") entscheiden. Und er wird wieder zahlreiche wichtige Spieler verlieren. Torjäger Rayan Philippe steht vor einem Wechsel zu Mainz 05. Auch der herausragende Mittelfeldspieler Lino Tempelmann ist nur von Schalke 04 ausgeliehen und kaum zu halten.
Kessel: "Es muss alles auf den Tisch"
"Wir haben jetzt relativ spät Planungssicherheit. Jetzt geht die Arbeit wieder los", sagte der 37-Jährige. "Wir müssen die Saison ganz offen und ehrlich analysieren. Es muss alles auf den Tisch." Den ersten Schritt hat ihm Köhler mit seiner öffentlichen General-Kritik quasi schon abgenommen. Für Kessel kein Problem: "Er hat auf dem Platz vor allem die letzten Spiele geliefert. Dann ist es auch okay, wenn man mal sagt, was man denkt."
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Hallo Niedersachsen | 28.05.2025 | 19:30 Uhr